Autor Thema: Unterwerfung  (Gelesen 1744 mal)

Erich Kykal

Unterwerfung
« am: Mai 17, 2024, 15:45:37 »
Du hast mich eingeladen, dir zu dienen,
dein Spielzeug soll ich jeden Tag nun sein.
Was immer ich noch werden mag, ist dein,
folgt artig deinen Wünschen oder Mienen.
 
Die Träume, die mir so bedeutend schienen,
von Selbstverwirklichung und Kreation
erscheinen welker und verblassen schon
vor deiner Größe, und was immer ihnen

an Sehnen wuchs, entblättert sich im Lichte
der Gottheit, die du bist. Nur du allein
bestimmst ab jetzt das Ende der Geschichte,

die mich erzählt, und deine großen Hände
befehlen mich zu Strafe oder Lohn,
als ob ich ohne sie kein Glück mehr fände.
« Letzte Änderung: Mai 18, 2024, 10:22:29 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Unterwerfung
« Antwort #1 am: Januar 20, 2025, 01:38:42 »
Lieber Erich,

es gibt inhaltliche und formale Verbindungen zwischen diesem Gedicht und deinem nächsten über den Devoten. Formal führt durch beide die wörtliche Rede des sich Unterordnenden, inhaltlich ist dessen äußere und innere Verfassung das Thema.

In diesem Gedicht hier aber ist formal das Sonett bestimmend; inhaltlich die Entwicklung eines Menschen mit zunächst individuellen Zügen hin zu einem gläubigen und willfährigen Werkzeug in den Händen einer Gottheit. Dabei findet die Selbstcharakterisierung des dazu Vorgeladenen zu einem Zeitpunkt statt, wo er in etwa die halbe Strecke hinter sich hat, so dass Rück- und Vorausblick gleich gut gelingen. Es ist zugleich der Moment, wo der Gläubige sich gänzlich seinem Gott überlässt und seine Selbstaufgabe über alles stellt.

Das Gedicht stattet den Redner mit den schönsten Worten und Wendungen aus, allerdings um seine Haltung umso haarsträubender erscheinen zu lassen und um das für ein vernunftbegabtes Wesen völlig irrationale Verhalten durch selbst verschuldete Lächerlichkeit zu geißeln.

Angesichts der besorgniserregenden religiösen und politischen Entwicklungen in der Gegenwart (andere und unsere Länder) höchst aktuell.

Chapeau von gummibaum

   
« Letzte Änderung: Januar 20, 2025, 01:44:48 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Unterwerfung
« Antwort #2 am: Januar 20, 2025, 18:37:35 »
Hi Gum!

Alles, was du da sagst, stimmt, aber ich muss ehrlich sein: Ich weiß bs heute nicht, ob das Werk ein Gleichnis auf religiös oder politisch induzierten Fanatismus ist - oder das simple Credo eines sexuell Hörigen an seinen angebeteten Herrn und Meister aus nur allzu sterblichem Fleisch und Blut.

Vielleicht ist es all das zusammen, denn wie du bemerktest, unterscheiden sich die Mechanismen von erotischer oder geistiger Hörigkeit kaum voneinander - das Prinzip der totalen Unterwerfung kann sowohl etwas Schönes und auf seine Weise seltsam Reines sein - aber auch ein vielfach missbrauchtes Instrument, um sich willige künftige Täter heranzuziehen, zu welchem egoistischen Behufe auch immer.

Vielen Dank für deine tiefschürfenden Gedanken!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.