Autor Thema: Mariupol  (Gelesen 1093 mal)

a.c.larin

Mariupol
« am: M?RZ 15, 2022, 18:52:29 »
Wir werden es in hundert Jahren noch beweinen,
das Unrecht, das der Mensch dem Menschen tat!
Wir werden Kränze niederlegen auf Gebeinen,
und wüssten doch trotz allem keinen Rat,

wie all das Morden zu beenden wäre!
Der Mensch hat es dem Menschen angetan!
Denn alle Schwüre gingen, Lügen gleich, ins Leere:
Klein fängt das große Böse in uns an!

Der Unverstand wird neue Wunden schlagen
und neue Wut und neuen Hass, in einem fort!
Wir werden es in hundert Jahren noch beklagen:
Begraben haben wir die Hoffnung dort.
« Letzte Änderung: M?RZ 15, 2022, 18:55:38 von a.c.larin »

Erich Kykal

Re: Mariupol
« Antwort #1 am: M?RZ 15, 2022, 22:20:26 »
Hi larin!

Ja, das Elend kommt schleichend, und lang kann man die Zeichen ignorieren, wegargumentieren. Hinterher wird man den Punkt suchen, an dem all der Wohlstand und die Sicherheit zu kippen begannen, und man wird sich schwertun.

War es damals, als Putin sich jenseits aller Verfassung "wiederwählen" ließ, und die Demokratien schwiegen, um weiter gute Geschäfte mit ihm machen zu können? Begann da der Niedergang der Feigen und Blinden?
War es damals, als Putin klarstellte, dass er die Grenzländer, die alten Satellitenstaaten der UdSSR, immer noch als quasi Eigentum und Vorrechtszone seines Landes behauptete, und der Westen dazu schwieg, damit Öl, Gas und Bodenschätze fließen konnten, obwohl es nur eine Handvoll Oligarchen reich machte?
War es damals, als Putin die freie Presse zu nötigen und zu ermorden begann, Dissidenten vergiften ließ, in Georgien und auf der Krim auszuloten begann, wie weit man ihn gehen lassen würde, ohne die Illusion von Sicherheit und Wohlstand im Westen zu riskieren?

Ab wann haben wir verabsäumt, das Richtige zu tun, sodass alles in das nunmehrige Geschehen münden konnte? Lang warf Putins Handeln seine Schatten voraus, lang waren seine Lügen und seine Selbstbereicherung deutlich zu erkennen, zumindest außerhalb Russlands. Lang hätte man ihn international in die Schanken weisen können - aber so ist der Mensch eben: Solang der Rubel rollte, spielte alles andere keine so große Rolle, vor allem wenn Putin immer mal wieder zivilisiert tat und Lippenbekenntnisse absonderte, um die Gewissen der Arschkriecher und Partikularisten zu beruhigen.

Niemanden hat Putins Überfall angesichts all seiner offenkundigen Charaktereigenschaften und Vortaten weniger überrascht als mich, aber sogar ich dachte anfangs: SO dumm KANN er doch nicht sein! Alles, was sich sein Land die letzten Jahrzehnte an Kreditwürdigkeit, Stabilität, Wohlstand und internationalem Ansehen erarbeitet haben mochte - mit nur einem einzigen aggressiven Akt kleingeistiger Besitzbehauptung unwiederbringlich hinweggewischt!
Ihm musste vorher klar gewesen sein, dass die Weltgemeinschaft hierzu nicht mehr würde schweigen, nicht mehr verschämt würde wegschauen können. Ihm war der "Respekt" vor ihm und seinem wiedererstarkten Russland wichtiger als Verständigung und Aufnahme in die Weltgemeinschaft. Seit dem Ende des kalten Krieges hörte er nie auf, Blöcke und Feinde zu sehen, anstatt Chancen und offene Arme. Und Leute wie er haben immer schon Respekt mit Angst verwechselt. Er benimmt sich wie ein Mafiaboss, wie ein aufgeblasener, billiger kleiner Vorstadtmussolini, der sein Machogehabe und seinen Männlichkeitswahn auf das ganze Land projiziert, das er im Würgefriff hat.

Das Problem ist, das Putin nun ein Problem ist, dass Russland eigenständig lösen (wollen) muss. Jede direkte Aktion von außerhalb gäbe ihm Handhabe zu behaupten, man greife Russland an, nicht explizit ihn. Leider haben Jahrhunderte brutales Zarentum sowie Jahrzehnte kommunistische Gewaltherrschaft die meisten Gene von Intellektualität, Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein aus dem Pool dieses Volkes herausgefoltert und -gekillt.
Dass man sich gegen ihn erhebt, ist daher sehr unwahrscheinlich, so mutig die Protesttaten Einzelner und Weniger auch sein mögen. Vor allem, weil viele Brutalschergen des Systems Putins Handeln sogar begrüßen und beklatschen.

LG, eKy
« Letzte Änderung: M?RZ 15, 2022, 22:25:00 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Mariupol
« Antwort #2 am: M?RZ 16, 2022, 05:18:06 »
Hallo Erich,
alles nachvollziehbar, was du sagst, aber:
Hättiwaritätti!

Wann und wo wäre denn der Punkt gewesen, zu intervenieren? Und wie hätte das geschehen sollen? Jede Blockade von außen wird als feindlicher Akt gesehen und verkauft,(auch jetzt), jemanden in ein fremdes Land schicken, um dort "umzurühren" als Einmischung in innere Angelegenheiten.

Das geht nicht mal dann leicht, wenn sichs bloß um den Nachbarn handelt, der seine Frau schlägt (oder im Keller einsperrt). Alles nach außen hin ganz "normale" Normalbürger....

Bin mir ziemlich sicher, die diversen Geheimdienste sind ohnehin mit allerlei Einflussnahme beschäftigt, da wie dort.....
Digital gehts sogar noch besser.

Putin selber ist ja auch ein Produkt dieser Misstrauenszuchtanstalten.

Und wer hätte sich da schließlich zum "Weltpolizisten" aufschwingen sollen?
Amerika war mit Trump und Konsorten reichlich genug mit sich selbst beschäftigt.
Europa auf dem Selbstfindungstrip, in Exit-Brexit und Flüchtlingsdilemmata gebunden.

Zusätzlich gabs ja auch anderswo auf der Welt genug Würschteln und Sonderlinge - passt man auf den einen auf, glauben die anderen, sie haben Kirtag.....

Und damit diese Torte dann noch ein Sahnehäubchen kriegt, haben Corona und der Klimawandel (beides vorhanden aber trotzdem von vielen angezweifelt) auch noch ein Schäuferl nachgelegt....

Fazit: Es war uns nicht fad - weder politisch noch sonstwie.

Dass Europa jetzt doch so geschlossen reagiert hat, zeigt ja nur, dass Herr Putin die Schmerzgrenze nicht nur ausgereizt, sondern deutlich überschritten hat.

Man könnte auch sagen, er war ganz schlecht beraten. Aber das ist man halt auch, wenn man Kritik und Abweichung komplett abwürgt.

Lässt man Kritik und Abweichung komplett zu, sich also jeden Gegenwind gefallen, kann man genauso der Depperte sein.
Zu viel und zu wenig Toleranz - beides ein Übel.

Wie aber den Überblick bewahren und wirklich immer wissen, was wann zu viel oder zu wenig ist?

Hinterher ist man immer gescheiter. Und so müssen wir halt leider aus bitteren Erfahrungen lernen.
Betroffen sind wir letzlich alle - nur mit sehr unterschiedlichem Schweregrad.

Möge der Krieg bald enden, mögen sich viele helfende Hände den Vertriebenen, Verwundeten entgegenstrecken - und möge sich die russische Seele erheben gegen jene, die ihre Würde im Inneren und auch nach außen mit Füßen treten!

Larin

gummibaum

Re: Mariupol
« Antwort #3 am: M?RZ 18, 2022, 01:24:53 »
Liebe larin,

Mariupol scheint momentan am verheerendsten vom Krieg betroffen. Das Leid, das man den Menschen dort zufügt, kann durch nichts gerechtfertigt werden. 

Dein Gedicht nimmt es zum Anlass, nicht nur über die Stadt, sondern über den Irrsinn unter den Menschen etwas auszusagen:

"Klein fängt das große Böse in uns an!"

Es ist ein zeitloses Werk, das den Menschen in seinen inneren Verstrickungen zeigt, seiner Ohnmacht gegen Anfälle der Unvernunft und blinden Raserei, in seiner Bestürzung über das Angerichtete.

Sehr gern gelesen.

Liebe Grüße von gummibaum





 
« Letzte Änderung: M?RZ 20, 2022, 12:35:10 von gummibaum »