Autor Thema: Fakt oder Fiktion - was brauchen wir mehr?  (Gelesen 878 mal)

Erich Kykal

Fakt oder Fiktion - was brauchen wir mehr?
« am: November 17, 2021, 09:11:11 »
Aberglaube, sagt der Denker,
sind die Götter dieser Welt
alle: Der Vernunft ein Henker,
und die Fessel, die sie hält.

Aber Glaube ist doch alles,
sagt der Glaubende so gern,
was uns hält im Fall des Falles
aller Pein und Unbill fern.

Aberglaube ist doch alles,
sagt der Faktensammler nur:
Former dieses Erdenballes
sind nur Zufall und Natur.

Aber Glaube hebt die Seele
über alle Sterblichkeit,
sagt der Beter, und ich wähle
meinen Gott und bin bereit.

Aberglaube wird verkündet,
den man nie beweisen kann,
sagt der Kluge, doch er zündet
dennoch eine Kerze an ...
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Rocco

Re: Fakt oder Fiktion - was brauchen wir mehr?
« Antwort #1 am: November 23, 2021, 17:40:08 »
Hallo Erich,

Aberglaube hat auch eine unterhaltsame Seite: Märchenerzählungen, Sagen, Legenden, Sprichwörter!

Ich selbst glaube, dass Satan Gott nur erfunden hat, um von sich abzulenken. Denn die Hölle erwartet uns nicht erst im Tod.

Nein, Spass! Ich bin Marxist und glaube an den Klassenkampf.

War zuerst der Geist da (Idealismus) oder die Materie (Materialismus)?

Je nachdem, was man voraussetzt, kommt man auf Erklärungen, die entweder rational sind oder irrational.

Glaube ist eben nicht gleich Glaube.

Und Vernunft kann, je nachdem, unvernünftig sein, da sind wir aber im Reich der Dialektik.

Aberglaube hin- oder her: Märchen sind cool.

Eine Kerze zünde ich aber trotzdem nicht an.

Einen schönen Abend

Rocco
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Erich Kykal

Re: Fakt oder Fiktion - was brauchen wir mehr?
« Antwort #2 am: November 23, 2021, 22:30:35 »
Hi Roc!

Marxist? auch so eine Schwarz-Weiß-Utopie, die mich immer mit einem unangenehmen Gefühl hinterlässt, so wie alle pauschalen "ultimativen Lösungen für fast alle Probleme auf einmal". Alle diese Ideen, seien sie auch menschenfreundlich erdacht (wobei sie in der Praxis praktisch immer letztlich zu nur weiteren Mitteln der Unterdrückung degenerieren, wie es alle exkludierenden Weltbilder tun...), machen sich die Welt zu einfach, negieren immer gewisse inhärente Teile der menschlichen Natur. Diese aber lässt sich - sowohl in ihren positiven wie negativen Ausprägungen - nie dauerhaft unterdrücken, ignorieren oder wegleugnen.

Der Kommunismus - auch das, was Marx darunter verstand, und nicht erst Lenins oder gar Stalins Perversion des Systems zu einer linken Diktatur - ignoriert beispielsweise in letztlich fataler Weise das Bedürfnis des Menschen nach Individualität, der Möglichkeit, Besitztum zu schaffen und zu erhalten, oder sich frei für etwas zu entscheiden.
Auch der suppressive Spitzelstaat DDR, sozusagen eine Sovietunion "light", war bei allen kleinen und kleineren sozialen Vorzügen, denen so mancher bis heute nachweint, letztendlich kein ausreichend lebenswerter Bereich, um aus sich selbst heraus seinen Erhalt zu sichern oder zu rechtfertigen.
Ohne die Rückendeckung des "großen Bruders" erwies sich das Weltbild der jämmerlich kleingeistigen, hemdsärmelig phrasendreschenden poltischen Elite, die bis dahin mit unsäglicher Arroganz in ihrem Anspruch auf Berechtigung alles und alle beherrscht und bestimmt hatte, als nicht trag-, lebens- und mehrheitsfähig. Zu viel leichthin verteiltes Unrecht über Dekaden hinweg.

________


Der Begriff "Aberglaube" beschreibt den negativen Aspekt des menschlichen Hanges, Fantastisches und Behauptetes zu Realität zu erklären. Märchen, Sagen, Legenden usw. tun das nicht - sie beanspruchen nie, "lautere Wahrheit" zu sein, wie heilige Bücher es tun (zu Unrecht, wie ich mir sicher bin). Daher trifft mE. der Terminus "Aberglaube" auf diese nicht zu.

Zur Frage, was zuerst da war, Geist oder Materie - ich als Naturwissenschaftler bin sicher, dass JEDER Geist irgendwann zuerst mal aus Materie hervorgegangen sein muss, so wie unser Bewusstsein erst in der organischen, elektrochemischen Masse unseres Gehirns entsteht.
Selbst wenn es einen Gott gäbe, der dieses Universum erschaffen hat, muss sein "allmächtiger" Geist irgendwann das Endergebnis einer vorhergegangenen organischen oder zumindest matieriellen Evolution gewesen sein - einer Materie außerhalb unseres später "erschaffenen" Universums.


Vielen Dank für deine anregenden Gedanken.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Rocco

Re: Fakt oder Fiktion - was brauchen wir mehr?
« Antwort #3 am: November 24, 2021, 21:07:20 »
Hallo Erich,

wenn man ein vierblättriges Kleeblatt entdeckt, soll das Glück bringen, ebenso, wenn man an einer Hasenpfote reibt. Dass Aberglaube eher negativ zu verstehen sei, ist wohl Interpretation?

Für mich gehört auch der Volksglaube zum Aberglauben. Ohne, dass er aber reiner Aberglaube sein muss.

Ohne Glauben geht es schwer. Marx, etwa, verurteilt die bürgerliche Gesellschaft, trotzdem appelliert er auch an bürgerliche Tugenden, wie Anstand und Ehrlichkeit.

Ist das inkonsequent?

Lenin und Stalin haben Marx interpretiert. Marx hat nie gesagt, man solle Menschen töten. Und er hat auch nie behauptet, man solle um einen Staat eine Mauer bauen.

Für meinen Geschmack wird Marx zu sehr unter Beschlag genommen. Viele geben ihre Gedanken als Marxismus aus.

Auch das ist ein Aberglaube!

Woran soll man glauben?

Marx würde sagen: An den Kommunismus.

Woran ich glaube? Ich glaube, wenn ich eine Antwort hätte, würde ich nicht mehr schreiben.

Woran glaubst du?

Einen schönen Abend

Rocco
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Erich Kykal

Re: Fakt oder Fiktion - was brauchen wir mehr?
« Antwort #4 am: November 25, 2021, 16:47:56 »
Hi Roc!

Derselbe Inhalt kann Glaube UND Aberglaube sein - hängt davon ab, wen man fragt. Die Perspektive macht die Einstellung dazu. Für mich bricht sich alles auf dieses nieder:

Was natürwissenschaftlich jederzeit wiederholbar beweisbar ist, ist universaler Fakt. Daraus abgeleitete Theorien bleiben solche bis zum wiederholbaren Beweis ihrer Richtigkeit. Alles, was Menschen daneben her oder darüber hinaus mutmaßen, behaupten oder als "ultimative Wahrheit" propagieren - ist letztlich Aberglaube, Wunschdenken, Mitel der Mächtigen zur Manipulation, oder (antike) Fantasy.

Was nicht heißen muss, dass sich nicht irgendwann so eine Fantasie mal als korrekt herausstellt - aber das kommt eher selten vor im allgemeinen Vergleich alles Behaupteten. Und sicher bisher nie, was religiöse Welterklärungsmodelle anbetrifft ...  ;). Das sollte zu denken geben.  >:D

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Fakt oder Fiktion - was brauchen wir mehr?
« Antwort #5 am: November 25, 2021, 18:31:44 »
Hi Erich,
Fakt ist: Wer nichts weiß, muss alles glauben.
Die Frage ist: Wie viel kann man eigentlich wissen? Mehr als man selber gelernt und erfahren hat, wird wohl nicht drin sein.
Allerdings verdoppelt sich ja unser Wissen derzeit exponentiell. Sagt man. Hab ich gelesen. Glaub ich halt. Den Beweis dafür erbringen könnte ich allerdings nicht.

Vielleicht bin ich ja generell zu vertrauensselig? Jedes Mal, wenn ich mich in mein Auto setze, glaube ich daran, dass mich dass Ding von A nach B bringt, und zwar problemlos. Manchmal stellt sich das aber auch als Irrtum heraus. Jedes Mal, wenn ich hier ein Post einstelle, glaube ich daran, dass irgendwo Menschen sind, die das, was ich ausformuliert habe, lesen, verstehen und vielleicht sogar beantworten können.
Ja, sag einmal! Die Überwindung der Zeit- und Raumgrenze ist uns so selbstverständlich geworden - wie kam denn das?

Ich verrate es dir : Irgendjemand hat daran geglaubt, dass das möglich ist. Und offensichtlich konnte er auch andere von dieser Idee begeistern.

So fängt das immer an mit dem Glauben, denke ich. Auch mit dem Aberglauben. Manche Ideen werden dann zu fixen Ideen einer Gruppe, einer Gesellschaft. Wir haben auch schon ganz neue Götter mittlerweile: Auto, Handy, Internet....

Können wir noch ohne sie? Wollen wir überhaupt?
Ach ja, uns geht die Luft aus, der Sprit, der Strom....
Alles Aberglaube! Wir werden immer...!
Werden wir immer?

Ein großer Denker sagte einmal : Ich weiß, dass ich nichts weiß.

Boah! Es gibt zu Vieles, das sich unserer Alles-in-ein-Konzept zwingen wollenden Ratio entzieht.

"Dennoch eine Kerze anzünden"?
Warum auch nicht?
Ich bin jedenfalls dabei.

Kluges Gedicht mit raffinierten Wortspielen!
LG, larin
« Letzte Änderung: November 25, 2021, 18:34:27 von a.c.larin »

Erich Kykal

Re: Fakt oder Fiktion - was brauchen wir mehr?
« Antwort #6 am: November 25, 2021, 22:08:27 »
Hi larin!

Stimmt - für so viele Arten von Glaube ist kein Gott nötig!  ;D Der Mensch ist nun mal ein subjektives Wesen und tut sich schwer mit nackter Ratio und frugaler Naturwissenschaft. Da MUSS doch noch mehr sein - ein Sinn dahinter, ein noch unentdecktes Naturgesetz, ein neues Element ...

Was unsere Evolution und den technischen Fortschritt antreibt, sind allerdings primär wirtschaftliche Interessen und der Versuch, sich das Dasein bequemer zu machen. Ob das die richtigen Motive sind? Die reine Neugier und der Forscherdrang kommen erst auf Platz drei ...

Wie auch immer - es geht weiter, bis es irgendwann nicht mehr weitergeht! Für den Einzelnen, und irgendwann für die ganze Art. Und das Universum hat nichts falsch gemacht ...  ;)

Vielen Dank für deine Gedanken!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.