Autor Thema: Verlorene Orte  (Gelesen 858 mal)

Erich Kykal

Verlorene Orte
« am: August 24, 2022, 09:39:33 »
Seltsam kostbar werden uns die Tage im Gedächtnis,
die an Orten wir verbrachten, die es nicht mehr gibt,
so als blieben einzig diese uns als ein Vermächtnis,
das beweist, dass man Verlorenes noch immer liebt.

Dass ein Sein, das wir an diesen Orten uns erdachten,
lebenslang in unsern Herzen weiter existiert;
dass der Wert der Zeit, die wir zusammen dort verbrachten,
etwas für uns sein kann, das man niemals ganz verliert.

Selten kostbar wirken uns die Stunden im gefühlten
Himmel, den ein Schicksal uns an diesen Stellen wob.
Die Erinnerungen nisten heiß in den zerwühlten
Laken, welchen uns die Welt entrückte und enthob.
« Letzte Änderung: August 24, 2022, 10:41:25 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Verlorene Orte
« Antwort #1 am: November 05, 2022, 18:16:14 »
Hi eKy! :)

Bin noch einige Werke von Dir im Rückstand... na... ich arbeite dran! ;)
Jedenfalls hier ein besonders edles Stück, in welchem überlange Zeilen (gemessen am Maßstab des Üblichen) einen weiten Melodiebogen spannen.

Das Stück ist durchgängig in einem Zählmaß mit sieben betonten Silben gehalten (fürs Protokoll: dabei abwechselnd männliche & weibliche Kadenzen) und dieser "Siebenheber" ist schon eine Rara Avis in der deutschsprachigen Poesie, welche es kurz & knackig mag - z. B. mit nur vier Hebungen ("Freude, schöner Götterfunken"; "Frühling lässt sein blaues Band"; "Morgen kommt der Weihnachtsmann"; "Sah ein Knab ein Röslein stehen"; "Fest gemauert in der Erden"; "Schläft ein Lied in allen Dingen") oder sich - gerade bei Kinderliedern und Volksliedhaftem - sogar mit drei Hebungen begnügt ("Ein Männlein steht im Walde"; "Abend wird es wieder"; "Alle meine Entchen").
Natürlich, es gibt auch etliche herrliche Jamben mit fünf Hebungen ("Sein Blick ist vom Vorrübergehn der Stäbe"; "Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut"), aber ab dann wird die Luft doch zusehends dünner. Sechs betonte Silben pro Zeile sind im Barock (Alexandriner!) noch recht gängig (wobei es sich durch die Mittelzäsur fast wie eine Dichtung mit drei Hebungen pro Sinneinheit anfühlt), später sind diese langen Zeilen irgendwie etwas aus der Mode gekommen.

Wie dem auch sei: Dein "Siebenheber" lässt sich trotz der Überlänge wunderbar melodisch vortragen und das verdeutlicht Deine formale Könnerschaft! Ich ziehe den Hut!

LG!
S.

Erich Kykal

Re: Verlorene Orte
« Antwort #2 am: November 07, 2022, 23:05:31 »
Hi Suf!

Vielen Dank für diesen schönen Strauß verbaler Lobesblumen! Ich habe immer schon extrem langzeilig schreiben können, ohne dass es langatmig wirkt. Akzelerierte Sprachhabung und ein musikalisches Gehör.

LG, eKy

PS: Mich würde deine persönliche Meinung zu den Werken "Nur Rollenspiele?" sowie "D/s" interessieren. Wenn ich dir diese Sauperlen ans Dichterherz legen darf ...
« Letzte Änderung: November 07, 2022, 23:07:33 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Verlorene Orte
« Antwort #3 am: November 08, 2022, 09:50:47 »
Hi eKy!
Ja... ich kann jeden nur einladen, sich einmal daran zu versuchen, ein metrisch gebundenes Gedicht mit sieben Hebungen zu verfassen, das ist, selbst wenn man sonst anders dichtet, zumindest eine gute Schreibübung. Ich persönlich glaube übrigens, dass bei sieben Hebungen pro Zeile im Deutschen eine Grenze erreicht ist. Ich postuliere, dass bei einem deutschsprachigen Gedicht mit acht Hebungen pro Zeile, beim Vorlesen eher der Eindruck eines vierhebigen Textes entsteht, dass also die acht Hebungen sozusagen in der Mitte jeder Zeile "auseinanderfallen", weil das deutsche Ohr einen so langen Melodiebogen nicht mehr als "am Stück" empfindet. Es käme allerdings natürlich mal auf praktische Experimente an. :)
LG!
S.
P.S.:
Die Rollenspiele und das D/s sind auf meiner Merkliste, aber hier brauche ich noch etwas, weil es da gewisse Schwierigkeiten des Zugangs gibt... ich arbeite dran! ;) Zwischenzeitlich werde ich mir wohl noch ein paar andere Perlen von Dir vornehmen, die bis dato ebenfalls noch sträflicherweise unkommentiert geblieben sind... :)

Erich Kykal

Re: Verlorene Orte
« Antwort #4 am: November 09, 2022, 02:45:15 »
Ich bedanke mich artig und voller Vorfreude für diese schöne Aussicht1  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.