Autor Thema: Armer Winter  (Gelesen 1457 mal)

Erich Kykal

Armer Winter
« am: November 24, 2022, 17:50:48 »
Du kanntest nie des Frühlings sanfte Blüten,
ihr Duften und das bunte Farbenspiel.
Du durftest nur die kargen Tage hüten,
und selbst ihr Weniges war dir zuviel.

Du spürtest nie die Sommerwiesen wogen,
die sanfte Brise in des Waldes Raum.
Du wurdest nur von Eis und Frost erzogen,
Und jede Wärme war ein ferner Traum.

Du lerntest nie des Herbstes Überreifen
für eine Ernte, die das Mühen lohnt.
Du konntest alle Jahre nie begreifen,
dass mehr als Schnee in unsern Jahren wohnt.

« Letzte Änderung: November 24, 2022, 21:54:33 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Armer Winter
« Antwort #1 am: November 24, 2022, 20:54:47 »
Hey eKy!
Tönt gut, Dein Klagelied über den personifizierten Winter, der nichts von den anderen Jahreszeiten weiß. Da ich persönlich ja den Winter (sowohl in seiner schneereichen als auch in der klimawandelgeschuldeten nieselgrauen Darreichungsform) durchaus schätze, finde ich den Winter nicht ganz so bedauernswert und mir scheint der Sommer bekalgenswerter, der im Glauben leben muss, die Weltnachrichten bestünden nur als Waldbrandmeldungen und den niedrigen Pegelständen von Oberflächengewässern (sofern noch ein Pegel vorhanden ist).
Aber Du meinst das natürlich in Wirklichkeit etwas metaphorischer und reflektierst über Existenzen die ihr Leben in permanenter Hibernation verbringen, um letztlich vom Winterschlaf übergangslos in den Kältetod zu wechseln. Ob es das wirklich gibt? Das Leben der meisten Mitkreaturen besteht doch aus Heiß- und Kaltzeiten, auch wenn die Temperatur- und Temperament-Amplituden von Mensch zu Mensch etwas divergieren dürften. :)
Wie dem auch sei. Sehr gerne gelesen und drüber reflektiert! :)
LG!
S.

P.S.:
Nur ein "Beitrag editieren" hat sich noch ans Ende des Gedicht gemogelt und gehört da, denke ich, nicht hin.
« Letzte Änderung: November 24, 2022, 21:00:52 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Armer Winter
« Antwort #2 am: November 24, 2022, 21:59:05 »
Hi Suf!

Danke für die prompte Replik. Die Parallele von Winter und einem 'erfrorenen Leben' in Starre und asketischer Nüchternheit hast du gut erkannt.

Alle paar Wochen schreibe ich noch was, damit ich meinen 'Touch' nicht verliere, aber irgendwie ist ansonsten bei mir der Dampf raus, zumindest derzeit. Kommentieren möchte ich aber auch weiterhin, auch wenn ich kaum noch etwas schreibe.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Rocco

Re: Armer Winter
« Antwort #3 am: Dezember 03, 2022, 02:03:14 »
Hallo Erich,

dass Schnee in den Jahren wohnt, gefällt mir. Das ist aphoristisch.

Irgendwie kommt bei mir kein Mitleid auf. Wem alles zuviel, der braucht sich nicht wundern, dass das Leben an ihm vorbeizieht.

Dass das lyr. Ich nie dazugelernt hat, zeigt ein Talent zur Ignoranz.

Dir einen schönen Tag!

Rocco
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

wolfmozart

Re: Armer Winter
« Antwort #4 am: Januar 03, 2023, 17:19:37 »
Hall Erich,

erstklassig ausgeführt und von der Idee her ausgefallen.

Ich mag den Winter mehr als den Sommer; da schwitz ich zuviel  ;D
Frühling und Herbst sind am gemäßigten, spez. Ersterer wird wohl von den Meisten geliebt.

wolfmozart

P.S.: Ich wünsch uns allen dass du wieder eine produktive Phase bekommst, deine Werke sind ein echter Gewinn für alle "Wiesenianer".

Erich Kykal

Re: Armer Winter
« Antwort #5 am: Januar 04, 2023, 09:22:41 »
Hi Roc!

Danke für deine Gedanken. Sorry, dass ich damals nicht geantwortet habe. Hab's wohl übersehen.


Hi, WM!

Danke für die freudlichen Wünsche, aber du weißt, das kann man nicht erzwingen. Ab und zu raffe ich mich eh noch auf, und irgendwann kommt da sicher wieder mehr. Ich hatte mal eine Phase, da habe ich über ein halbes Jahr absolut gar nichts verfasst und mich mit überarbeiteten Neueinstellungen von Uraltwerken über Wasser gehalten.

Das obige Gedicht könnte man mit zunehmendem Klimawandel wohl so fortsetzen:

Jetzt wird dir endlich warm in deinen Tagen,
nur selten schneit es in den Bergen noch.
Du kannst dein Schicksal noch so sehr beklagen -
was von dir bleibt, ist nur ein Sommerloch.

 ;D ::) :-\


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Armer Winter
« Antwort #6 am: M?RZ 26, 2023, 00:06:05 »
Toll, lieber Erich,

wie du dem Winter Züge eines verhärteten Menschen gibst, dem die Fähigkeiten und Erfahrungen der anderen Jahreszeiten/Menschen fehlen.

Der gleiche Beginn der Strophen und deren gleiche Teilung in zwei Hälften (andere Jahreszeit und Winter) schaffen in Verbindung mit einfacher, bildhafter Sprache einen hohen Lesegenuss.

Mit Freude gelesen. Chapeau!
 
g

Erich Kykal

Re: Armer Winter
« Antwort #7 am: M?RZ 26, 2023, 06:20:06 »
Hi Gum!

Vielen Dank!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.