Autor Thema: Von keimenden Saaten  (Gelesen 1087 mal)

a.c.larin

Von keimenden Saaten
« am: Dezember 24, 2021, 06:17:57 »
Was wir auf allen Feldern wachsen sehen,
steht auf wie Zauberlehrlings wilde Besen.
Ein großes Wüten ist da im Entstehen -
wo sind die Wütenden bislang gewesen?

Der freie Mensch verpflichtet sich dem Frieden.
Das möchte er. Dann folgt er seinen Ängsten.
Die Treiber schrein: Den Lämmern ists beschieden...
Der Kluge weiß: Die Dummheit währt am längsten!

Es lässt die Menschheit sich in Lager teilen.
Dazwischen werden Gräben riesengroß.
Dem Schicksal, sagt man, kannst du nicht enteilen:
Es stellt die einen wie die andern bloß!

Was Macht und Ohnmacht wirken,
das lässt sich nun erkennen:
Wie man Entwertete geschickt umschleimt,
bis wieder Städte, Länder, Kontinente brennen.
Doch auch die stille Saat des Guten keimt.
« Letzte Änderung: Dezember 24, 2021, 13:19:15 von a.c.larin »

Erich Kykal

Re: Von keimenden Saaten
« Antwort #1 am: Dezember 24, 2021, 11:55:19 »
Was wir auf allen Feldern wachsen sehen,
steht auf wie Zauberlehrlings wilde Besen.
Ein großes Wüten ist da im Entstehen -
wo sind die Wütenden bislang gewesen?

Der freie Mensch verpflichtet sich dem Frieden.
Das möchte er. Dann folgt er seinen Ängsten.
Die Treiber schrein, den Lämmern ists beschieden.....
Der Kluge weiß: Die Dummheit währt am längsten!

Es lässt die Menschheit sich in Lager teilen.
Dazwischen wird ein Graben riesengroß.
Dem Schicksal, sagt man, kannst du nicht enteilen:
Es stellt die einen wie die andern bloß!

Was Macht und Ohnmacht wirkt,
das lässt sich nun erkennen:
Wie man Entwertete geschickt umschleimt,
bis wieder Städte, Länder, Kontinente brennen.
Doch auch die Saat des Guten keimt.


Hi larin!
Wortgewaltiges Werk zur aktuellen Weltlage! Leider ist es so: Je mehr Menschen gemeinschaftlich intelligent handeln sollen, desto länger dauert es, oder desto unmöglicher wird es! Also der altbekannte und altbewährte "einfache" Weg: Wieder der Griff zur Keule, schwarz-weiße Feindbilder malen, behauptete Gegner entmenschlichen und vernichten!

Ein paar Tipps zur Abrundung:

S2Z2 - Besser mit anderen Satzzeichen: "Die Treiber schrein: Den Lämmer ist's beschieden ..."(Leerstelle und drei Pünktchen am Ende genügen) oder so: "Die Treiber schrein, den Lämmern sei's beschieden ...".

S3Z2 - Logischer, da bei mehreren Lagern auch mehrere Gräben nötig sind, um sie zu trennen: "Dazwischen werden Gräben riesengroß."

S4Z1 - Schöner: "Was Macht und Ohnmacht wirken, lässt sich nun erkennen:"

Bis zur letzten Strophe ist der fünfhebige Takt klar durchgehalten, aber hier: 6-5-6-4

Man könnte diese Abweichung als lyrisches Mittel rechtfertigen, wenn wenigstens die letzte Zeile sich mit fünf Hebern in den neuen Takt fügen würde. zB. "Doch auch die stille Saat des Guten keimt."


Larin wäre nicht larin, wenn nicht sogar so ein die Dystopie der Zivilisation beschreibendes Gedicht noch eine versöhnliche, positive letzte Zeile hätte, die uns mit unserem destruktiven Wesen versöhnen soll, indem es ihm entgegenhält, dass der Mensch auch zu Gutem fähig ist. Ich sehe das nüchterner, weiß die tröstliche Botschaft innerhalb des Grauens aber zu schätzen. Hoffen wir, dass sich irgendwann doch die Vernunft durchsetzt - vielleicht darin, dass man allzu ehrgeizigen und manipulativen Machtjunkies endlich nicht mehr erlaubt, ganze Staaten zu lenken oder Religionen zu gründen oder zu kapern! Das kann aber noch dauern ... - evolutionär betrachtet so an die 10- bis 50.000 Jahre, schätze ich mal, wenn wir es überhaupt so lang überleben.  ::)

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Von keimenden Saaten
« Antwort #2 am: Dezember 24, 2021, 13:16:07 »
hi erich,
möglicherweise wäre larin nicht larin, wenn sie nicht so schreiben würde, wie sie schreibt - doch siehe da: das gedicht hat bei mir ein  datum: 13.12. 2021!

wenige tage, nachdem ich dies auf meinen schreibblock kritzelte, rief ein anderer auf zu einem "lichtermeer" - und eine friedliche menschenmenge versammelte sich ruhig und sich auch an alle pandemieeinschränkenden regeln haltend zu einem stillen totengedenken in der wiener innenstadt!

die "schweigende mehrheit" im lande macht vielleicht nicht so viel radau wie  jene von sich selbst eingenommenen wutbürger und andere notorische kracherzeuger - aber unsichtbar, wehrlos ist sie deshalb noch lange nicht .

am letzten wochenende wurde es schon bewiesen: menschen können mit krisen auch ganz anders umgehen!
an ihren früchten sollt ihr sie erkennen!

die brüllaffen hier, die respektvollen da - und jetzt mag jeder  für sich entscheiden, wo er stehen mag.
 
ich wünsche jedem den frieden einer "stillen nacht"! klugkeit braucht nämlich keinen lärn.

Ps: hab alle deine vorschläge ohne gemecker übernommen - ist ja weihnachten!😉😁
vielen dank!

lg, larin
« Letzte Änderung: Dezember 24, 2021, 13:24:10 von a.c.larin »

Erich Kykal

Re: Von keimenden Saaten
« Antwort #3 am: Dezember 24, 2021, 21:05:02 »
Hi larin!

Es feut mich, dass alle meine Vorschläge dein Gehör fanden - es waren ja auch gute!  ;) ;D

Auch dir ein schönes Fest! Ich selbst feiere es nicht, da ich nicht gläubig bin, aber ich gönne es jedem von Herzen, der etwas von Wert darin erkennt.  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Von keimenden Saaten
« Antwort #4 am: Dezember 25, 2021, 07:36:41 »
hi erich,

ich denke, man muss nicht religiös sein, um weihnachten zu feiern - ich muss nämlich auch kein fußballspieler sein, um mir ein fußballspiel anzusehen.....😉
ned amoi sportlich, genau genommen.😂

ob religiös gestaltet oder auch nicht: es ist ein schönes fest, in einer zeit, wo man draußen eh nichts anderes machen kann. gediegen speisen, punsch trinken, kekse naschen, geschichten und gedichte hören, gemeinsam lieder singen, ein bisschen klimbimschmuck im raum verteilen ( eh nur 1x im.jahr)......also, wer damit ein problem hat, der tut mir wirklich leid!
ich denke:
das leben ist ein fest - und hin und wieder sollten wir es schon feiern! (sowohl wollen, als auch dürfen!)

möge jeder seine lebensfreude finden, wo immer das auch sein mag!

weihnachtliche grüße aus wien,
Larin

Erich Kykal

Re: Von keimenden Saaten
« Antwort #5 am: Dezember 25, 2021, 11:45:49 »
Hi larin!

Ich habe kein "Problem" damit. Ich feiere es nur nicht. Hätte ich Familie oder gar Kinder, sähe ich das wahrscheinlich anders, ihnen zuliebe. Was ich ablehne, sind Kitsch und Kommerz - die kapitalistische Kaperung dieses Festes, wie nur die Amerikaner sie verstehen!

zB Häuser, deren äußere Weihnachtsbeleuchtung nächtlich mehr Strom zieht als ein ganzes Dorf, der ganze Plastikramsch, die jährliche millionenfache Baumermordung, bzw. der vergeudete Platz, um diese Monokulturen, die einzig für dieses Fest gepflanzt werden, überhaupt großzuziehen, die übersteigerte materielle Erwartungshaltung bei all der Pflichtschenkerei im soziokulturellen Konsens, der Weihnachtsmannkult, der das (allerdings ebenso dämliche) Christkind (denn mal ehrlich, WAS soll das eigentlich sein? Das Jesuskind? Warum wird es dann immer weiblich dargestellt?) verdrängt hat, weil wir scheinbar alles kritiklos übernehmen, was aus Amerika zu uns rüberschwappt (Sind wir debile "Leitkulturfollower" oder was? - Und überhaupt, dass die Amis eine solche sind, glauben doch wirklich nur sie! Die hatten vielleicht mal ein paar gute Werte, aber sicher keine Kultur im europäischen Sinne, eher einen Mischmasch aus Einwandererriten, wie dieses unsägliche Halloween. Aber auch das mit den Werten erübrigt sich mehr und mehr, und den aufrechten "Weltpolizisten" kauft ihnen doch auch keiner mehr ab ...)!

Darum: Gegen das eigentliche, ursprüngliche Weihnachtsfest habe ich nichts, obwohl ich kein Christ bin (oder sonstwas gläubig Fremdgesteuertes) - mir ist klar, dass es neben den Gläubigen für die Emotionalen wichtig ist, sowie für die Kinder und für die geistig Kind Gebliebenen.  ;) ;D >:D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Von keimenden Saaten
« Antwort #6 am: Dezember 26, 2021, 23:31:33 »
Liebe larin,

eine gute Analyse und eine Warnung in gefährdeter Zeit.

Dein Gedicht ist inhaltlich wie stilistisch auf klare Unterscheidung zwischen Vernunft und Dummheit, aufbauenden und zerstörenden Kräften aus. Der mildere Ton am Ende gibt der Hoffnung, dass das Bewahrende seine Waagschale senkt, etwas Nahrung.

Mit Genuss gelesen.
Chapeau von gummibam

 
« Letzte Änderung: Dezember 26, 2021, 23:33:48 von gummibaum »