Autor Thema: Zeit?  (Gelesen 1027 mal)

Erich Kykal

Zeit?
« am: November 27, 2021, 11:35:52 »
Es ist interessant: Viele Menschen scheinen irgendwie zu denken, das, was sie als Zeit „wahrnehmen“, sei fest mit den mechanischen, materiellen Geräten verbunden, die sie erfinden, um diese Zeit zu messen und einzuteilen. Atavistische Gegenstandsmagie ...
In Zeitreiseromanen läuft die Zeit sofort rückwärts, wenn die Uhr am Zeitreisegerät sich rückwärts dreht, oder wenn irgendein Superheld, Engel  oder Gott die Zeit anhält, stehen - mitsamt allem anderen - auch alle Uhren still. Warum sollte das Anhalten der Zeit (respektive dem, was vor dafür halten) sämtliche motorischen Abläufe von Lebewesen stoppen, als wäre das Universum - oder die Materie, oder alle energetischen Abläufe - wie ein Motor, der nach dem Abschalten keine sich bewegenden Teile mehr hat?
Die Menschen, die das sehen, scheinen danach zu denken, die Zeit hänge tatsächlich mit den Zeigern und Uhrwerken auf „magische“ Weise zusammen oder wäre immanenter Bestandteil des Universums, oder diese würden die Zeit überhaupt erst erzeugen. Seltsam, nicht wahr?
In Wahrheit ist wesentlich wahrscheinlicher: hielte die Zeit, so wie wir sie begreifen, tatsächlich an, würde man als Mensch gar nichts merken. Die Uhren würden weiterticken, die Herzen weiterschlagen – nur dieser Homunkulus subjektiver menschlicher Wahrnehmung, genannt Zeit, wäre eben einfach weg.
Aber die Menschen würden dennoch weiterhin ihren Tag mit Uhren einteilen und organisieren, ohne etwas zu merken. Sie sehen nicht, dass Zeit etwas ganz anderes ist als vertickende Sekunden. Die sind menschgemacht, in etwa wie der Versuch, die Mona Lisa mit einem Stein in Holz zu kratzen. Es mag grob so aussehen am Ende, grade so erkennbar – aber kein Vergleich in der realen Annäherung an dieses einzigartige Kunstwerk und seine Maltechnik.
Heute wissen wir: Zeit ist gravitationsgebunden: In der Nähe schwerer Körper und großer Massen verlangsamen sich alle Prozesse, alle Bewegungen und Bedingungen der Materie. Und da Uhren, gleich welcher Bauart – denn sogar die Atomohren bestehen aus Atomen!) - aus Materie bestehen, gehen sie eben bei stärkerer Gravitation langsamer. Das zeigt aber nicht, wie Menschen glauben, dass ihre Idee von Zeit langsamer abliefe – es beweist nur, dass Materie in Gravitation langsamer entropiert.
Seltsamerweise scheint weltweit noch kein Nicht-Wissenschaftler auf diese Idee gekommen zu sein. Alle halten eisern an dieser linearen Vorstellung von Zeit fest, weil nur sie ja die Menschen altern lasse.
Falsch: Die genetische Programmierung lässt den Körper altern, faltig werden und schwach. Da Evolution auf Veränderung basiert, müssen ältere Generationen irgendwann Platz machen für angepasstere Organismen – so erhält sich das Leben selbst unter sich verändernden Bedingungen.
Wir verwechseln also den langsamen Zerfall unserer materiellen Basis mit dem Vergehen von Zeit. Der Tag- und Nachtrhythmus unseres rotierenden Planeten, Ebbe und Flut usw. verstärken noch das Bild einer einteilbaren, aber unfasslichen Kraft, die alles weiterbewegt wie an einem stabilen Pfeil aus der Vergangenheit in die Zukunft.
Aber beides ist inexistent in der physikalischen Welt. Vergangenheit ist Aufzeichnung und Erinnerung, nichts mehr weiter. Man kann nur im Kopf dorthin zurückreisen. Zukunft ist Vorstellungskraft und Sehnsucht, das Extrapolieren als Geistesleistung, auch sie existiert nur in unseren Köpfen, nicht als physikalisch erreichbare „Zeit“.
Die einzige Möglichkeit zur „Zeitreise“ ist also, wie schon Einstein postulierte, sich selbst auf Beinahelichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, was die eigene Masse fast unendlich macht – maximale Gravitation also. Natürlich laufen alle Prozesse da dann viel langsamer als auf der Erde, deren Schwerkraft vergleichsweise viel geringer ist.
Kommt der Astronaut nach (von der Erde aus betrachtet) 10-jähriger Reise zurück, sind alle außer ihm fast 10 Jahre älter. Wenn man es so herum betrachtet, ist klar, dass es nur Gravitation gibt, und nicht das, was wir als Zeit begreifen. Wie lange mag es dauern, bis wir dies gemeinschaftlich erkennen, wenn sogar diese Frage danach auf dem Zeitkonzept beruht, das wir zu brauchen scheinen, um unser Universum auch nur irgendwie zu erfassen?
Wir als organisierte Wesen brauchen Uhren, um verlässlich als Gesellschaft zu funktionieren – ohne Uhren kein Takt, kein technischer Fortschritt im großen Rahmen. Wir müssen verlässlich gleichzeitig funktionieren, in harmonischem Verbund, und dazu sind Uhren, die für alle gleichermaßen gelten, unerlässlich. Aber diese „Zeit“, wie wir das nennen, was sie anzeigen – die gibt es so nicht.
« Letzte Änderung: November 21, 2023, 17:36:41 von Erich Kykal »
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