Leidenschaft am Laptop

[gummibaum]

Auf meinem Bildschirm lächelst du,
als wolltest du mich Cooles fragen,   
und mir die frechen Wünsche sagen.
Ich warte ab und schau dir zu.
 
Doch ich vernehme keinen Laut.
Du fährst nur süßer fort zu lächeln
und plötzlich höre ich mich hecheln
nach deiner warmen, reinen Haut.
 
Ich beuge mich ein wenig vor
und schaue dir in deine Augen,
die wie zwei blaue Strudel saugen,
ein jeder wie ein Himmelstor.
 
Ich fasse gierig nach der Maus,
denn um mein heißes Blut zu kühlen,
muss ich dich mit dem Cursor fühlen -
Er streckt auch schon das Händchen aus.
 
Ergreift das Neuland gleich am Kinn,
und führt mein inniges Verlangen
durchs Hügelland der schönen Wangen
und bis zur Nasenspitze hin.
 
Und abwärts wie auf einem Firn
den Nasenrücken zu den Auen
der weichen, schmalen Augenbrauen
und auf die helle, weite Stirn.
 
Ich wüsste gern, was denkst du dort   
und werde still für die Gedanken,
die sich durch das Dahinter ranken.
Doch schon zieht mich der Cursor fort.
 
Er macht erst Rast auf deinem Mund
und kitzelt dir die Lippenspalte.
Ich bin bereit für die geballte
Enthüllung – tu sie lauthals kund!
 
Doch plötzlich ist der Akku leer.
Dein wunderschönes Bild verschwindet.
Ich weiß nicht mehr, wo man es findet,
nur eines, Schatz, du fehlst mir sehr…

[Erich Kykal]

Hi Gum!

Sehr gut geschrieben! Einerseits die Vereinsamung der Menschen durch die digitale Welt, andererseits ihre Verführungen, von Interessensforen bis zu pornographischen Inhalten.

Versprechungen werden angepriesen, und jeder weiß, dass jeder lügt. Wir werden am Gängelband unserer sozialen oder erotischen Bedürftigkeit durch jeden Kakao gezogen, mit dem einer glaubt, er könne die große Abzocke reiten. Begehrlichkeiten werden gnadenlos ausgenutzt und, wenn du doch mal genug hast, gegen dich verwendet. Kaum zeigst du an irgendetwas gesteigertes Interesse, wird dein Laptop mit Werbungen und Angeboten zu diesem Thema überflutet, ob dir das nun passt oder nicht.

Und dann dies: Dein absoluter Engel schaut dir aus dem Bildschirm entgegen, und du bist völlig verzaubert - und dann ist wieder etwas anderes wichtiger, die nächste Werbung springt dich an, und du hast keine Ahnung, wo du deinen Engel suchen sollst, denn statt den Text zu lesen, konntest du nur wie hypnotisiert auf dieses Inbild deiner tiefsten Sehnsüchte starren! Und ... futsch!

Echt gemein! 

Sehr gern gelesen! 

LG, eKy

[gummibaum]

Das ist ein wunderbarer Kommentar, lieber Erich,

der vom Gedicht auf das dahinter stehende Problem, das mediale Ködern des Nutzers mit Bildern, die alle Arten von Heißhunger erzeugen, abhebt und es gut erörtert.

Schön auch, dass dir das Gedicht gefallen hat.

Grüße von gummibaum