Autor Thema: Geschichten  (Gelesen 518 mal)

Erich Kykal

Geschichten
« am: Oktober 20, 2021, 11:32:22 »
Geschäftig wandeln sich der Menschen Tage
von Lebenszeit zu gestriger Geschichte.
Erlebtes wird zu wunderlicher Sage,
getragen wie vom eigenen Gewichte.

Entzeitigt wandeln sich die Neuigkeiten
zu alten Schauermärchen und Legenden,
die Menschenkinder lehren und begleiten,
die anders wenig Halt im Leben fänden.

Geschichten wandeln sich, um zu erweitern,
was uns bewegt und treibt und definiert.
Sie sind die Sprossen unsrer Lebensleitern,
der rote Faden, der durchs Dasein führt.
« Letzte Änderung: Oktober 20, 2021, 21:12:30 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Geschichten
« Antwort #1 am: Oktober 20, 2021, 21:05:43 »
Oh, das ist schön, lieber Erich.

Die Verwandlung von Ereignissen in Geschichte erzeugt immer auch Geschichten, in denen sich das Leben bespiegelt und das zukünftge Richtung und Halt findet. Natürlich gibt es auch unredliche Geschichten, die zu Unrecht glorifizieren oder verdammen, aber das muss man in Kauf nehmen.

Sehr gern gelesen. Chapeau von gummibaum
« Letzte Änderung: Oktober 20, 2021, 22:13:14 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Geschichten
« Antwort #2 am: Oktober 20, 2021, 21:23:37 »
Hi Gum!

Ja, es kommt immer darauf an, was oder wem die Geschichte dienen soll. Die Guten haben ebenso Geschichten wie die Bösen.
Märchen sollen Kinder vor dem Üblen in der Welt warnen, Heldengeschichten sollen - je nach Hintergrund, das Gute in uns bestärken oder uns zu willfährigen Soldaten für eine "Sache" machen - wie "dem guten König zu dienen" (und - quasi als Bestechung - zur Belohnung seine Tochter ehelichen zu dürfen  ;))
Ob Tapferkeit oder Gehorsam, Treue oder Berechnung, Schlauheit oder Naivität, Gutmütigkeit oder Eigennutz, alles kann positiv oder negativ befrachtet werden, je nach Lehre, die gezogen werden soll, und "höhere Mächte", Feen, Zauberer, Hexen, Geister, Superhelden, usw. versinnbildlichen immer Aspekte unseres Gewissens.

Geschichten definieren jedwede Kultur - auch Religionen sind im Grunde weiter nichts als solche Geschichten - leider mit Ausschließlichkeits-, Eroberungs oder Missionierungsanspruch, Bekehrungsrecht mit jedweden Mitteln und anderen Unnettigkeiten verstiegener Gemüter ...
Was für uns Bedeutung hat, ob an Werten oder Objekten, heiligen Orten oder Symbolen - allem liegt die passende Geschichte zugrunde, die überhaupt erst die entsprechende Bedeutung verleiht.
Ob der Geschichte eine wahre Begebenheit zugrunde liegt, spielt letztlich keine Rolle. Die Geschichten tragen sich selbst, sofern sie etwas in uns zu berühren vermögen, werden an kommende Generationen weitergegeben, gegebenenfalls angepasst, modifiziert, modernisiert. Wahrheit bleibt sekundär - es ist immer die Geschichte, die zählt ...

LG, eKy
« Letzte Änderung: Oktober 23, 2021, 18:30:22 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Geschichten
« Antwort #3 am: Oktober 20, 2021, 22:15:13 »
Danke, lieber Erich.

Ein guter Überblick über Arten, Wirkungen und Wert von Geschichten!

LG g

Agneta

  • Gast
Re: Geschichten
« Antwort #4 am: Oktober 27, 2021, 14:12:32 »
ja, Geschichte und Geschichten haben viel miteinander zu tun. Oftmals haben zwei Menschen über denselben Sachverhalt jeder eine eigene Geschichtsvariante. Und jeder hat seine eigene geschicht über sein persönliches Leben... LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Geschichten
« Antwort #5 am: Oktober 29, 2021, 10:33:18 »
Hi Agneta!

Und alle Geschichten sind subjektiv - erzählen selbst bei Tatsachenberichten eine eingefärbte "Wahrheit", abhängig von den Einstellungen, Lebenserfahrungen, selektiven Sinneswahrnehmungen und selektiven Erinnerungsmechanismen - den Wahrnehmungsfiltern der berichtenden Person.
Und jeder spätere Erzähler verändert die Geschichte nach seinem dramatischen Gutdünken, vielleicht nur minimal, aber über die Zeit gerinnen sie - vor allem die sog. "großen" Geschichten - doch zu Archetypen der jeweiligen kulturellen Prägung, werden Volksgedächtnis und Definitionshilfe für das Selbstbild der Gemeinschaft.

Es geht nie um Realität bei Geschichten - es geht um dem Inhalt, die Botschaft, die zu ziehende Lehre, die "Moral von der Geschichte". Ob Märchen und Sagen, Heldenepen der Antike, die Berichte der heiligen Bücher, Rollenspiele auf der Bühne, Romane der Science Fiction, Krimi, Horror oder Fantasy, oder moderne Superheldencomics.
Das Theater, die Oper, das Musical, das Kino unserer Tage, die Spielfilme haben sich alle als erweiternde Instrumentarien für das Erzählen von Geschichten entwickelt. Alles begann mit der Mutter, die am Bett den Kindern Geschichten zum Einschlafen erzählte, und Menschen, die ums Lagerfeuer saßen und sich ihre Taten und Götter erklärten ...

Geschichten - das sind WIR.

Und Gedichte sind die geraffteste, höchstverdichtete Form von Geschichten - kurze, aber in sich bündige Erzählungen und Lebenslektionen in fesselnder Sprache und hypnotischen Rhythmus - die erste Form von Text zur primären Knochenmusik der Steinzeit, dem Echo unseres Herzschlages höchstselbt.

LG, eKy
« Letzte Änderung: Oktober 29, 2021, 10:36:02 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.