Autor Thema: Risse im Tunnel der Gewohnheit  (Gelesen 1175 mal)

Rocco

Risse im Tunnel der Gewohnheit
« am: M?RZ 05, 2022, 15:56:35 »
Bei Autor X. kann man
die Moral mit der Lupe
suchen

Immer diese Optimisten! 

*

A: "Philosophen - wie langweilig"
B: "Was hat er geredet?"
A: "Nichts, aber viel gesagt"

*

X. nimmt den Mund zu voll

Aber tut das nicht jeder
der den heißen Brei
eines anderen
auslöffeln muss? 

*

X. spielte mit seinem Gegner. 
Zwickmühlenpoker

*

Arbeiten: unkonzentriertes
Träumen

*

Will er träumen
geht er ins Büro;
will er schlafen:
zu ihr

*

Unausgeschlafenen geraten Träume leichter. 
Aus der Fassung

*

Aus einem Schüleraufsatz:

"Nähe ist,
wenn eine Grenze
ihre Gefühle
lockert"

*

"Gleich starke Partner
spielen miteinander Schach",
sagte der Schachprofi.
"Gegen Stärkere ist Schach:
Poker"

*

Augenblicke sind Risse
im Tunnel der Gewohnheit

*

Je nach Standpunkt -
je nach Verstellung

*

Das Fernglas vor Augen -
eine andere Art 
Brett vor dem Kopf

*

Die Nacktheit - dieser Pelz
der Wahrheit

*

Immer diese Gewohnheit
in Gewohnheiten
nicht heimisch zu werden

*

Wie soll der Zögerliche sich dabei nicht
die Finger verbrennen
wenn er die Hände
in den Schoß legt? 

*

Erst brennt er
dann geht ihm ein Licht auf -
der Holzkopf

*

Könnte man nur die Zeit zurückgewinnen
indem man die abgerissenen Kaländerblätter
wieder anklebt

*

Die trockensten Moralisten:
das sind die feucht-fröhlichsten

*

Könnte man sehen, was ein Spiegel sah:
jede Person, jedes Ereignis. 
Alle historischen Geheimnisse wären erhellt. 
Spiegel als stumme Zeugen der Geschichte

*

Die rechten Augenblicke sind Perlen. 
Aber jeder Zögerliche ist eine Sau

*

A: "Ich bin gegen Ungerechtigkeit!"
B: "Ich auch. Darum bin ich
gegen Gerechtigkeitsfanatiker
wie dich"

*

A: "Wie schmeckt eine Weltanschauung?"
B: "Wie schmeckt Blut?"

*

A: "X. ist nicht die hellste Kerze"
B: "Aber ein Selbstleuchter"

*

A: "Bilder verraten Tausende Worte"
B: "Genau, sie verraten"

*

Naiv:
misstrauensblind

*

Wer morgens im Gewächshaus sitzt
dem gehen bunte Lichter auf

*






































"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Erich Kykal

Re: Risse im Tunnel der Gewohnheit
« Antwort #1 am: M?RZ 05, 2022, 19:55:47 »
Hi Rocco!

Erneut eine veritable Sammlung teils recht gelungener Sprüche - mit einigen besonderen Highlights. Mein persönlicher Liebling ist auch der Namensgeber dieses ganzen Fadens.

Frage zu Spruch 2 (langweilige Philosophen): Müssten, damit der Spruch Sinn ergibt, gewisse Vokabeln nicht ausgetauscht werden? Nämlich:

A: "Philosophen - wie langweilig"
B: "Was hat er gesagt?"
A: "Nichts, aber viel geredet"

Das "gesagt" liegt allein vom Wortstamm dem "ausgesagt", um das es hier ja eigentlich geht, viel näher. Von daher wäre es der geeignetere Träger für die Frage des "B", während "geredet" dem (wertlosen) "Gerede" am nächsten kommt und daher das richtige Wort in der Aussage des "A" für eine Kritik am Blabla von Philosophen ist.
Oder wolltest du mit dem Spruch die Philosophen eher loben? Dann lass es, wie es ist ...


Gern gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Rocco

Re: Risse im Tunnel der Gewohnheit
« Antwort #2 am: M?RZ 06, 2022, 01:08:37 »
Hallo Erich,

neudeutsch redet man gerne von "Input". Das kann, ab einer gewissen Redezeit, langweilig werden. Vor allem, wenn der Redner keine Anekdoten oder Witze einstreut.

Normal sagt man: Viel geredet, aber nichts gesagt. Hier wird viel gesagt, aber nichts geredet.

Ist natürlich mit einem Augenzwinkern gemeint.

Übrigens: Im richtigen Leben kann ich mit Ironie nichts anfangen. Ich verstehe selten die Ironie anderer Leute. Nur wenn ich schreibe, habe ich Zeit, dann fallen mir ironische Texte ein. Die aber auch nicht jeder versteht. Ist das nicht ironisch?

Dir einen schönen Abend!

Rocco
« Letzte Änderung: M?RZ 06, 2022, 01:10:22 von Rocco »
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Erich Kykal

Re: Risse im Tunnel der Gewohnheit
« Antwort #3 am: M?RZ 06, 2022, 12:04:27 »
Hi Roc!

Mir ging es als (gemobbter) Knabe so: Oft erst Stunden nach einer verbalen Kränkung in der Schule fiel mir - meist schon im Bett liegend - eine treffende, pikante, gesalzene Replik ein: "DAS hätt ich ihm antworten sollen, dann wären die Lacher auf meiner Seite gewesen!!"

Aber damals war ich eben vor Publikum und im Angesicht der Stärkeren zu verschüchtert und gehemmt, als etwas anderes tun zu können, als traurig den Kopf einzuziehen oder wütend zu werden - was die Bullies ja genau bezweckten, da der hilflos wütende kleine Dicke mit Brille so höchst amüsant durch jeden emotionalen Reifen sprang, den sie ihm hinhielten.

Also schliff ich über Jahre meinen mir eigenen Zynismus, bis er zur alles schneidenden Wafe wurde - und leider zuweilen auch Unschuldige traf, weil ich allzu freizügig und unbedacht damit hantierte.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.