Autor Thema: Auf dem Sterbebett  (Gelesen 583 mal)

Erich Kykal

Auf dem Sterbebett
« am: August 13, 2022, 12:47:53 »
Blicke, die ins Gestern reifen.
Hände, die ins Leere greifen.
Aus der abgewohnten Hülle
tritt der Geist in jene Fülle,
die Erinnerung bereitet,
während er sich selbst entgleitet.

Einst Erlebtes wird gesprochen.
Altes Herz wird neu gebrochen.
Was die Gegenwart nicht tragen
kann und will in welken Tagen,
überwältigt das Gedächtnis
als berückendes Vermächtnis.

Alte Freunde – neu gefunden
im Verblassen müder Stunden,
wartend nur noch auf das Eine.
Nur das Gute, nur das Reine
aus der Ernte allen Strebens
wird zur Summe eines Lebens.
« Letzte Änderung: Oktober 25, 2022, 19:29:45 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Auf dem Sterbebett
« Antwort #1 am: Oktober 23, 2022, 15:28:23 »
Hi eKy!
Wohlgerundete Zeilen und im Gestus weitaus versöhnlicher als man, wenn man den Titel liest, womöglich befürchten möchte. Für mein Liking sind vor allem die ersten beiden Strophen äußerst süffig zu lesen und wirken in ihrem die Strophengrenze überwindenden Flow wie aus einem Guss. Die Conclusio der dritten Strophe ist durch eine ganz feine Bruchlinie von den beiden ersten getrennt und um eine winzige Schattierung blasser... für mich wäre das Gedicht auch als Zweistropher gültig und schlüssig, die um Mininuancen weniger "griffige" Schlussstrophe kann aber durchaus als ein Zeichen gelten für die sich lösenden Weltverbindungen der Erzählstimme des Gedichts (ein lyr. Ich im strengen Sinne gibt es ja nicht). Ohne die dritte Strophe wäre es für mich wie ein Song, der mit einem definierten Schlussakkord endet, mit der Dritten Strophe hingegen gibt es durchaus eine Art Schlussformel, die ganze Stophe verhält sich für mich aber eher wie ein Fadeout bei einem Musikstück.
Sehr gern und wie immer durchaus subjektiv gelesen und kommentiert. :)
LG!
S.
« Letzte Änderung: Oktober 23, 2022, 17:44:55 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Auf dem Sterbebett
« Antwort #2 am: Oktober 25, 2022, 19:29:25 »
Hi Suf!

Ich schrieb dies in Anlehnung an ein Gedicht von Wilhelm Busch, wo er in der Conclusio schreibt: "...denn die Summe unsres Lebens sind die Stunden, wo wir lieben."

Vielen Dank für deine Gedanken. Ich für mein Teil nehme die aus deiner sensiblen Sicht sicher deutlich spürbare Bruchlinie nicht wahr, kann mich deiner Sicht aber anschließen. Wie dem auch sei, ich möchte es - Willi Busch zuliebe - so belassen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.