Autor Thema: Herztöne  (Gelesen 858 mal)

Sufnus

Herztöne
« am: November 06, 2022, 22:05:00 »
Herztöne

Zwei Herzen auf der Stange,
die zwitschern Melodein
im Herzensüberschwange,
schrecklich verliebt zu sein.

Das will nun keiner hören,
Tandaradeigefrett!
Fort mit den Engelschören,
dem manischen Duett

von Herz und Herzin, die
sich wie die Blöden lieben;
die reinste Onanie
(wenn auch zu zweit betrieben).

Erich Kykal

Re: Herztöne
« Antwort #1 am: November 07, 2022, 22:52:02 »
Hi Suf!

Ach ja, die selbstverliebte Verliebtheit der selbstverliebten Verliebten! ;D


Hier mal formal kein allumfassendes Beipflichten:

S1Z4 hakelt mit dem nach deinem Takt schräg zu betonenden "schrecklich" zu Beginn. Alternative: 'so arg' oder 'gar sehr'

Die letzte Str. hat ein abweichendes Kadenzenmuster, was hier allerdings - meinem Gefühl nach - nachteilig zu Buche schlägt.

Alternative: Zeilenumstellung in S3:
(Komma ans Ende von S2Z4)

wo sich die Blöden lieben
als Herz und Herzin! Sie
(wenn auch zu zweit betrieben)
sind reinste Onanie.


Ansonsten wie immer sehr gern gelesen und genossen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Herztöne
« Antwort #2 am: November 10, 2022, 16:37:21 »
Hi eKy!

Auch hier noch ein erfreutes Dankeschön für Deinen Kommentar! :)

Der Kadenzenwechsel stört mein Ohr eigentlich nicht, womöglich weil er in meiner Perzeptionswelt der letzten Strophe ein bisschen was Conclusio-haftes verleiht: Die ersten beiden Strophen laufen parallel und die dritte setzt dann als Schlusspunkt einen neuen Kadenz-Akzent. Oder so.

Naja... und wir hatten es jetzt ja schon des öfteren damit, dass wir etwas unterschiedlich gewichtete Empfindlichkeiten besitzen, das macht den Austausch ja gerade so interessant. :)

In dem Zusammenhang: Das schreckliche "schrecklich", welches in S1Z4 so nachhaltig das Metrum sprengt, ist genau zu diesem Behufe von mir an der Stelle platziert worden. Die Idee ist, dass beim Vortrag die ersten drei Zeilen geradezu in klapperndem Metrum daherkommen und das "schrecklich" dann total den Leier-Rhythmus bricht. Im mündlichen Vortrag müsste das ganz gut und effektvoll herausarbeitbar sein:

Im-Her-zens-ü-ber-schwang-e *kleine Pause* schreck *kleine Pause* lich *kleine Pause* und dann wieder weiter im Metrum....

Das "schreck-lich" wird dabei mit schwebender Betonung und insgesamt ziemlich viel Emphase vorgetragen. :)

LG!
S.

Erich Kykal

Re: Herztöne
« Antwort #3 am: November 10, 2022, 23:52:01 »
Hi Suf!

Da scheiden sich eben unsere Geister. Für mich wird das Metrum IMMER weit über der Effekthascherei eines Autors rangieren. Ein Fehler bleibt für mich IMMER ein Fehler, auch wenn er bewusst gesetzt wurde, um etwas zu bezwecken. Sorry, so bin ich eben gestrickt.

Harmonische Ausgewogenheit und Regelmaß sind mir als musikalischem Menschen mit 'Taktgefühl' beim Dichten unheimlich wichtig und werden von mir selbst nur sehr selten zu bestimmten Zwecken gebogen oder ignoriert. sicher NIE absichtlich beschädigt. Das ist für mich wie das Quietschen von Kreide an der Tafel ...

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Herztöne
« Antwort #4 am: November 11, 2022, 14:07:31 »
Hi eKy!
Dass Dich die Störung des gleichmäßigen metrischen Ticktacks durch ein unverhofftes Tackerditack einigermaßen aus dem seelischen Gleichgewicht zu bringen vermag, ist mir schmerzlich bewusst ;) und stünde fest, dass Du der einzige Leser hier nicht nur bist sondern auch bleibst ;), wäre mein wiederholtes Verstoßen gegen Dein Ticktackbedürfnis nur als sadistisch einzustufen und höchst verwerflich. Noch hege ich allerdings die (überoptimistische?) Hoffnung, es könne hier auch noch andere Leser geben. Und bei anderen Rezipienten, so weiß ich aus Wiesen-fernen (offline) Gefilden, gibt es recht häufig die genau gegenteilige Einstellung, nämlich dass eine völlig gleichförmige metrische Struktur wahlweise einschläfernd, kitschig oder unfreiwillig komisch wirkt. Zwischen diesen Antipoden hangele ich mich nun durch die Lyrik und stoße abwechselnd beide Seiten vor den Kopf... ob das ein besonders kluges Vorgehen ist, sei mal dahingestellt... aber wenigstens ist es gerecht. ;)
Also nichts für ungut (und ein frohes Dankeschön, dass Du Dir trotz allem auch die unregelmäßigen Verse antust)!
LG!
S.