Hi Copper & eKy & gum!
Lieben Dank für Eure Kommentare, Anmerkungen und Rückfragen! Und natürlich auch fürs Gefallenfinden!
Zu Deinem Kommentar, lieber Copper, dass dieses Gedicht sich etwas gegen eingängige Verständlichkeit sperrt: Damit hast Du ganz ohne Zweifel recht und ich schreibe ja tatsächlich auch desöfteren Texte, die sich durch die ein oder andere Eigenheit mehr oder weniger der leichten Verständlichkeit entziehen. Manche meiner Texte verweigern sich der Logik und dem Verständnis soweit, dass sie geradezu hermetisch rüberkommen, andere balancieren eher an der Schwelle zwischen Klarheit und Nicht-ganz-so-Klarheit
- dieser Text gehört, würde ich sagen zur letzteren Sorte. Dabei sind die Verständnishürden teiweise im Sprachlichen zu verorten, Du hast ja darauf hingewiesen, Copper, indem hier doch einige etwas ungebräuchliche Wörter Verwendung finden und auch die Grammatik ein wenig... naja... gedehnt wird. Außerdem gibt sich aber auch der Inhalt etwas geheimnisvoll, denn es wird nicht geade viel Kontext geliefert, so dass dem Leser etwas anheimgestellt bleibt, wen er sich hier unter dem lyrischen Ich und dem lyrische Du vorzustellen hat und ob hier eigentlich etwas märchenhaft Schönes und Positives oder doch eher etwas Dunkles und Bedrängendes besungen wird. Das letzte Wort im Gedicht lautet Tod... das ist ja nicht so schön... aber dann ist es wiederum nur ein "kleiner Tod", die Umschreibung für den Orgasmus... gum hat ganz genau richtig darauf hingewiesen. Also ein "verschweintes" Gedicht? Es wird nicht so richtig aufgelöst und das ist hier tatsächlich genau das Programm, weshalb ich hier auch keine allgemeingültige Musterinterpretation anbieten kann. Aber ich würde zumindest soweit gehen, dass es sich hier im weitesten Sinne um ein Liebesgedicht handelt, wobei die Liebe, wie es nun mal hienieden so geht, nicht ohne Anfechtung ist, was erklärt, warum auch von Schatten (S1) und Lügen (S3) die Rede ist.
Zu Deinen Anmerkungen, eKy, habe ich mit Obigem teilweise schon etwas gesagt. Du hast auf alle Fälle völlig recht, dass einige Formulierungen grammatisch grenzlastig sind, wie etwa das etwas ungewöhnliche "als" in S2Z4 (man könnte es als eine verkürzte "so wie"-Konstruktion zu lesen versuchen, aber ein wenig sperrig bleibt es doch. Auch der irgendwie verkürzte, nicht ganz vollständige wirkende Schluss wäre so eine Leseherausforderung. Wie in meiner Antwort an Copper angedeutet, ist das hier ein Stück weit beabsichtigt.
Sehr schön hast Du auch die Unterscheidung von Glückspiel und Glücksspiel herausgearbeitet, lieber eKy. Aufgrund der das ganze Gedicht durchwabernden "Zwielichtigkeit" würde ich hier tatsächlich die "Pokervariante" bevorzugen, weil diese das Liebesthema ein bisschen verfremdet.
Über die Apostrophe muss ich aber tatsächlich nochmal kritisch nachdenken. Beim "selband" ist ja eigentlich auch eine der Sprachüblichkeit widersprechende Verkürzung von "selbander" vorgenommen worden, da hatte ich das Gefühl, dass ich durch den Apostroph die Stelle etwas unfallärmer lesbar mache... beim "letzt" weiter unten, muss ich Dir zustimmen, dass das grundsätzlich noch nicht ganz so optimal rüberkommt... ich begrübele die Stellen noch ein bisschen.
Auch über Deinen Kommentar, lieber gum, habe ich mich wirklich sehr gefreut!
Du hast wunderbar die Wechselbeziehungen zwischen den Verliebtheitsgedanken und dem Märchenthema herausgearbeitet und die beiden Möglichkeiten aufgezeigt, wonach entweder die schutzbietende Märchenkonstellation eine Liebesgeschichte ermöglicht oder die Liebesbeziehung die Märchenmotive heraufbeschwört als einen Gegenentwurf zur äußeren Welt. Auch auf die Doppeldeutigkeit das dunklen Märchenwaldes weist Du hin, was ich ganz wunderbar finde: im Mächenwald hausen Wolf, Hexe und Menschenfresser, es ist aber auch der Ort, an dem Wünsche in Erfüllung gehen können.
Und jetzt noch der Nachrag, zur Frage von Copper, was es überhaupt mit dem "selband" auf sich hat (hab ich oben vergessen): Es gibt eine alte Sprachfügung, wonach man durch ein vorangestelltes "selb" eine Mehrzähligkeit von Personen ausdrücken kann. Am üblichsten ist dabei "selbdritt", was man als "miteinadnder zu dritt" oder "als Teil einer Dreiergruppe" übersetzten könnte. "selbviert" wäre dann "miteinander zu viert" usw. Für die Zwei-Personen-Konstellation hieße es dann allerdings nicht "selbzweit" sondern "selbander". Das sind alles halbwegs ausgestorbene Wendungen und dass die Formulierung "selbdritt" noch am ehesten "gebräuchlich" (nunja) ist, liegt an einem Sujet in der bildenden Kunst: Das Jesuskind mit Mama (Maria) und Oma (Anna) ist ein im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit häufig auf die Leinwand gebrachtes Familienidyll und wurde üblicherweise mit "Anna selbdritt" betitelt (also "Dreipersonengruppe mit Anna").
LG!
S.