Lieber gum,
sehr beeindruckend und gleichzeitig auch anrührend, Deine Verdichtung eines von einem sogenannten "Baumkrebs" befallenen Birkenstamms. Ob wohl der Tumor schuld am Absterben der Birke war? Solche Fälle gibt es.
Dem Laien drängt sich da die Frage auf, ob wohl auch Bäume (oder andere Pflanzen) "Krebs" bekommen können. Die Antwort ist ein klares "jein" mit Tendenz zum "nein".
Tatsächlich finden sich in Pflanzentumoren Hinweise für die Umwandlung ("Dedifferenzierung") von vermehrungsinaktiven Pflanzenzellen in sich vermehrende sogenannte Stammzellen (das hat nichts mit Stamm = Baumstamm zu tun, sondern meint Zellen, die als "Ersatzzellen" fungieren, um im Falle einer Wunde durch vermehrte Zellteilung die entstandene "Lücke" zu schließen). Solche Stammzellen, die sich u. a. durch ihre hohe Zellteilungsfähigkeit auszeichnen, sind auch eine typisches Element in einer Krebsgeschwulst bei einem tierischen Organismus. Weiterhin zeigen auch Pfanzentumoren das Phänomen der Einsprossung von Pflanzengefäßen, also kleinen röhrenartigen Strukturen, die der Nährstoffversorung des Pflanzengewebes dienen, ganz ähnlich unseren Blutgefäßen. Auch hier gibt es eine Parallele zu Krebserkrankungen in tierischen Organismen, bei denen die Neubildung von Blutgefäßen ein wesentliches Element für die Nährstoffversorgung des Tumors darstellt.
Es gibt aber auch zwei ganz wesentliche Unterschiede zwischen Pflanzentumoren und Krebs bei Tieren:
1. In Pflanzentumoren hat man bis jetzt kein Äquivalent für die in tierischem Krebsgewebe typischen Mutationen in sogenannten Onkogenen oder Tumorsuppressorgenen gefunden. In tierischen Krebszellen sind solche Mutationen, also Veränderungen der DNA der jeweiligen Zelle, ganz typisch und definieren auch, welche Art von Tumor sich aus der betroffenen Zelle bildet. Die Tatsache, dass die Bildung von Tumoren in Tieren ihren Ausgangspunkt typischerweise bei Veränderungen der DNA nimmt, erklärt auch, warum äußere Einflüsse, die zu einer DNA-Schädigung führen können (z. B. DNA-schädigende Substanzen im Tabakrauch oder die Exposition gegenüber radioaktiver oder UV-Strahlung) das Auftreten von Krebs u. U. begünstigen. Bei Pflanzen scheint dies so nicht aufzutreten. Warum ist letztlich noch etwas unklar. Vielleicht haben wir einfach noch nicht nach den "richtigen" Mutationen in Pflanzen gesucht, die hier relevant sind.
2. Pflanzentumore metastasieren nicht. Das ist ein fundamentaler Unterschied zu Krebs bei Tieren. Hier ist die Fähigkeit zur Metastasierung das entscheidende Kriterium, das die Erkrankung potentiell gefährlich macht, weil sogenannte Fernmetastasen sich an vielen Stellen des Körper ausbreiten können und so zahlreiche wichtige Organe in Mitleidenschaft zu ziehen vermögen. Die Unfähigkeit von Pflanzentumorzellen zur Metastasierung hängt vielleicht mit der starren Zellwand zusammen. Pflanzenzellen gleichen einem Ritter in einer gewaltigen Rüstung und sind entsprechend unbeweglich - vielleicht ist das ein gewisser Schutz vor der Ausbreitung von Metastasen. Vielleicht hat es aber auch Gründe, die mit dem anders gearteten Immunsystem von Pflanzen und Tieren zu tun haben.
Summasummarum sind Tumore in Pflanzen "ungefährlicher" für den Gesamtorganismus als Krebsgeschwulste in Tieren, jedoch kann es schon einmal vorkommen, dass ein Pflanzentumor so gewaltige Ausmaße annimmt, dass er die Pflanze mechanisch instabil macht und ein befallener Baumstamm z. B. in einem Sturm geknickt wird oder dass ein Pflanzentumor sekundär von Pilzen oder anderen Pflanzenparasiten besiedelt wird, die dann die Pflanze zum Absterben bringen.
Spannendes Thema... und... große Rolle zurück zum Gedicht: Sehr schöne Verse, lieber gum!
LG!
S.