Autor Thema: D/s  (Gelesen 982 mal)

Erich Kykal

D/s
« am: Juni 16, 2022, 21:35:52 »
Dominant

Versonnen will ich deine Anmut ehren,
wenn du ins Knie fällst, meiner Lust zu dienen,
die deine spiegelt, wenn sich unsre Mienen
begegnen mit des anderen Begehren.

Ich darf dich führen, fördern und behüten,
geadelt durch dein innigstes Vertrauen.
Ich breche dich, um stärker dich zu bauen,
und so dir deine Liebe zu vergüten.

Ich schenke dir die Kraft, dir zu verzeihen,
entrückt den Dingen, die dein Leben quälen,
und die dein wahres Auferblühen hemmen:

So viel an Aufgestautem hinter Dämmen,
weil du nie wagen durftest, selbst zu wählen -
du wähltest mich, dich endlich zu befreien.


submissive

Wie ist mein unverbrüchliches Verehren
Beruhigung mir, Geborgenheit verheißend,
wenn deine große Stimme, an mir reißend,
gebietend mahnt, dir alles zu gewähren.

Aus deinem Becher will ich alles trinken,
was er mir schenkt. Dir einzig zu gehören,
will ich Gehorsam dir und Treue schwören,
und ganz in deiner Dominanz versinken.

Der süße Schmerz aus deinen heißen Händen
erlöst mich aus gelernten Konventionen,
die mich erschlagen und gebrochen fänden,

wenn nicht dein ernstes Strafen und Belohnen
mich so versöhnte mit dem Drang der Lenden,
dass du mich schaffen konntest und bewohnen.
« Letzte Änderung: Juni 16, 2022, 21:37:58 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: D/s
« Antwort #1 am: November 29, 2022, 10:21:00 »
Hi eKy!

Hier nun mal - länger angekündigt und aufgeschoben - ein Versuch, mich einem Deiner noch unkommentiert gebliebenen erotischen Gedichte anzunähern.
Es ist dabei eine Annäherung unter dem Vorzeichen des Scheiterns, also des Scheiterns von mir als Leser, zu einer "einvernehmlichen" Haltung mit dem Text zu kommen.

Aber ich versuche zunächst mal, mich als Leser auszuklammern und quasi nur bei dem Doppel-Text zu bleiben. Dann finde zwei formal kunstvoll gebaute Sonette, die thematisch und klanglich sowie in der Bildsprache mit einander verklammert sind (man beachte die identischen Einstiegsreime im jeweils ersten Quartett ("ehren / Begehren" und "verehren / gewähren"). Es werden dabei die korrespondierende Positionen einer dominanten und einer submissiven Sexualität im Sinne der BDSM-Kultur eingenommen. Die dominante Position steht oben und ist groß geschrieben, der submissive Part steht unten und ist klein geschrieben. Man könnte diesen mimetischen Zugang sicher noch weiter treiben und ein regelrechtes Figurengedicht daraus machen. Das hat durchaus seinen formalen Reiz.

Und jetzt wäre zu fragen: Interpret, wo bleibt Dein Scheitern? ;) Nun... dieses Lese-Scheitern liegt eben darin begründet, dass mir die Texte wie ein rhetorisches Dickicht erscheinen, welches es mir verwehrt, zu irgendeiner Art von Berührtheit oder einer Art von Angesprochensein zu gelangen. Dieses Hemmnis des Zuganges hat zunächst einmal (1. Anlauf!) (ich betone das, um nicht missverstanden zu werden) vor allem etwas mit der Art der Sprache und der formalen Gestaltung zu tun. Der fehlende Zugang folgt also nicht bereits daraus, dass mir das Thema inhaltlich fremd ist (was es tatsächlich ist ;) ) - das wäre bei mir eher eine Voraussetzung für Neugier und Fasziniertheit. Aber durch die extrem pathetische Sprache, welche die Sexualität in eine eigenartig orgelnde, sakrale Sphäre hebt, bleibe ich hier als Leser ausgeschlossen. Und jetzt (2. Anlauf) kommt doch noch einmal das Sujet der Sexualität und damit die inhaltliche Seite ins Spiel: Der Leser ist ja hier der Zeuge eines Gesprächs zweier Liebender, was eine etwas voyeuristische Zugangsebene mit sich bringt. Könnte ich mich als Leser mit einer der beiden geschilderten Positionen identifizieren, so wäre ich quasi mittendrin im Geschehen und kein Beobachter von Außen. Diese Identifikation (siehe 1. Anlauf) wird mir durch den Tonfall der Texte verwehrt - ich käme im Gedanken an ein Liebesspiel nie in so eine "abgehobene", ins Schwülstige zielende Sprach-, Denk- oder Fühlebene und das macht mich zum Ausgeschlossenen bei dieser intimen Wechselrede zweier Menschen. Diese, auf der inhaltlichen Ebene, voyeuristische Position erzeugt nun bei mir aber ein großes Unbehagen und führt zu dem Reflex, mich von dem Text abzuwenden.

Und diese strukturelle Problematik erklärt nun hoffentlich ungefähr, warum ich persönlich an diesem Text als Leser nur scheitern kann. Es ist aber immerhin ein Scheitern, welches auf der Meta-Ebene für mich nicht ohne Erkenntnisgewinn war...

... insofern zwar kein Applaus hier von meiner Seite - aber doch auch keineswegs verschwendete Lebenszeit! :)

LG!

S.


« Letzte Änderung: November 29, 2022, 12:27:49 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: D/s
« Antwort #2 am: November 29, 2022, 17:54:09 »
Hi  Suf!

Interessant! Mein emotionaler Zugang erfolgt GERADE über die gehobene Sprache, die mir erlaubt, exakt zu artikulieren, was ich aussagen will. Ein Liebesgedicht, das in simpler Sprache und eher vage oder - noch schlimmer! - in altgewohnten Phrasen vor sich hin emotionalisiert, ist für mich viel eher im 'schwülstigen' Bereich als meine klare Sprachhabung. Sie mag akzeleriert sein, aber so findet sie auch eher die erwünschte Zielgruppe: Menschen, die ihren Emotionen ebenso Ausdruck verleihen wie ich.

Dass du deine Gefühle anders lyrisch verarbeitest, sei dir unbenommen.

Zum Inhalt: Dieses Prinzip von Dominanz und Submissivität ist ein Teilbereich meiner Sexualität, den ich nur in meiner Fantasie je ausgelebt habe, da aber in allen nur möglichen Spielarten und Nuancen. Dennoch bleibt es auch dort nur ein abgegrenzter Teilbereich meiner Sexualität, den ich allerdings weder leugnen noch missen will. In die Realität übertragen werde ich ihn allerdings nie.


Vielen Dank, dass du dir trotz deines 'Scheiterns' die Mühe gemacht hast, meinem Bitten zu willfahren.

LG, eKy
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Sufnus

Re: D/s
« Antwort #3 am: November 29, 2022, 20:40:32 »
Hi eKy!
Unser Dialog über dieses Doppelsonett und Dein "Nur Rollenspiele?"-Tandem erfreut mich sehr! Ich nehme die Text auch als authentisch für Dein lyrisches Reden wahr (authentisch in dem Sinn, dass Du - genau wie Du das beschreibst - durch die gehobene, akzelerierte Sprache (und an deren äußerst hohem Niveau kann ja gar kein Zweifel bestehen) Deinen Emotionen Ausdruck verleihst. :)
LG!
S.

Erich Kykal

Re: D/s
« Antwort #4 am: November 30, 2022, 10:47:39 »
Hi Suf!

Ich weiß, wie du mit Formen und Stil experimentierst, um beim Leser bestimmte Reaktionen zu induzieren. Das ist interessant zu lesen, auch wenn ich öfter mal für eine erklärende Einleitung oder einen entsprechenden Nachsatz dankbar wäre, denn zuweilen entziehen sich mir deine Intentionen gerade dadurch, da ich eben einen anderen Bezug zur Lyrik habe.

Ich habe sehr selten versucht, so zu schreiben wie du: Die Form der gewollten Aussage anzupassen, oder mittels bestimmter lyrischer Mittel den Geist des Lesers zu manipulieren, um so die Botschaft zu unterstützen, und ich meine das nicht im negativen Sinne.
Die Ergebnisse waren - zumindest für mich - unbefriedigend. Klar, ich unterstütze meine Aussagen oft - eher unbewusst - mittels Wortwahl und Sprachmelodie, oder wähle automatisch harte männliche Kadenzen für harte Botschaften oder Inhalte, respektive vice versa. So intensiv und vor allem: Bewusst! - wie du passe ich aber nie die Form dem Inhalt an.

Deshalb spreche ich alle Themen, die erst mal nicht dafür geeignet erscheinen, in gehobener Sprache an, selbst wenn es wehtut: Kinderhospize, Kindersoldaten, religiösen Wahn und Terror, Sexualmord, Massenmord usw.. - all die Traurigkeiten und Tragödien, ebenso wie die irrwitzigen Grausamkeiten und Entmenschichungen, derer unsere Art fähig ist. Selbst den tiefsten Abgrund bereise ich auf der Barke akzelerierten Sprachguts, manchmal sogar, um gerade diesen Kontrast zu einem tragenden Element für die Aufmerksamkeit des Lesers zu machen!

Ich brauche nur ein paar Seiten Rilke zu lesen, und ich weine. Nicht der Inhalte wegen, sondern einzig allein schon, weil die Sprache so wunderschön ist! DAS ist meine Art zu schreiben, das ist, was mich bewegt bis ins Innerste, und einzig dem will ich nacheifern, wenn ich mich selbst versuche. Nur so funktioniert diese Magie für mich ...  :)

LG, eKy
« Letzte Änderung: November 30, 2022, 11:16:51 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.