Autor Thema: Nur Rollenspiele?  (Gelesen 977 mal)

Erich Kykal

Nur Rollenspiele?
« am: Juli 24, 2022, 11:07:30 »
O süße Sklavin, süßer Sklave!

Wie dringt Gesang aus meiner kargen Seele,
wenn du in meine Glutenaugen schaust,
mich wissen lässt, wie sehr du mir vertraust,
wenn ich dich binde und erregend quäle.

Du sehnst dich nach der Süße der Befehle,
die dir versichern, dass du mir gehörst.
O wüsstest du, wie sehr du mich betörst,
das tiefe Glück, das ich im Spiel verhehle!

Wir spielen Rollen unser ganzes Leben,
als könnten wir nicht gänzlich ohne sein,
um, was wir brauchen, wissentlich zu geben.

Du liebst die Hände, die dich ganz besitzen,
erblühst in Ketten auf, so wahr und rein,
um deinen Namen in mein Herz zu ritzen.


O gute Herrin, guter Herr!

Du wühlst mich auf mit deinen heißen Händen
in meinem Innersten, das dir gehört,
wo meine Seligkeit dir Eide schwört,
bei dir zu sein, bis meine Tage enden.

Dein großer Wille geht durch meine Lenden,
wo ich zerbrach, wo mein Verzagen haust,
doch du mich fordernd wieder auferbaust,
um mich für deine Zwecke zu verwenden.

Ich diene gerne, um dich zu beglücken,
will ganz mein Sein in deine Stärke hüllen
und ganz mich schenken dir zum Eigentume.

In deinen Armen atmet mein Entzücken,
dir liebend alle Wünsche zu erfüllen -
du bist mein Sonnenlicht, und ich die Blume.
« Letzte Änderung: August 17, 2022, 09:18:38 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Nur Rollenspiele?
« Antwort #1 am: November 29, 2022, 14:46:46 »
Hi eKy!

Dies ist das zweite erotische (Doppel-)Gedicht, welches noch unkommentiert blieb - was ich nun gerne, wie versprochen, ändern möchte.
Thematisch und formal ist hier eine enge Korrespondenz zu dem Doppel-Text "D/s" gegeben, zu dem ich ja heute schon einen Kommentar abgegeben habe. Sinnvollerweise kann man diesen (Nur Rollenspiele?) und jenen (D/s) Kommentar von mir auch im Zusammenhang lesen, ähnlich wie die beiden Texte von Dir. :)

Im Prinzip übst Du Dich bei diesem Text hier in einem gegenüber dem "D/s"-Text noch um eine Stufe eskalierten "hohes Reden". Die Sprache geht an einigen Stellen schon ins Ekstatische und der Pathos-Regler ist allgemein auf maximal eingestellt. Hier paart sich somit die rhetorische Wucht eines Bombaststils mit der süchtigen Bildsprache eines rilkeanischen Symbolismus.
Das erzeugt für mich ein durchaus verstörendes Lese-Erlebnis. Und während ich dies schreibe, muss ich gerade daran denken, dass Du wahrscheinlich in ähnlicher Weise irritiert (oder zumindest nicht "abgeholt") wirst , wenn Du einen der Texte von mir liest, die Du als übertrieben reduktionistisch empfindest.

Am Ende könnte man also sagen: Naja... das ist halt alles Geschmackssache, Uhl und Nachtigall eben. :) Dann gäbe es kaum einen kommunikativen Freiraum für einen Diskurs, weil jeder begründungslos sagen könnte: Ich mag es eben so und nicht anders, basta.

Hier würde ich gerne versuchen, noch einen gewissen Spielraum für einen wechselseitigen Austausch zu eröffnen (nicht mit dem Ziel meine subjektive Position zu verteidigen oder Deine zu widerlegen!), in dem ich die Frage nach dem Kontext eines bestimmten Stils aufwerfe. Ich denke, es macht eben einen großen Unterschied, ob (um eines Beispiels willen) ein reduktionistisches Gedicht bei einer Lyriklesung vorgetragen oder bei einer Beerdigung rezitiert oder bei einer heiteren Geburtstagsrunde zum Besten gegeben wird. Wenn es im einen Kontext womöglich "funktioniert", wird es in anderem Zusammenhang durchaus deplatziert wirken. Wie "robust" oder "empfindlich" das Sensorium des Rezipienten nun auf einen Text in einem bestimmten Kontext reagiert, ist dann natürlich wieder "Geschmackssache", am Ende kommen wir also immer zu einem Punkt, wo man sagen muss: Ich mags halt so (oder eben nicht). Mir scheint aber wert, festzuhalten, dass es Kontexte gibt, in denen einen rhetorisch "auftrumpfender" Text für mich (sogar sehr gut) funktioniert und andere, wo das weniger hinhaut. Umgekehrt, wirst Du reduktionistische Texte vielleicht grundsätzlich nicht besonders goutieren, in bestimmten thematischen oder Kontext-abhängigen Settings, wirst Du sie aber mit einem etwas schiefen Grinsen "schlucken", in anderen Settings wirst Du hingegen nur den Kopf schütteln können und Dich von dem Text abwenden.

Bei mir persönlich scheint es nun also so zu sein, dass mir ein starker rhetorische Ornat von Liebesgedichten im Allgemeinen eher gewisse Probleme bereitet (Dir aber nicht), während ein "hoher Ton" bei einem weniger stark "aufgeladenen" Thema als der Liebe (vielleicht einer Hymne auf eine Tasse Kaffee oder beim Lob des morgendlichen Ausschlafens) mich weniger stark irritiert. Wobei das sicher auch nur eine sehr grobe Regel ist, die durch viele Ausnahmen bestätigt wird. Rilkes Leda-Sonett haut z. B. rhetorisch auch unglaublich stark auf die Pauke (und ist natürlich, dem Mythos geschuldet, ein durch und durch sexualisierter Text), ich kann mich aber dennoch sehr an ihm erfreuen. Und dann wieder: Würde ein zeitgenössischer Dichter ein (neu verfasstes) Sonett in diesem Stil bei einer Lesung vortragen, wäre ich wieder gelinde verwirrt ob dieses ästhetischen Salto rückwärts in eine andere Epoche. Es ist also kompliziert. Und das ist auch gut so! ;)

LG!

S.
« Letzte Änderung: November 29, 2022, 14:48:18 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Nur Rollenspiele?
« Antwort #2 am: November 29, 2022, 18:09:00 »
Hi Suf!

Mit dem Pathos ist das so ne Sache! Abgesehen, dass die Latte da für jeden anders hoch hängt, hängt es auch oft von der unterlegten Thematik ab, ob ein ähnlich pathetischer Stil eher akzeptoert wird oder nicht.

Mir passiert es am ehesten dort, wo ich stark selbst emotional involviert bin. Dann empfinde ich es auch nicht als schwülstig oder pathetisch, sondern als realitätsnah formuliert - nah an MEINER Realität eben ...  ;)

Und die gehobene Sprache ist bei mir als Autor quasi fix eingebaut, wenn ich dichte, ganz unabhängig von Thema und Stimmung. Vielleicht weil es für mich gerade so - oder gar NUR so - möglich ist, meine Gefühle klar und adäquat zu transportieren: Indem ich sie gehoben formuliere.

Dass manche das zuweilen als 'gespreizt' oder allzu wuchtig empfinden, nehme ich gelassen in Kauf. Ich schreibe ja vor allem für mich (weil es MIR Spaß macht), also bleibe ich dabei, es so zu tun, wie es MIR gefällt, und nicht wie ich glaube, dass andere es hören wollen. Dir gefallen ja viele meiner Werke sehr gut, obwohl ich für mich nicht das Gefühl habe, da so viel anders zu schreiben als in den von dir monierten. Es liegt wohl wirklich am Thema, das gewisse Erwartungshaltungen bei der Leserschaft generiert, vielleicht auch mal moralische Empfindlichkeiten, die den Leser manches anders betrachten lassen.


Inhaltlich hast du recht: Dieser Text ist im Grunde ein Zwilling zum ersten, sowohl in Struktur (Doppelsonett) als auch in Inhalt und Aussage, hier vielleicht mit leichtem Hang ins Philosophische, menschliche Denkschemata hinterfragend. Sie entstanden ja auch unmittelbar hintereinander.


Vielen Dank für dein Bemühen um Objektivität und deine Ehrlichkeit.  :) Ist mir immer jederzeit lieber als sypathieheischende Gefälligkeitsgutachten.  8)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Nur Rollenspiele?
« Antwort #3 am: November 29, 2022, 20:42:58 »
Hi eKy!
Für mich war die Beschäftigung mit diesem Text und mit dem D/s-Text auf alle Fälle keineswegs ein Opfer, sondern höchst erfreulich und eben auch erkenntnisstiftend! :)
Ich werde sicher noch geraume Weile über das Verhältnis von Sprach-"Höhe" und inhaltlichem Kontext nachdenken, das ist ein, wie ich finde, überaus spannendes Gestaltungsfeld!
LG!
S.

Erich Kykal

Re: Nur Rollenspiele?
« Antwort #4 am: November 30, 2022, 11:07:32 »
Hi Suf!

Was ich dazu zu sagen weiß, habe ich unter 'D/s' bereits dargelegt. Ich habe mir beim Schreiben nie groß Gedanken über Formexperimente gemacht, verwende die Sprache und die Form nur intuitiv, wie es mir zur jeweiligen Thematik passend erscheint, aber immer eben in gehobener Sprache. Sehr selten bin ich davon abgewichen, zB. wenn ich mal Proleten als LyrIch auftreten ließ, oder besonders Primitives (wie zB Rapmusik, hihi ...) kristisieren wollte, aber sogar dann blieb mir die klare Artikulation der zu vermittelnden Botschaft wichtiger als die mögliche Authentizität der Form und des Sprachstils.
Persönliche Präferenz. Und so möchte ich auch die Werke anderer lesen: Klar formuliert (zumindest für mich), mit schöner oder zumindest interessant verwendeter Sprache, und einer Conclusio, die es so schön im Hirn kribbeln lässt, dass man das Aha-Erlebnis geradezu auf der Zunge schmecken kann!  ;) :)

Was mir leider öfter mal passiert ist, dass manche Werke sprachlich allzu überkomplex werden, wenn mich die Trance davonträgt und ich nach zig Zeilen einen ellenlangen Satz dann irgendwei zu einem korrekten Ende bringen muss. Dann mag es passieren, dass man manche Bezüge mit dem Lasso einfangen gehen muss, weil die Klammer sich gar so weit spreizt, oder dass die Konstrukte zuviele Enschübe, Nebensätze und Kommata enthalten, um noch klar und übersichtlich zu sein. Liegt wohl an meiner intuitiven Sprachbegabung, dass ich da weniger an die mögliche Verwirrung meiner Leserschaft denke als daran, erneut voller Stolz ein Beispiel schönen Sprachgebrauchs abgeliefert zu haben, an dem fast nur ich mich erfreuen kann, weil mir die rote Linie bewusster ist als jenen, die mit diesem Text konfrontiert werden.

Wie auch immer, es freut mich, dass du interessiert daran herangehst und aus allem etwas zu lernen versuchst, auch wenn es erst mal nicht so auf deiner Linie liegt. Ich wünschte, ich könnte so offen und tolerant sein, aber meine in Dekaden an der Welt und enttäuschenden Menschen geschulte zynische Miesepetrigkeit macht mich bedauerlicherweise oft zu einem eher nörglerischen, spitzzüngigen Meinungsdespoten. Ich arbeite daran, allerdings ohne viel Hoffnung, dies je ganz ablegen zu können. Dazu macht es mir einfach zu viel Spass, über manches, was ich als himmelschreiende Blödheit verorte, mit saurem Witz oder zynischem Furor herzufallen!  ;) >:D

LG, eKy
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