Autor Thema: Mein Begräbnis  (Gelesen 2252 mal)

Erich Kykal

Mein Begräbnis
« am: Dezember 31, 2023, 19:02:11 »
Es soll regnen ohne Ende,
nur die Urne, der Bestatter,
werden unter Wolken feucht,
wenn der Gleichmut fremder Hände
mich dem knochigen Gevatter
zu vertrauten Händen reicht.

Niemand soll am Grab erscheinen,
einsam, still und sinnentleibt
durch der Jahre Weiterstreben.
Denke jeder an die Seinen,
während Zeit den Stein zerreibt,
wie im Tode, so im Leben,
bis kein Name zu beweinen
dort zu lesen übrig bleibt.
« Letzte Änderung: Januar 03, 2024, 02:04:02 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Mein Begräbnis
« Antwort #1 am: Januar 02, 2024, 20:36:45 »
Lieber Erich,

das ist schön. So ein anspruchsloses und anonymes aus der Welt gehen macht keine Ansprüche auf ein Weiterleben im Gedächtnis anderer geltend.

Mit Freude gelesen.

LG g

Erich Kykal

Re: Mein Begräbnis
« Antwort #2 am: Januar 03, 2024, 02:05:48 »
Hi Gum!

Danke für die netten Worte!

Ich mag kein Trara um meine Person, und wenn ich bekannt wäre, würde ich es noch weniger wollen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Mein Begräbnis
« Antwort #3 am: Januar 05, 2024, 08:02:02 »
Lieber Erich,

"Trara" um die eigene Person nützt keinem,
anderen zur Last fallen wollte wohl auch niemand -
nichts desto trotz erscheint mir so ein Tod eine traurige Sache zu sein, sowie ein Buch, das nie gelesen, ein Lied, das nie gesungen, ein Ruf, der nie gehört wurde.....

Aus dem Leben zu gehen, ohne jegliche Resonanz zu erhalten , in dem Gefühl, keinerlei Spuren hinterlassen zu haben?

Nein, ich denke, so sollte es niemand ergehen!
In irgendeiner Weise sollte da Anteilnahme und Anteilgabe erfolgen!
Denn , auch wenn (hoffentlich!!!!!!) nicht jeder ein Tadsch Mahal errichtet: Wir alle hinterlassen Spuren, bewusst oder unbewusst.

Im Gedächtnis der Zeit bleibt alles eingeschrieben, was da war.

Lass es nicht regnen, wenn du gehst!
Der Totengräber will auch nicht nass werden.

Es wird in den Herzen derer regnen, die dich gekannt haben.

Alles Liebe - und bleib noch ein bisschen, wenns  gehr.

Lg, larin

Erich Kykal

Re: Mein Begräbnis
« Antwort #4 am: Januar 05, 2024, 10:51:31 »
Hi Larin!

Ein schwieriges Thema, vor allem, wenn man mit jemandem darüber spricht, der geliebte Angehörige verloren hat oder es bald tun wird.

Es heißt ja: Panta rhei, alles fließt, aber nach meinem Dafürhalten stimmt das nur in Bezug auf die physikalische Welt. Die Metaebene des Bewusstseins steht auf einem anderen Blatt. Da geht so viel verloren, damit Neues sich formen kann! Jeder Tod ist der Verlust so vieler Erinnerungen eines Individuums, ein gewaltiger Erfahrungsschatz, und ein großer Verlust, wenn es sich um Menschen handelt, die die richtigen Schlüsse daraus gezogen und die Welt zu einem besseren Ort gemacht haben.

Von mir kann ich das nicht behaupten. Ich war immer ein egozentrischer Sonderling, der sich bei Gegenwind lieber abgewandt hat, anstatt um etwas zu kämpfen, dessen Wert sich ihm kaum je erschlossen hat: Menschliche Gemeinschaft. Mag sein, ich habe in meinem Leben doch ein paar 'richtige' Schlüsse gezogen, die ich in meinem Werken zu transportieren versuche, aber ich lebe kaum nach ihnen, vor allem, weil ich mögliche Reibungspunkte mit der Menschenwelt von vornherein tunlichst vermeide.

Das Universum ist ungerecht, weil der Raum für Leben begrenzt ist. Menschen müssen sterben, damit ihre weiter evolvierten Nachkommen Platz finden. Das hat die Evolution so eingerichtet, damit es sie geben kann. Ohne Anpassung an eine sich verändernde Welt erlischt das Leben. So ist es nun einmal - und für das Individuum ist es ungerecht. Das Universum fragt nicht danach.

Wir wollen weiterleben, ewig sein. Wir wollen als soziale, liebende Wesen, dass es auch für jene, die wir lieben, so sein soll. Das Universum spielt nicht mit. Die einzige 'Ewigkeit', die uns bleibt, sind weitergegebene Gene und Erinnerungen an uns in Werken und Herzen. Ersteres mittelt sich im Genpool der Gesamtheit der menschlichen Art irgendwann von allein heraus, und Letzteres stirbt irgendwann ebenfalls, wenn keiner sich mehr erinnert und alle unsere Werke zu Staub zerfallen sind. Alles Illusion.

Was einzig zählt, ist die Gegenwart. Das Hier und Jetzt mit jenen, die wir lieben, und von denen wir geliebt werden - genannt: Das Leben. Das bedeutet aber leider eben auch: Verlust, wenn es endet. Mit ein Grund für mein Eremitentum: Die Angst vor dem Verlust dessen, was ich liebgewonnen habe. Also besser nichts mehr wirklich lieb gewinnen. Aber das ist mein Weg, und ich dränge ihn niemandem auf. Nicht wirklich zu empfehlen.

Für Menschen wie mich ist es sicher besser und auch verdient, wie oben beschrieben aus dem Universum zu verschwinden. Sie haben nichts je wirklich beigetragen, und die Produkte ihrer Eitelkeiten werden mit ihnen vergehen, weil sie nie selbstlos waren. Wesen wie ich sterben leicht, denn sie haben nie wirklich gelebt. Wo nie Liebe war, verliert Trauer ihren Sinn.

LG, eKy
« Letzte Änderung: Januar 05, 2024, 10:54:41 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Mein Begräbnis
« Antwort #5 am: Januar 16, 2024, 20:34:54 »
Liebe Erich,
ich umschleiche schon viele Tage deine Zeilen, komm aber nicht so richtig in die Gänge mit der Antwort, weil mir jedes Mal zu vieles gleichzeitig durchs Gemüt schießt und Gedankenketten nach sich zieht, die Auszubrüten mir die Zeit fehlt...

Allem voran der Satz " da macht Trauer keinen Sinn". Für mich verblüffend - ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Trauer Sinn machen müsste.Für mich ist Trauer ein Faktum, so wie "Blau". "Blau" macht auch keinen Sinn - ist aber einfach etwas , dass da ist - oder halt so wahrgenommen wird.

Und warum meinst du eigentlich, " nicht wirklich gelebt" zu  haben? Geht das überhaupt - " unwirklich leben? Ich denke, da legst du einen Maßstab an dich an, einen Vergleich, der nicht sein müsste.

Ich war nie selbstlos, sagst du.
Na Gott sei Dank, fällt mir dazu spontan ein.
Horch doch mal hinein in das Wort: selbst -los.

Wozu sollte irgend ein Mensch sich selbst los sein sollen?
Ist das nicht verrückt?

Und ja : Wir haben nur drn Augen-Blick!

Ich seh, ich seh, was du nicht siehst!
Vielleicht liegt darin der Schlüssel?

Lg, larin


Erich Kykal

Re: Mein Begräbnis
« Antwort #6 am: Januar 29, 2024, 19:14:57 »
Hi larin!

Ich hätte schreiben sollen: 'Sich der Trauer hinzugeben, verliert seinen Sinn'.
Trauer ist hier auch eher als allgemeine Traurigkeit zu verstehen. Dass Trauer selbst keinen Sinn braucht, weiß jeder, der bereits mal eine Depression durchlebt hat. Aber ihre Funktion für uns, zB die Reifung des Bewusstseins, ein inneres Wachstum, wird sinnlos, wenn sie ein Leben heimsucht, das sich jeder Entwicklung und Reife stets verweigert hat.

Verständlicher?

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Mein Begräbnis
« Antwort #7 am: Januar 29, 2024, 22:47:02 »
Lieber Erich,

mitunter sieht man sich in einem weit schlechteren Licht als das andere tun würden.
Letztlich gibt es auch nur sehr, sehr wenige Menschen, an denen absolut nichts Liebenswertes wäre!

Depression ist eine Krankheit - erforscht man deren Ursachen, ergibt sich schon ein "Sinn"  - in Form.von Zusamnenhängen und Wechselwirkungen.

Na gut, ich nehme also zur Kenntnis: Du möchtest nicht beweint werden.
Dem Bestatter gönne ich trotzdem Schönwetter bei der Arbeit - wenn die einen schon nicht trauern sollen, warum sollen dann die anderen Schnupfen kriegen?

Aber ich weiß schon : Das ist nur wegen der Dramaturgie im Gedicht!😉

Schön, dass du noch lebfrisch bist!
Lg, larin

Erich Kykal

Re: Mein Begräbnis
« Antwort #8 am: Januar 30, 2024, 22:31:46 »
Hi Larin!

also, ich finde, die Dramatik eines Regengusses zum Finale eines verregneten Lebens ist schon einen Schnupfen wert, vor allem, wenn nicht ich ihn mehr bekommen kann ...  ;) ;D

Außerdem hält so ein Wetter die Gaffer fern, die fälschlicherweise glauben könnten, da geschähe irgendetwas von Bedeutung ...  ::) ;D

Ich sehe mich nicht schlechter als ich bin, ich glaube vielmehr zu wissen, dass andere mich mangels gewisser Einsichten zu meiner Person zu freundlich beurteilen.  ;) >:D

Dennoch vielen lieben Dank für den Trost deiner Zeilen!  :)

LG, eKy
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Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Copper

Re: Mein Begräbnis
« Antwort #9 am: Februar 08, 2024, 15:21:51 »
lieber Erich,
eine ergreifende Szene die du beschreibst. ich sehe die die Bestatter, die nicht um Deinen Tod trauern, sondern insgeheim Fluchen über das schlechte Wetter. kein Mensch steht am Grab um zu weinen. das überlässt du den Regenwolken. Der Stein, der mit der Zeit seinen Zweck verliert. Der Name ist unleserlich verwittert. die Zeit löscht alles. Jedoch gibt es Menschen, die bleibendes Hinterlassen. Lyrik, Musik, Gemälde oder geschichtliche Größen in Politik, Religionen. ich kann mir gut vorstellen, dass auch du bleibendes hinterlässt. wer weiß, vielleicht werden deine Werke auch noch in hundert Jahren gelesen und beachtet.

Danke fürs lesen dürfen.

ich hatte erst eben ein Augen OP. Deshalb verzeihe mir Schreibfehler. es strengt meine Augen sehr an, das Schreiben. Hab auch im Moment nur das Tablet. dafür endlich Mal wieder Zeit auf der Wiese spazieren zu gehen.
 Gruß Copper,

Erich Kykal

Re: Mein Begräbnis
« Antwort #10 am: Februar 08, 2024, 17:51:14 »
Hi Copper!

An sich hast du recht, aber 'Bleibendes' ist subjektiv. Wie lange bleibt es denn? So lange es Schulstoff ist? So lange die Kultur währt? Bis zum Atomkrieg oder zum nächsten Meteoriteneinschlag? Bis zum nächsten Zusammenbruch der Zivilisation?

Wer weiß heute noch, wer Dr. Sauerbruch war, oder Doktor Schweizer? Oder Solon? Perikles? Wer war Amerigo Vespucci? Savonarola? Claudius? Wenige, wenige - und Unzählige sind längst ganz aus der Welthistorie gefallen. 'Bleibendes' ist im größeren zeitlichen Rahmen letztendlich eine Illusion. Alles muss immer mit jeder Generation neu erstritten, erlitten werden, da Erfahrungen und Erinnerungen nicht erblich übertragbar sind. Jedes neue Volk hat neue Helden, die die der ausgestorbenen Kulturen werden namenlos, verschwinden mit ihnen.

Selbst ohne Katastrophen vergessen die Menschen. Am schnellsten ihre Ärzte, Sportler und Künstler, denn die haben niemanden ermordet. Am längsten bleiben die Killer im Gedächtnis: Erfolgreiche Feldherren, Eroberer, soziopathische Politiker und Diktatoren, die übelsten Kriminellen, Massenmüörder, Völkermörder, die ihren Ruhm auf Leichenberge gründen.

Aber selbst diese Namen verschwinden langsam aus der Geschichte. Nur ein paar Nerds und Forscher kennen noch entleerte Worthülsen, Entziffertes aus staubigen Grabkammern, lebensferne Namen ohne Taten, oder Taten ohne Namen, auf jeden Fall in keinem Sinnzusammenhang mit der Gegenwart mehr stehend. Wenn dass letztlich das 'Bleibende' ist, dann verzichte ich leichten Herzens darauf.


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
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