der Text war ursprünglich ein Aphorismus, war aber unzufrieden und habe experimentiert. Ist das Ergebnis überzeugend?
Experiment geglückt!
Sehr sogar!
Mir gefallen ganz besonders gut die strukturellen Wiederholungen im Gedicht - natürlich korrespondieren die schön mit dem mitgeteilten Inhalt der Täglich-grüßt-das-Murmeltier-Situation - aber vor allem schärfen die Wiederholungen den Blick für Verschiebungen in der Sprache die zu veränderten Aussagen führen. Das hängt damit zusammen, dass Du in diesem Gedicht auf Zeichensetzung verzichtest, was hier zu einer überaus überzeugenden Multiperspektive führt.
Man kann das Gedicht z. B. folgendermaßen (vor)lesen (ich zitiere mal nur den Anfang, um hier etwas Platz zu sparen und setze unterschiedliche Satzzeichen ein, um den Vortrag zu "simulieren"):
Der Tag: Ein finsterer Schwan verspricht Abhilfe.
Die Nacht: Ein finsterer Schwan verspricht Abhilfe.
Oder auch so:
Der Tag: Ein finsterer Schwan.
Verspricht Abhilfe die Nacht?
Ein finsterer Schwan verspricht Abhilfe.
Es macht Spaß diese verschiedenen Lesarten durchzudeklinieren und hierbei über Zeilen und Strophengrenzen hin- und her zu springen. Das Ergebnis ist eine Erweiterung des Blickwinkels, ein Verlassen gewohnter Denkbahnen. Besseres kann man über ein Gedicht kaum sagen.
Interessant ist hierbei übrigens auch der "Finstere Schwan".
Schwäne sind weiß. So dachte man bis ins 18. Jahrhundert. Dann wurde in Australien eine schwarze Schwanen-Art entdeckt, der Trauerschwan.
Der "schwarze Schwan" ist seither als Metapher in die Sphäre der Erkenntnistheorie und der Risikoanalyse eingegangen. Erkenntnistheoretisch ist es so, dass die empirisch beobachtbaren Fakten niemals hinreichen, um eine absolute Theorie "endgültig" zu beweisen.
Auch wenn viele Jahrtausende lang Menschen in Europa die Beobachtung gemacht haben, immer und immer wieder, dass Schwäne weiß sind, genügt doch ein einziges Exemplar eines schwarzen Schwans, welches ein Kapitän von seiner Fahrt ans andere Ende der Welt mit nachhause gebracht hat, um die These: "Alle Schwäne sind weiß!" endgültig zu beerdigen.
In der Risikoanalyse bezeichnet man mit dem "schwarzen Schwan" ein unvorhersagbares Ereignis mit besonders schwerwiegenden Auswirkungen, dass die bisherigen Szenarien zur Risikoabwehr ad absurdum führt. Auf dem Potsdamer Platz bricht ein Vulkan aus oder in Castrop-Rauxel wird Josus, der böse Bruder von Jesus, geboren oder einem nordkoreanischen Wissenschaftler gelingt es tatsächlich, den tödlichen Witz zu erfinden. Der schwarze Schwan ist also das Gegenteil von Abwechslung (und Sicherheit).
Mithin scheint es sich bei dem finsteren Schwan in Deinem Gedicht eigentlich um einen weißen Schwan zu handeln - der schwarze Schwan wird vom LI noch sehnlichst erwartet, lebt jedoch noch unentdeckt in Australien.
LG!
S.
P.S.:
"eine vorhersehbare" würd ich übrigens am Schluss eher streichen.
Für mich würde das Gedicht noch "schärfer" und "knackiger" einfach so enden:
...
verspricht abhilfe
der tag
die nacht
abwechslung
wiederholung