Autor Thema: Alle Tiere dieser Meere  (Gelesen 1219 mal)

Seeräuber-Jenny

Alle Tiere dieser Meere
« am: Oktober 21, 2022, 04:11:37 »
Fischlein auf dem Meeresgrunde,
schwammst so fröhlich deine Runde,
bis der Schleppnetzfischer kam.
Todesangst in deinen Blicken,
Blut rinnt über deinen Rücken.
Ich empfinde tiefe Scham.

Hummer, eingepfercht im Laden,
darfst zum letzten Male baden,
dann geht es auf Höllenfahrt.
Bange, quälend lange Stunden
sind die Scheren dir gebunden,
schließlich wirst du tot gegart.

Weiße Möwe, fliegst nie wieder,
ganz verklebt ist dein Gefieder,
und das bittre Ende droht.
Die Gewässer sind verdorben,
und so viele sind gestorben
schon der Ölpest schwarzen Tod.

Wale, Robben und Delfine,
Seeadler und Pinguine,
Austern, Seepferdchen und Hai,
alle Tiere dieser Meere,
sie verdienen Schutz und Ehre
statt der Menschen Tyrannei.
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz

Sufnus

Re: Alle Tiere dieser Meere
« Antwort #1 am: Oktober 21, 2022, 20:02:56 »
Hi Jen!
Deine Zeilen möchte ich gerne mitsingen... sie laden dazu ein, in die Mahnung (was Mahnung? Anklage!) einzustimmen, der Mensche dürfe sich die Erde eben NICHT Untertan machen und solle die Natur nicht als grausamer Despot ausnutzen. Hitler war ein grausamer Despot: Eine Binsenweisheit - wer hier nicht aus vollem Herzen zustimmt, der hat keines (und kein Hirn dazu). Hitler soll ja sehr tierlieb gewesen sein. Mich gruselt bei dem Gedanken, denn ich bin es auch.
Also: Auf der einen Seite der Mensch, dieses unnatürliche und grausame Geschöpf und auf der anderen Seitet die gute und gequälte Natur. Man möchte mitsingen.
Aber bei der ersten Strophe stocke ich schon: Ist je ein Fischlein auf dem Meeresgrunde fröhlich gewesen? Ist es dort nicht fortwährenden Gefahren ausgesetzt? Ein rasches Leben in Angst bis zum verfrühten Tod durch einen Prädator (gut möglich, dass dieser Flossen trägt).
Der Mensch neigt zu Bösen.
Ist er zu sehr Natur, um gut zu sein? Zu sehr ein Ebenbild des Schöpfers? Die Fragen müssen gestellt werden.
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Alle Tiere dieser Meere
« Antwort #2 am: Oktober 25, 2022, 19:09:46 »
Hi Jen!

Abgesehen von der - von Suf leider zurecht angezweifelten - emotionalen Vermenschlichung des Fischleins, die das gute Gedicht gar nicht bräuchte, ein sehr gelungener Text.

Und dem Menschen, der fragt, wie man die Menschheit denn sonst sattkriegen sollte, wenn man nicht die Meere plündert, sei gesagt: Wenn wir endlich eine weltweite Geburtenregelung schaffen würden, die die maximale Anzahl deckelt, würde es keinerlei Ernährungsprobleme geben. So aber machen wir unser Problem, unser Versagen, zum Problem und zum Versagen der Natur und des gesamten Ökosystems!

Allerdings braucht eine Geburtenregelung die Sicherheit stabiler sozialer Systeme, und da scheitert es auch schon: Wo nur die Vielzahl der eigenen Nachkommen die alten und schwachen Eltern am Leben erhält, weil ein Staat nicht mal ordentliche Pension zuwege bringt, erübrigen sich alle Überlegungen zu dieser Thematik. Wo versagen wir eigentlich NICHT?

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy

Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Seeräuber-Jenny

Re: Alle Tiere dieser Meere
« Antwort #3 am: Oktober 27, 2022, 01:30:02 »
Hi Sufnus,
hi Erich,

"Macht euch die Erde untertan und herrschet über die Fische des Meeres, die Vögel des Himmels, über das Vieh und alles Getier." (Genesis 1,28)

Ein häufig missverstandener bzw. missbrauchter Satz. Unser christlich geprägtes Verhältnis zur Natur hat viele Wandlungen durchlebt. In neuerer Zeit wird der Herrschaftsauftrag eher im Sinne einer treuhänderischen, hütenden Aufgabe ausgelegt. Nach dem Ideal des guten Hirten soll der Mensch für die übrige Schöpfung Verantwortung tragen.

Ich sehe den Menschen eigentlich nicht als Krone der Schöpfung. Andere Tiere haben wiederum Fähigkeiten, die wir nicht haben. Wir alle sind Teil der Natur, eins gäbe es nicht ohne das andere.

Die Natur kann grausam sein, wenn es ums Überleben geht. Aber wir Menschen treiben es mit Hilfe des falsch gedeuteten Satzes auf die Spitze. Wo wir doch ernährungstechnisch die Wahl haben. Katzen müssen Fleisch essen, Bären ernähren sich auch von Fleisch, aber vorwiegend vegetarisch, viele Tierarten ausschließlich vegetarisch. Wir können unsere Ernährung regulieren, können unseren Fleisch- und Fischkonsum reduzieren oder ganz darauf verzichten. Das dient nicht nur unserer Gesundheit, sondern hilft auch, den Hunger in der Welt zu bekämpfen:

"In der EU werden so große Mengen an Fleisch und Milchprodukten produziert und konsumiert, dass die benötigten Futtermittel, wie Soja oder Getreide, nicht nur in der EU angebaut, sondern zum großen Teil importiert werden müssen – auch aus Regionen, in denen Menschen Hunger leiden. Hinzu kommt, dass neue Flächen erschlossen werden, um Platz für den Anbau der Futtermittel bereitzustellen. Dies geschieht oft zu Lasten der Regenwälder und damit unseres Weltklimas und Artenreichtums.

Je mehr tierische Produkte wir essen, desto weniger Menschen können wir ernähren, da die Ressourcen und Anbauflächen begrenzt sind, ja sogar immer kleiner werden. Der Konkurrenzkampf zwischen der Tierindustrie und den Hungernden dieser Welt um Getreide verschärft sich weiter. Würden jedoch alle Menschen vegan leben, gäbe es genug Nahrung für 4 Milliarden mehr Menschen, da so die Feldfrüchte unmittelbar der Ernährung der Menschen zugutekommen würden." (Peta)


Das fröhliche Fischlein ist reine Fantasie und Poesie. Ich dachte dabei an Daniel Schubarts "Forelle":

In einem Bächlein helle,
Da schoss in froher Eil’
Die launische Forelle
Vorüber wie ein Pfeil.
Ich stand an dem Gestade
Und sah in süßer Ruh’
Des munter’n Fischleins Bade
Im klaren Bächlein zu.

Ein Fischer mit der Rute
Wohl an dem Ufer stand,
Und sah’s mit kaltem Blute,
Wie sich das Fischlein wand...


Liebe Grüße
Jenny
« Letzte Änderung: Oktober 27, 2022, 01:33:44 von Seeräuber-Jenny »
Ideale sind wie Sterne. Wir erreichen sie niemals, aber wie die
Seefahrer auf dem Meer richten wir unseren Kurs nach ihnen.
Carl Schurz