Autor Thema: Erinnerung  (Gelesen 333 mal)

gummibaum

Erinnerung
« am: Dezember 24, 2024, 12:30:33 »
Ich habe damals in der Nacht
an eine andere gedacht,
als ich dich wieder schwängerte
und unsern Bund verlängerte.
 
Du fühltest dich bald wie ein Gauch 
und schlugst dir wütend auf den Bauch.
Ich sah dir zu und witterte,
wie innen jemand zitterte.
 
Das Kind kam grau heraus wie tot,
dann schrie es, wurde feuerrot.
Ich war zufrieden, eierte
zu meiner Liebsten, feierte…

Erich Kykal

Re: Erinnerung
« Antwort #1 am: Dezember 24, 2024, 23:08:08 »
Hi Gum!

Du wirst ja richtig grimmig-gruselig auf deine alten Tage!

Bin jetzt übrigens auch im (krankheitsbedingten) Ruhestand - in Rente mit 60. Meine Tablettenchemo wirkt nicht mehr, und jetzt bekomme ich die harte Infusionschemo über ein ganzes Jahr lang. Einzelne Wochen ganz ohne Krankenhausbesuch werden selten sein.

Aber ich schweife ab - dein Gedicht hier ist düster und arbeitet die dunkle Seite der menschlichen (männlichen?) Natur gut heraus - das Triebhafte, dem sich alle Vernunft und Empathie wie Fairness unterzuordnen haben. Für eine gutbürgerliche Fassade opfert dieser Mann bedenkenlos das Lebensglück seiner Frau, deckt sie mit Kindern ein, während er sich mit der Geliebten vergnügt. Er missbraucht letztlich auch das Vertrauen seiner Geliebten, denn gerade wegen dieser verlogenen Fassade wird er seine offizielle Gattin nie verlassen, selbst wenn sie einander das Leben zur Hölle machen - Konventionen sind hier stärker als Vernunft, Mitgefühl oder Objektivität. Hauptsache, keiner von den anderen braven Kirchgängern hat was zu tuscheln ...

Mit Schaudern gelesen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Erinnerung
« Antwort #2 am: Dezember 26, 2024, 01:17:25 »
Lieber Erich,

hab Dank für die gute Interpretation des Gedichts. Grimmig werde hauptsächlich gegen mich, weil alles mühsamer wird (das Denken und Erinnern vor allem) und die Fehlleistungen zunehmen. Aber ich werde - weil du mich hier darauf aufmerksam machst - jetzt versuchen, gegenzusteuern.

Deine Abschweifung zeigt, dass auch du - und schon zeitiger - eingeschränkt bist, wenngleich wohl nur körperlich. Ich drücke dir die Daumen, dass dein Zustand  -begünstigt durch den Ruhestand und die Intensivierung der Therapie - weiterhin einigermaßen stabil bleibt.

Liebe Grüße von gummibaum           

Copper

Re: Erinnerung
« Antwort #3 am: Dezember 28, 2024, 11:31:57 »
Hallo Gummibaum,

du bist eine Meister des tragischen Humors, wie Du wieder mal mit diesem vorzüglichen Gedicht beweist.

Ich bin wohl das Gegenteil von diesem lyrischen Ich.

Ich hatte in meinem bisherigen, 60 jährigen Leben nur eine Frau. ( in allen partnerschaftlichen Bereiche) und mit der bin ich seit über 42 Jahre zusammen.
Deshalb beneide ich schon ein wenig diesen Schelm.

Es stellt sich mir schon die Frage, hat die Natur das so geplant dass der Mann nur eine Frau schwängert und seine Möglichkeiten der Fortpflanzung  auf die körperlichen Möglichkeiten dieser einen Frau beschränkt ?

Ein Mann kann täglich zeugen, eine Frau nur einmal im Jahr empfangen, wenn man auch die enthaltsame Zeit nach der Geburt berücksichtigt.
In meinen besten Jahren hätte ich also täglich ein Kind zeugen können und im Jahr darauf wäre ich täglich Vater geworden. Schade. Ich habe wohl meine Potenz, mit der mich die Natur ausgestattet hat, nicht fruchtbar genug ausgelebt.
Aber Qualität vor Quantität. Dafür habe ich nun 2 wohlgeratene Söhne, die ich ohne Stress sättigen konnte.

Nur so eine Gedanke von mir.

Gruß Copper
« Letzte Änderung: Dezember 28, 2024, 11:50:18 von Copper »

gummibaum

Re: Erinnerung
« Antwort #4 am: Dezember 28, 2024, 19:27:22 »
Lieber Copper,

danke für das Lob.

Zwei wohlgeratene Söhne zu haben, halte ich für ein Glück. Zu den Fragen, die du dir stellst, kann ich nur sehr Allgemeines sagen.

Die Möglichkeit, männliche Potenz voll auszuleben, wird durch Eifersucht, Schuldgefühle und Gesetze begrenzt. Auch resultiert ein Gefühl der Leere, denn die Promiskuität verhindert den Aufbau tieferer Verbindungen zwischen zwei Menschen. Sozial spiegelt die (oft ungleiche) Beschränkung der Sexualität aber auch die Machtstrukturen einer Gesellschaft. Biologisch machte sie Polygamie vielleicht Sinn. Zeitgleich existierten einmal von Homo sapiens und Neandertaler nur ein paar Tausend. Der monogame Neandertaler starb aus.

Liebe Grüße von gummibaum