Autor Thema: Grimms Märchen in Versen  (Gelesen 728 mal)

gummibaum

Grimms Märchen in Versen
« am: Oktober 21, 2021, 18:39:54 »
Aus dem Fundus, 2013)

Inhalt

Froschkönig
Das tapfere Schneiderlein
Rotkäppchen-Fragment
Schneewittchen
König Drosselbart
Die Bremer Stadtmusikanten
Rumpelstilzchen
Hans im Glück
Der goldene Schlüssel
Hänsel und Gretel
Zoom der 4. Strophe
Der süße Brei
Tischlein, deck dich…
Frau Holle
Dornröschen
Die sieben Raben
Der Wolf und die sieben Geißlein
Aschenputtel
Der gestiefelte Kater
Schneeweißchen und Rosenrot




Froschkönig

Ein Frosch taucht auf am Brunnenrand,
hält eine Kugel in der Hand
und spricht: „Prinzessin, diese hier
aus Gold gehört doch sicher dir.“

Die Königstochter freut sich sehr,
der Frosch jedoch verlangt nun mehr
als nur ein schnödes Dankeschön,
er möcht das Mädchen nackend sehn.

Und wirklich, kurz nach Mitternacht
hat er die Drohung wahr gemacht
und schleimig grün erscheint der Kecke
und schmiegt sich unter ihre Decke.

Da packt das Mädchen kurzerhand
den Nackten, wirft ihn an die Wand.
Dem platzt die Haut und aus der Lücke
entsteigt ein Prinz. - Welch Glückes Tücke.


Das tapfere Schneiderlein

Er liebte Brot mit Pflaumenmus
und bitter war drum sein Verdruss,
als Fliegen stiegen auf dies Brot.
Ein harter Schlag - und sieben tot!

Die Zahl beeindruckte ihn gleich
und „Siebene auf einen Streich!“
hat er, damit man recht erschrickt,
auf seinen Gürtel sich gestickt.

Und als er sich verliebt von nah
im Spiegel mit der Aufschrift sah,
war klar, das Schneidern zählt nicht mehr.
Hier steht ein Held, braucht Ruhm und Ehr!

Er geht zum König jetzt, verdingt
als Held sich ihm, der Feinde zwingt.
Der König aber, der selbst bangt
vor diesem Helden, der verlangt:

„Zwei Riesen, die mit Urgewalt
dem Lande Böses tun, mach kalt,
ein Einhorn noch, ein wildes Schwein,
fang als gezähmte Bestien ein!“

Lockt ihn mit Tochter, Reich und Geld
als Lohn. Und hofft derweil: der fällt.
Der Held jedoch ein Schneider ist -
und nutzt nicht Kraft. Nein, er nutzt List.

Den Riesen schwillt, gereizt, der Kamm,
sie töten sich - und in den Stamm
spitzt sich das Einhorn - und das Schwein
fängt er in der Kapelle ein.

So ist der Schneider König nun
und darf bei der Prinzessin ruhn,
beherrscht, trotz der Palastintrigen,
ein ganzes Reich und nicht nur Fliegen.


Rotkäppchen

Großmutter liegt im Waldeshaus
in ihrem Bett, sieht schwächlich aus.
Sie ist sehr krank. - Rotkäppchen bringt
ihr Gutes, dass sie isst und trinkt.

Der Wolf im Wald, der hungrig ist
und gerne zart und saftig frisst,
der spricht es an und sagt: „Mein Kind,
wohin des Weges so geschwind?“

Und als er hört: „Zu Omas Haus“,
da wittert er vermehrten Schmaus:
„Die Alte sei mein Hauptgericht
und das Dessert dies Leichtgewicht!“

Gedacht, getan, er rennt voraus,
gibt sich als Rotes Käppchen aus.
Verschlingt die Frau und liegt im Bett,
als wenn er selbst die Grippe hätt.

Und Mädchen, Korb und Blumenstrauß,
die sind alsbald sein nächster Schmaus.
Dann schnarcht er. - Doch ein Jäger hört
verwundert, wie die Alte röhrt.

Im Bett entdeckt er dann das Tier,
das in der allergrößten Gier
die Menschen, sorglos unzerkaut,
verschluckt hat, doch schon bald verdaut.

Der Jäger, der das ahnt, beeilt
sich, packt die Schere und zerteilt
das Bauchfell, sieht ein Kappenrot.
Dann schon die beiden, noch nicht tot.

Sie jubeln und das Mädchen bläht
den Bauch mit Steinen. - Zugenäht
erwacht der Wolf, springt auf und fällt
als Toter in Schattenwelt.


Schneewittchen

Frau Königin, die schwanger war,
gebar ein Mädchen: schwarz sein Haar,
die Lippen rot und weiß die Haut.
Hat wie ein Engel ausgeschaut.

Doch starb die Mutter. Und schon bald
hat sich der Vater neu verknallt.
Nahm eine eitle Frau ins Schloss,
die so ein Engel prompt verdross.

Wollt, dass ihr Spiegel einzig rief:
„Ihr seid die Schönste hier, Frau Stief.“
Doch sprach das Ding nach einer Frist:
„Schneewittchen vielmals schöner ist!“

Da war die Frau vor Schreck eiskalt,
sprach bös zum Jäger: „In den Wald
schlepp mir dies Kind, erstech’s dort leis
und bring das Herz mir zum Beweis.“

Den Jäger stach des Kindes Schmerz,
er ließ es laufen. Gab ein Herz
der Königin aus Schweinerumpf.
Die fraß es kichernd voll Triumph.

Und über sieben Berge lief
Schneewittchen. Tief im Walde schlief
ein leeres Haus. Dort trat es ein,
fand sieben Bettchen, klein und rein.

Bald kehrten sieben Zwerge heim,
die wussten sich drauf keinen Reim,
dass man ihr Essen angefasst,
doch einer fand im Bett den Gast.

„Wie lieblich ist des Kinds Gestalt
im Schlaf!“, fühlt‘ jeder mit Gewalt
und als Schneewittchen war erwacht,
so durft‘ es bleiben Tag und Nacht.

Zur gleichen Zeit, da trat im Schloss
die Frau, die ihren Mord genoss,
zum Spiegel, rief mit Siegessinn:
„Sprich endlich, dass ich Toppgirl bin!“

Drauf gab der Spiegel laut bekannt:
„Jawohl, die Schönste hier im Land.“
Dann leiser: „Bei den Zwergen doch,
Schneewittchen ist viel schöner noch.“

Die Königin, grüngelb vor Neid,
zog an der Krämerinnen Kleid,
sie schminkte sich als altes Weib
und schrie: „Ich schnüre dir den Leib!“

Nahm Riemen mit, lief siebenmal
den Berg hinauf, hinab ins Tal
und siehe da, grad sah heraus
Schneewittchen aus dem Zwergenhaus.

Es dacht sich mit naivem Sinn:
„Ich helf dir, arme Krämerin,
kauf Riemchen.“ Doch die schnürte fest,
bis alle Luft heraus gepresst.

Die Zwerge fanden es wie tot.
Doch, losgeschnürt, trat frisches Rot
auf seine Wangen und es hob
den Kopf. Man rief: „Es lebt, gottlob!“

Der Zwergenschar war völlig klar,
wer hier mit List am Werke war.
Sie warnten: „Schatz, die Tür lass zu,
das böse Weib gibt keine Ruh!“

Schneewittchen aber blieb naiv
und als verkleidet wieder rief
die Königin die Ware aus,
verließ sie abermals das Haus.

Vergiftet war ein alter Kamm
als erstes, dann, ein Apfel, stramm
und als es abbiss von dem Rot,
sank es zu Boden und blieb tot.

Allein, Schneewittchen war noch schön.
Und um es immer anzusehen,
schloss man des Mädchens Ebenmaß
in einen Sarg ein, ganz aus Glas.

Als nun ein Prinz den Wald durchritt,
fand er den Sarg: „Die nehm ich mit!“
rief er betrübt und doch entzückt. -
Die schöne Leich‘ ward rausgerückt.

Die Träger schulterten den Sarg
und stolperten sofort so arg,
dass sich das gift’ge Apfelstück
im Halse lockerte zum Glück.

Und plötzlich saß Schneewittchen froh
in ihrem Sarg. Und lichterloh
entflammte da des Prinzen Herz.
Er sprach: „Wir heiraten März!“

Das wollte das Schneewittchen auch. -
Man lud zum Fest. Und ganz nach Brauch
auch Mutter Stief recht herzlich ein,
doch diesmal sollt es Rache sein.

In Eisenschuhen, glühend rot
zu tanzen, bis sie mausetot
zu Boden fiel, war ihr Geschick. -
Schneewittchen aber blieb im Glück.


König Drosselbart

Schön war Prinzesschen, frech ihr Sinn.
Mit drosselschnabelkrummem Kinn
begehrte sie ein Freier zart.
Den höhnt‘ sie: „König Drosselbart!“

Da sprach ihr eigner Vater grimm:
„Genug des Spottes! Ich bestimm:
Dem nächsten Bettler, der jetzt kommt,
wirst du zur Frau gegeben – prompt!“

Gesagt, getan. Ein Spielmann kam,
der sie sogleich zur Gattin nahm.
Zu Fuß zog sie zu ihrer Schand‘
in Lumpen nun mit ihm durchs Land.

Wohin sie kamen, hieß es gleich:
„Das hier ist Drosselbartes Reich.“
Da sah sie nun, was sie verpasst
und hat sich gründlich selbst gehasst.

Sie musste harte Arbeit tun,
nie gab es Zeit, sich auszuruhn.
Auf Märkten bot sie eine Weil
den Reichen irdne Töpfe feil.

Da galoppierte ein Husar,
besoffen, wie er grade war,
durch ihr Geschirr und es zerbrach
zu Scherben alles - welche Schmach!

Ihr Mann entschied: „Geh hin zum Koch
ins Schloss, da gibt es Arbeit noch.
Es feiert Drosselbart ein Fest,
zu dem er lecker kochen lässt.“

Als sie, die Kochmagd, fettbeschmiert,
herumstand, kam daher spaziert
der König selbst, mit Gold behängt,
hat sie aufs Tanzparkett gedrängt.

Wie wurde ihr da höllisch warm
vor lauter Scham im Königsarm!
Doch Drosselbart, der sprach sie an:
„Sieh nur genau, ich bin’s, dein Mann.

Ich war der Bettler, der Husar,
ich bin’s, der immer bei dir war
und hab dich alle Zeit verehrt -
durchs Elend endlich wohl bekehrt.“

Da rief sie: „Drosselbart, wie schön
ist es, dein krummes Kinn zu sehn!“
Geläutert war ihr frecher Sinn,
sie war voll Glück und… Königin.


Die Bremer Stadtmusikanten

Ein Esel trug sein Leben lang
getreu die Säcke. Müd im Gang
geworden, wollte man ihn jetzt
enthäuten, doch er floh entsetzt.

Er zog gen Bremen quer durchs Land,
um sich als „I-ah“-Musikant
hervorzutun. Applaus und Brot,
die schienen reizender als Tod.

Vom Wegrand rief ein Hund, schon alt:
„Oh weh, mein Herr erschlägt mich bald.“
Da sprach der Esel: „Liebes Tier,
komm mit mir, bell und musizier‘!“

Sie wanderten. Am Wegesrand
miaute noch ein Musikant
und klagte: „Stumpf ist schon mein Zahn.“
Der Esel drauf: „Komm, sing Sopran!“

Sie zogen weiter und da fleht‘
ein Hahn vom Mist: „So helft, man dreht
mir heute noch den Hals um.“ „Hahn!“,
sprach drum der Esel, „schließ dich an.“

Am Abend rasteten die Vier
im Wald, sie hatten kein Quartier.
Da sah der Hahn vom Wipfel aus
ein fernes Licht, bestimmt ein Haus….

Tatsächlich, angekommen sah
die Schar das Häuschen, hörte da
im Innern Schmatzen und Gebrüll,
sah hungrig durch das Fenster still.

Da saßen Räuber und man aß
vom Allerfeinsten, hatte Spaß
und jedes Tier hat sich gefragt,
wie es das Pack vom Tisch verjagt.

Der Esel tat als erster kund:
„Auf meinen Rücken setz dich, Hund.“
Dann sprach der Hund: „Katz, spring auf mich.“
Zuletzt der Hahn: „Zuoberst ich!“

Und mit „I-ah! Wau! Kiek! Miau!“
sprang dieser Drache in den Bau,
das Fenster klirrte und mit Graus
riss jeder Räuber zitternd aus.

So war im Streich ihr Haus besetzt.
Und drinnen musizierten jetzt
die Viere. Der Seniorenhort
war gar zu schön. Man blieb am Ort...


Rumpelstilzchen

Ein Kobold, winzig, lebt im Wald
verborgen. – Eines Tages schallt
von fern, vom Schloss her, aufgeregt,
ein Stimmchen, das sein Herz bewegt.

Er läuft dorthin, so schnell er kann
und trifft ein hübsches Mädchen an,
das, eingesperrt, die Wangen heiß,
sich einfach nicht zu helfen weiß.

Es zittert, klagt: „Dem König soll
ich all das Stroh, die Kammer voll,
zu Gold verspinnen, heute Nacht,
sonst werd ich morgen umgebracht.“

Da piepst der Zwerg: Ich spinn's dir, Kind,
gib mir – zur Treu – den Ring geschwind.
Du bist so schön, wie mich das rührt!“
Und -- dreimal schnurr -- ist's ausgeführt.

Dann eilt er fort und lässt allein
das frohe Mädchen. - Prompt herein
tritt schon der König und er rollt
die Augen, ganz entzückt vom Gold.

Und fordert hart: „In Tagesfrist,
wenn dir dein Leben teuer ist,
verspinnst du nochmals grade so
für mich ein großes Haus voll Stroh!“

Und schließt das Mädchen wieder ein,
verspricht jedoch: „Bald kannst du sein
die Königin hier. - Zum Altar
führ ich dich, wird mein Goldtraum wahr.“

Da hockt die junge Frau sehr bleich
und jammert furchtbar. Doch schon gleich
dreht sich die Tür, erscheint der Wicht,
der zärtlich, doch auch fordernd spricht:

„Mein lieber Schatz, was gibst du mir,
wenn ich‘s für dich nochmal pobier‘?“
Und weil sie nichts mehr hat, ersinnt
der Zwerg das Pfand: „Dein erstes Kind!“

Die junge Frau weiß keinen Rat,
stimmt schließlich zu und - schnurr - die Tat
gelingt. Der König kommt und traut
den Augen nicht. - Und sie wird Braut.

Ein Jahr verstreicht, die Königin
ist Mutter und vergnügt ihr Sinn,
spielt mit dem Prinz. Mit einem Mal
betritt der Zwerg den Krabbelsaal.

Und piepst: „Das Kind, das nehm ich mit.
Heut ist der Tag und wir sind quitt!
Da fleht die Königin im Schmerz
um Gnade, schreit: „Mir bricht das Herz!“

Erschüttert von der Liebsten Pein
räumt ihr der Zwerg drei Tage ein:
„Dir bleibt dein Kind, nutzt du die Frist,
entdeckst mir, was mein Name ist.“

Die Königin beeilt sich gleich,
schickt Boten durch das ganze Reich.
Doch lacht der Zwerg ihr ins Gesicht,
und ruft stets: Nein, so heiß ich nicht!“

Erst in den tiefsten Wald versetzt
entdeckt ein Späher ganz zuletzt,
den Zwerg, der seinen Namen singt
und tanzend um ein Feuer springt.

Da ist die Königin nun froh.
Und rät erst falsch: „Du heißt wohl so,
dann graderaus, du bist vom Berg,
heißt Rumpelstilzchen, lieber Zwerg.

Da brüllt der Zwerg voll Zorn, entsetzt:
„Das hat der Teufel dir verpetzt!“
Stampft einen Fuß auf. Dann mit Schrei
reißt er sich mittendurch entzwei.

Die Königin hebt auf ihr Kind.
Ruft: „Schön, dass wir zusammen sind!“
Da lacht der Prinz, was ihr entdeckt,
dass Rumpelstilzchen in ihm steckt.


Hans im Glück


Hans hat geschuftet sieben Jahr
und weil er bienenfleißig war,
so gibt der Meister ihm als Sold
zum Abschied einen Klumpen Gold.

Hans wandert heimwärts, doch er hat
den schweren Klumpen bald schon satt.
Da trabt ein Reiter, unbeschwert,
Hans tauscht sein Gold und nimmt das Pferd.

Das Pferd trägt ihn zunächst, doch dann
setzt es zum Galoppieren an.
Hans fliegt davon, schlägt auf und faucht
im Graben, jämmerlich gestaucht.

Ein Bauer zieht mit seiner Kuh
des Wegs, der fängt den Gaul im Nu.
Hans tauscht ihn gern. Er nimmt das Rind,
weil Milch und Butter sich‘rer sind.

Die Sonne glüht. Vor Durst verrückt
melkt Hans die Kuh, doch ungeschickt,
so dass das Tier ihm vor die Stirn,
gekitzelt, tritt. Hans brummt sein Hirn.

Da schenkt ein Metzger, der ein Schwein
an seiner Seite hat, ihm ein
und sagt: „Erfrisch dich, gönn dir Ruh,
und nimm das Schwein, ich schlacht‘ die Kuh.“

Das macht der Hans. Er fühlt sich gut.
„Das Glück ist mit mir, wohl beschuht“,
so singt er, „was mich auch beschwert,
es endet gut. Ich bin es wert.“

Da nähert sich mit einer Gans
ein Junge, spricht: „Der Schweineschwanz
ist mir bekannt. Im Dorf, dem Schulz
stahl man dies Schwein.“ Hans rast der Puls.

„So nimm es“, spricht er angsterblasst,
„sonst lande ich als Dieb im Knast.“
Er zieht nun mit der Gans zum Markt,
wo grad ein Scherenschleifer parkt.

Der fragt den Hans, wie ihm geschehn,
lässt ihn erzählend rückwärts gehn
von Gans zu Schwein, zu Rind und Ross
und sieht, wie Gold zu Gans zerfloss.

Und schlau spricht er: „Nimm einen Stein,
so kannst du Scherenschleifer sein
und Geld verdienen, so wie ich.
Um deine Gans hier kümmr’ ich mich.“

Hans nimmt den Stein sofort zur Hand,
und trägt ihn fort. Am Brunnenrand
legt er ihn ab und als er trinkt,
fällt der ins Wasser, plumps, versinkt.

Da ist Hans endlich wieder frei
von aller Last. Ein Freudenschrei
entfährt ihm und er dankt dem Herrn
im Himmel: „Ja, du hast mich gern!“


Der goldene Schlüssel
 
Ein armer Junge, der im Bett
am hellen Tag noch friert, denkt: „Hätt
ich doch nur Holz, die Stube wär
bald warm, ich zitterte nicht mehr.“

Er nimmt den Schlitten drum, es schneit
im Winterwald um diese Zeit,
stapft unter Bäumen, sammelt, lädt
die Reiser auf, es wird schon spät.

Doch er entschließt: „Ich mache mir
noch, mich zu wärmen, Feuer hier.“
Er schiebt den Schnee zur Seite un bitt ich, aufzutun
für mich“, doch alle lachen nur:
„Dein Fuß ist schwarz, du Wolfsnatur!“

Zum Bäcker nun trabt er, erreicht,
dass der ihm Teig darüber streicht,
und weil er androht, dass er beißt,
den Teig mit Mehl bestäubt und weißt.

Nun kehrt der Wolf ein drittes Mal
zum Restaurant nach seiner Wahl,
zeigt weißes Pfötchen, säuselt fein...
und siehe da, man lässt ihn ein.

Da springt der Kerl in vollem Lauf
ins Haus und sperrt den Rachen auf,
sechs Geißlein hat er gleich entdeckt
und schon verschluckt... eins ist versteckt.

Das ist das kleinste, das gewitzt
im Uhrenkasten lautlos sitzt.
Er findet’s nicht und schläft schon bald
auf einer Wiese, nah beim Wald.

Die Mutter kommt nachhause, froh -
Wie trifft das Unglück sie nun roh!
Ein wildes Chaos sieht sie, leer -
Kein Kinderstimmchen hört sie mehr.

Sie ruft die Geißlein namentlich,
doch erst das siebte meldet sich,
steigt aus dem Uhrenkasten und
erzählt den schauerlichen Grund.

Wie schluchzt die Frau, dann treibt der Graus
sie wie im Wahnsinn aus dem Haus,
das Geißlein folgt, die beiden gehn,
bis sie den Wolf dort vor sich sehn.

Und siehe da, sein Bauch bewegt
sich so, als ob sich Leben regt.
Der Mutter zucken Herz und Hirn,
sie ruft: „Hol Schere, Nadel, Zwirn:“

Das Geißlein rennt und kehrt zurück,
die Mutter schneidet Stück für Stück
den Wanst auf und ...verdammt nochmal -
sie leben, sechse an der Zahl!

Und springen froh im Kreis umher,
auf Mutters Wink hin schleppt man schwer
ein Dutzend Wackersteine an
und füllt den Bauch, vernäht sodann.

Der Wolf erwacht, fühlt argen Durst.
Zum Brunnen stapft die Rumpelwurst.
Die Steine ziehn ihn dort hinab
und er ertrinkt im kühlen Grab.

Familie Geiß lacht, tanzt und singt,
dass es durch Wald und Wiesen klingt.


Aschenputtel

Der Vater ist zwar reich, doch Not
bedeutet Mutters früher Tod.
Ihr Sterbenswort ist: „Töchterlein,
bewahr in Gott ein frommes Sein.“

Das Mädchen weint beim Grab noch oft,
als sich der Vater unverhofft
erneut vermählt. Die zweite Frau
hat schöne Töchter, bös und schlau.

Die hacken beide gleich gemein
auf dieses milde Wesen ein.
„Raus aus der Stube! an den Herd!“,
so heißt es barsch, „gekocht! gekehrt!

Du bist das Aschenputtel jetzt,
dir reicht ein Kittel, grau, zerfetzt.
Die schönen Kleider, gib uns her,
die braucht ein Schmuddelkind nicht mehr.“

Der Vater mischt sich da nicht ein
und lässt sein Kind misshandelt sein,
bemerkt es kaum, denn er ist meist
auf Handelsmessen und verreist.

Doch einmal raunt sein Herz: „Ich bitt,
bring jedem Kind was Schönes mit“,
drum fragt er plötzlich alle drei,
was ihrer Wünsche größter sei.

Die eitlen Weiber schrein: „Ein Kleid“
und fordern „Perlen und Geschmeid“,
doch Aschenputtel sagt: „Was dir
an deinen Hut stößt, das bring mir.“

So kauft der Vater Gold und Samt
und siehe, auf dem Rückritt schrammt
ein Haselreis ihm seinen Hut,
den bricht er ab, verwahrt ihn gut.

Er kommt nach Haus, schenkt Putz und Zier
den beiden Bösen, spricht dann: „Hier,
mein Puttel, dieser kleine Reis
ist dein, stieß an den Hut mir leis.“

Das Mädchen pflanzt den Reis aufs Grab
und seine Tränen fall‘n herab,
worauf das Reis, gegossen kaum,
dort wurzelt, wächst und zweigt zum Baum.

Ein weißes Täubchen baut sein Nest
nun in des Haselbaums Geäst
und was am Grab sich wünscht das Kind,
wirft es herab, erfüllt sich blind.

Nun wird im Land die Botschaft laut,
der junge Prinz sucht eine Braut,
lädt schöne Jungfraun ein zur Wahl,
drei Tage Tanz soll sein im Saal.

Und wirklich, auch die Schwestern, schön,
sind ausgewählt, dorthin zu gehn,
das Aschenputtel kämmt die zwei
und weint, denn es ist nicht dabei.

„Ach, Mutter Stief“, so fleht es, „gern
ging ich mit euch, den jungen Herrn
mal nah zu sehn.“ Die sagt nicht nein,
spricht nur: „Die Erbsen lies erst rein!“

So glaubt das Kind, dass Hoffnung sei
und ruft die Tauben schnell herbei,
sie picken froh und engagiert
und bald alle Frucht sortiert.

Doch nun, obgleich die Mutter staunt,
ist sie darob nur schlecht gelaunt,
entscheidet: „Nein, du Schmuddelmaid
bleibst weg, dir fehlt das Abendkleid.“

Und damit eilen alle fort,
nur Aschenputtel bleibt am Ort,
tritt vor den Baum, ruft: „Schüttel dich,
wirf Gold und Silber über mich!“

Und sieh, der Vogel wirft aufs Grab
ein wunderschönes Kleid herab
und hübsche Schuh. Das steht dem Kind,
es eilt darin zum Fest geschwind.

Und niemand dort erkennt sie, denn
sie ist die schönste Tänzerin,
der Prinz entflammt, er walzt komplett
mit ihr nur auf dem Tanzparkett.

Dann aber, eh er sich besinnt,
entwischt ihm das begehrte Kind,
eilt fort und springt ins Taubenhaus,
und wechselt rasch die Kleider aus.

Liegt, als die Schwestern kommen, grau
im Aschenhaufen, ganz genau
wie früher, schwarz Gesicht und Haar,
man ahnt nicht, wie sie grad noch war.

In nächsten Tag beginnt das Fest
von neuem und wie gestern lässt
man Aschenputtel herzlos stehn,
um ohne sie zum Fest zu gehn.

Und wieder geht die Maid zum Baum
und schöner noch, man glaubt es kaum,
sind diesmal Kleid und Seidenschuh
und tanzend fliegt dem Fest sie zu.

Der Prinz, der schon gewartet hat,
umschlingt sie fest und tanzt sich satt,
doch plötzlich ist sein Engel weg
und liegt wie sonst im Küchendreck.

Da kommt der dritte, letzte Tag
der Prinz ist ruhlos, fragt, wo mag
dies Mädchen wohnen, da erscheint
es nochmals und sie sind vereint.

Und schöner noch ist sie und stumm
bewundert sie das Publikum
bei ihrem Tanze. Unerkannt
flieht sie dann aus des Prinzen Hand.

Doch diesmal hat er, schlau und frech,
die Treppe eingesprüht mit Pech
und siehe, von dem Kinde klebt
ein Schuh dort, den er freudig hebt.

„Fürwahr“, spricht er, „mit diesem Stück
erober‘ ich mein Glück zurück,
den Schuh zieh jedes Mädchen an,
nur wo er passt, da dock ich an.“

Die Schwestern zwängen sich hinein:
„Verflucht, der Schuh ist viel zu klein!“
Mit einem Messer, es tut weh,
kappt man die Ferse, kürzt den Zeh.

Der Prinz, eh sich der Schwindel klärt,
hebt eine jede auf sein Pferd,
doch geht der Weg zum Schloss vorbei
am Haselbaum, dort tönt ein Schrei.

Die Tauben sehn das Blut im Schuh
und äußern sich mit „Ruckdikuh:
die rechte Braut sitzt noch daheim!" -
So gehn die falschen auf dem Leim.

Der Prinz ist ratlos, sieht im Ruß
das Aschenputtel, sagt: „Die muss
auch anprobieren“, doch mit: „Nein!“,
greift ganz entsetzt der Vater ein.

Der Prinz beharrt und man gesteht
ihm zu die Generosität,
das Mädchen, bisher holzbeschuht,
schlüpft in den goldnen, der sitzt gut.

Und da erkennt der Prinz sie auch
und nimmt sie mit. - Am Haselstrauch
ertönt gegurrt ein: „Ruckdischwein:
die rechte Braut, die führt er heim!“

Doch als das Mädchen goldbesät
als Braut zum Traualtare geht,
da schleimt sich gleich das falsche Paar
der Schwestern ein, das ist doch klar.

Allein, die Tauben setzen sich
auf ihre Köpfe ärgerlich
und hacken ihnen ganz geschwind
die Augen aus. - Jetzt sind sie blind.


Der gestiefelte Kater

Ein alter Müller stirbt und lässt
den Söhnen ungleich viel als Rest.
Denn Mühle, Esel, Kater sind
ihr Erbe, je ein Stück pro Kind.

Der jüngste Sohn, enttäuscht, beklagt:
„Was nützt der Kater mir?“ und sagt:
„Ich zieh den Pelz ihm ab, sein Haar
gibt Wärme noch: ein Handschuhpaar.“

Das hört der Kater, wendet ein:
„Mein Herr, ich könnte nützlich sein,
messt ihr mir feine Stiefel an,
damit ich vornehm wirken kann.“

Der Müllerssohn ist bass erstaunt,
ruft einen Schuster wohlgelaunt,
der Hinterpfotenstiefel näht,
worin das Tier nun aufrecht geht.

Und menschlich wird des Katers Blick,
er fokussiert die Politik,
entdeckt den König, arg gestresst,
weil sich kein Rebhuhn speisen lässt.

Denn alle Jäger, schussbereit,
entdecken keins mehr weit und breit.
Der Kater aber, hinterm Tann
verborgen, lockt die Hühner an.

Ein Körnermeer, wie ausgesät,
doch liegt`s im Sack, der offen steht
und von der Öffnung führt ein Band
nicht sichtbar in des Katers Hand.

Und stehn die Hühner pickend dann
im offnen Sack, zieht er daran,
die Öffnung schließt sich, fängt das Vieh -
er würgt die Beute, schultert sie.

Am Schloss hält ihn die Wache auf,
er diskutiert, darf dann hinauf
zum Thronsaal, denn man sieht es so:
den König mache Kurzweil froh.

In seinen Stiefeln, stolzgebläht,
verbeugt er sich, spricht: „Majestät,
mein Herr, der Graf, empfiehlt sich sehr
und schickt mit Rebhuhn mich hierher.“

Der König strahlt, er fasst es nicht,
ein Fremder kennt sein Leibgericht!
Er fordert den Gesandten auf,
füllt euch den Sack mit Gold zuhauf.

Der Müllerssohn, betrübt derweil,
spricht resigniert: „Den letzten Teil
des Geldes hat dies Stiefelpaar
verbraucht, was völlig sinnlos war.“

Da kommt der Kater grinsend, spricht:
„Mein guter Herr, so grämt euch nicht,
die Stiefel hier sind goldeswert.“
Was er beweist: den Sack entleert.

Der Müllerssohn begreift nur schwer,
wie ihm geschieht, doch freut sich sehr
und lässt den Kater wieder fort
zu Rebhuhnfang und Goldtransport.

Der hört am Hof des Kutschers Schrei:
„Ich muss kutschier‘n und hab doch frei!
Prinzesschen will mit Herrn Papa
den See entlangfahr‘n, ufernah!“

Dem Kater schwillt beim Wörtchen See
der Kopf von einer Mordsidee:
Dem Müllerssohn gibt er den Rat:
„Mein Herr, nehmt rasch im See ein Bad.“

Kaum schwimmt der Jüngling splitternackt,
erschallt von fern auch schon der Takt
der Hufe auf dem Uferpfad. -
Der König in der Kutsche naht.

Der Kater aber, unentdeckt,
hat Herrchens simple Hos` versteckt,
springt jetzt zur Kutsche, schreit: „Oje,
so haltet, helft dem Graf im See!

Kann aus dem Wasser nicht mehr, friert,
sein Prachtkleid hat ein Dieb entführt!“
Der Kutscher bremst, des Königs Hand
weist Richtung Schloss: „Mein Goldgewand!“

Man bringt es rasch. Der Müllerssohn
sieht edel aus darin und schon
steigt er mit in die Kutsche, hält
Prinzessins Hand, was der gefällt.

Der Kater springt voran, erfährt
vom Volk, wen dieses Reich ernährt:
„Den großen Zaubrer!“, sagt man fest
und er entgegnet: „Das vergesst!

Ist euch das Leben lieb, so sagt,
wann immer euch der König fragt,
der bald per Kutsche hier passiert:
Es ist der Graf, der uns regiert.“

Die Leute, eingeschüchtert, tun,
wie er befohlen, während nun
der Stiefelträger im Palast
den Zaubrer selbst ins Auge fasst.

„Ein großer Zaubrer willst du sein?“,
so lacht er, „zeig es, mach dich klein.
Klein wie ein Mäuschen!“ - Das gelingt,
worauf der Kater ihn verschlingt.

Gesättigt tritt er aus dem Tor
und sieht, die Kutsche steht davor.
Der König staunt. Des Grafen Haus
sieht reicher als sein eignes aus.

Und so wird aus dem Müllerssohn
alsbald der neue König schon
und die Prinzessin seine Frau.
Primierminister wird: Miau.
 
 
Schneeweißchen und Rosenrot

Zwei Rosengesträuche im Garten
besaß sie, ihr Mann war schon tot,
die Töchter, sie glichen den zarten
Geblühten in Weiß und in Rot.

Schneeweißchen war sanfter und milder,
ein Kind, das bei Mutter gern blieb,
und Rosenrot aushäusig wilder,
doch hatten die beiden sich lieb.

An einem der Abende klopfte
es an und man schaute nach, wer
da draußen geklopft haben mochte
und eintrat, erkältet, ein Bär.

Der ruhte sich aus an dem Feuer
und wärmte sich brummend das Fell.
Die Mädchen, sie kraulten erst scheuer,
bald wilder den lieben Gesell.

Am Morgen dann reckte die Glieder
der Braunbär und lief in den Wald
und kehrte am Abend stets wieder,
denn noch war die Nacht eisig kalt.

Doch kaum kam auf singenden Sohlen
der Frühling, verließ er sie bald:
„Sonst wird mir mein Gold jetzt gestohlen
von Zwergen im tauenden Wald.

Sie bleiben bei Frost in der Erde,   
doch wird sie vom Frühlingswind weich,
bestiehlt mich die gierige Herde   
und schafft meinen Schatz in ihr Reich.“

Der Türhaken riss ihm beim Gehen
ein Stück aus dem zottigen Fell.
Wie staunte Schneeweißchen zu sehen:
darunter war's goldschimmernd hell.

Bald trafen beim Spielen die Mädchen
im Wald einen Holzfällerzwerg,
dem klemmte vom Barte ein Fädchen
im Stamm . - Er verfluchte sein Werk.

„Befreit mich“, so schrie er, „ich leide.“
Schneeweißchen durchschnitt gleich den Bart.
Er schimpfte: „Wie grob seid ihr beide!“,
als sei er am Spieße gegart.   

Obwohl sie den Kauz nicht sehr mochten,
sie fanden ihn angelnd am Bach,
die Schnur mit dem Bart wie verflochten,
der Fisch, der sie spannte, nicht schwach.

Der Zwerg wär ins Wasser gefallen,
doch Rosenrot schnitt durch den Bart.
Ein Wutschrei, ein Zwergfäusteballen
um goldenen Schmuck aller Art.

Und bald schon, auf einsamer Heide,
da trafen sie nochmals auf ihn,
ein Adler ergriff ihn am Kleide,
ihn mit in die Lüfte zu ziehn.

Die Mädchen entrissen die Beute,
die zappelnde, ihm aus dem Fang,
der Zwerg, der gerettet befreite,
der zeterte, sprach keinen Dank.

Und als nun die beiden die Heide
im Abendlicht querten nochmal,
da hockte er über Geschmeide
und Perlen in riesiger Zahl.

Er schnaubte: „Was gafft ihr? Geht weiter!“
Dann nahte ein wildes Gebrumm. -
Ein Tatzenhieb fällte den Streiter
und machte ihn allezeit stumm.

Die Mädchen erkannten gleich wieder
den Bären, der Krallen und Fell
verlor und ein Prinz war, die Glieder 
erwählt für das Zeremoniell.   

„Ich wurde verzaubert, bestohlen“,
so sprach er und wies auf den Zwerg,
„er konnte dem Tier so leicht holen
mein Gold und verbergen im Berg.“

Die Weiße bekam den Erwählten,
die Rote den Bruder des Prinz‘,
die Mutter der glücklich Vermählten
zog um und verließ die Provinz.

Doch nahm sie die Rosengebüsche
mit sich an den Hof und genoss
wie täglich die mächtige Frische
der großen Fontäne sie goss.
« Letzte Änderung: Februar 06, 2024, 23:52:35 von gummibaum »

Copper

Re: Grimms Märchen in Versen
« Antwort #1 am: Oktober 23, 2021, 13:54:21 »
Klasse. Sehr unterhaltsam.  Ich hatte viel Spaß beim  Lesen.

Gruß Copper..

gummibaum

Re: Grimms Märchen in Versen
« Antwort #2 am: Oktober 23, 2021, 15:43:11 »
Danke, lieber Copper. Das freut mich.

Grüße von gummibaum