Autor Thema: Dystopische Utopie  (Gelesen 1362 mal)

AlteLyrikerin

Dystopische Utopie
« am: April 04, 2021, 14:08:45 »
Wissen -
Januskopf der Neuzeit.
Rettungsleine
oder Seil des Henkers.

Fakten -
Medusenhaupt der Moderne.
Ungespiegelt
versteinern sie Lebendiges.

Erfolg -
Umschulung für Narziss.
Spielt mit der
Büchse der Pandora.

Besitz -
Fortbildung für Unsokratische.
Wie lebe ich bequem
im Augiasstall?

Erich Kykal

Re: Dystopische Utopie
« Antwort #1 am: April 04, 2021, 18:06:05 »
Hi AL!

Da bleibt ja nicht viel übrig, woran wir uns hochziehen könnten!  ;)

Wissen und Fakten sind für mich nichts Negatives, sondern etwas, das errungen werden muss. Der Umgang damit aber ist oft anfangs schwierig, da der Mensch sich schwertut, von alten, widerlegten Bildern zu lassen und sich und sein Denken neuen Gegebenheiten anzupassen. Für mich versteinern sie nicht das Lebendige, sondern bilden es fort und erweitern es.

Das Streben nach Erfolg und Besitz sind so tief in der menschlichen Psyche verwurzelt, dass es unmöglich scheint, sich darüber zu erheben. Hier sind die korrekten Parameter entscheidend: Welchen Erfolg, welche Art von Besitz erklärt die Kultur, die Tradition als erstrebenswert?
Auch hier sind es die versteinten Bilder alter gesellschaftlicher Prämissen, an denen zu lang festgehalten wird.

Ein gutes Beispiel dafür ist der amerikanische Raubtierkapitalismus und das dortige Fehlen eines sozialen Fangnetzes. Eine rein egoistische Definition von Erfolg und Besitz. Das Gegenteil aber, der idealisierte Kommunismus (den es so ohnehin nie gab), wo niemandem mehr etwas gehört und alles Gemeingut sei, hat genauso wenig funktioniert.
Das europäische Modell, das individuellen Erfolg und Besitz ermöglicht, aber über staatliche Einrichtungen auf Steuerbasis alle Menschen versichert und minimalversorgt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Sicher noch nicht ideal, aber es zeigt, dass Schwarz-weiß-Denken nie etwas wirklich Gutes zur Entwicklung der Menschheit beigetragen hat.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Dystopische Utopie
« Antwort #2 am: April 04, 2021, 22:59:21 »
Hi AL!

Um mal einen großen Namen zu bemühen und damit der liebevoll gemeinten Kritik hoffentlich von vorne herein ein bisschen die Spitze zu nehmen: Bei Deinen aktuellen Werken geht es mir häufig wie bei der Lektüre von Texten von Heinrich Böll: Ich finde eine wunderbare Gesinnung, habe aber beim Lesen den Eindruck, dass über der Gesinnung die Poesie etwas zu kurz gekommen ist.

Dabei nicht missverstehen: Diese beiden Aspekte eines Textes sind, so denke ich, keineswegs Antipoden - es gibt Texte, die höchsten Maßstäben an humane Gesinnung genügen und zugleich (und untrennbar davon) genuin poetisch sind (Silesius, Goethe, Fontane - drei distinkte Welten, beinahe ohne Überschneidung) und solche, die das eine auf Kosten des anderen erringen (Humanität auf Kosten der Poesie: Erich Fried und immer wieder Böll; Poesie auf Kosten der Humanität: Louis-Ferdinand Céline).

Worauf ich hinaus will: Mir scheint, dass im Fall einiger Deiner neuen Texte, der Wille, das "Richtige" zu schreiben, den Text zu fest an die Zügel des Verstandes nimmt und der Schreibe ein bisschen das spielerische Element nimmt. Für mich wirkt die Texte dadurch etwas zu "statisch" und auch ein bisschen zu Tode geplant. So ist für mein Liking beim aktuellen Text das mythologische Element etwas zu Tode geritten worden und alles etwas zu sehr auf eine Pointe getrimmt, die den Strophen jede Offenheit und Beweglichkeit nimmt. Aber wie immer: Eine Frage des subjektiven Geschmacks. :)

LG!

S.

Rocco

Re: Dystopische Utopie
« Antwort #3 am: April 06, 2021, 00:35:14 »
Guten Morgen zusammen!

Die Texte von Lyrikerin empfinde ich als Aphorismen - meinetwegen auch als Kalenderweisheiten.

Sie haben eine Pointe und, da sie ironisch sind, müssen sie deutlich zeigen, was sie auf die Schippe nehmen. Die anderen, aktuellen, Texte von Lyrikerin habe ich, noch, nicht gelesen, weshalb ich mich zurück halte.

Diese kurzen Texte hier sind aber, meine ich, so gut/ schlecht gedichtet, wie es die aphoristische Form erlaubt.

Damit spreche ich mich NICHT gegen berechtigte Kritik aus. (Jeder Text lässt sich immer noch etwas besser schreiben.)

Euch einen schönen Tag

Rocco
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

AlteLyrikerin

Re: Dystopische Utopie
« Antwort #4 am: April 06, 2021, 13:34:18 »
Hallo Erich,

sicherlich hast Du Recht mit der Ansicht, dass die Begriffe Wissen, Fakten, Erfolg und Besitz nicht a priori negativ zu sehen sind. Sie werden allerdings - meiner Meinung nach - in unseren gesellschaftlichen Strukturen, auch in unserer Erziehung, sehr absolut gesetzt. Es sind Schlüsselbegriffe,  die quasi religiöse Dimensionen angenommen haben.
Meine kleinen Texte versuchen lediglich eine kritische Hinterfragung zu provozieren.
Herzlichen Dank für Deine Gedanken und Deine Rückmeldung hierzu.

Lieber Sufnus,

herzlichen Dank für Deine Rückmeldung. Es ist immer wichtig und aus meiner Sicht auch erwünscht, eine Beschreibung zu bekommen, wie ein Text rezipiert wird, wie er auf einen bestimmten Leser gewirkt hat. Insofern freue ich mich über Deine Offenheit.
Du merkst Kritisch an, dass  in meinen letzten Gedichten "über der Gesinnung die Poesie etwas zu kurz gekommen ist". Als Beispiele dafür, dass dieses Problem auch bei bekannten Literaten zu sehen wäre, nennst Du Erich Fried und Heinrich Böll.

Es ist für mich schwierig auf einer objektiven Ebene zu argumentieren, denn dann müsste es eine definierte Grenzlinie geben, ab wann ein Text nicht mehr poetisch ist. Aber ich sehe Deine Rückmeldung trotzdem positiv. Du vermisst offenbar poetische Stilmittel in diesen Texten, die ihren Inhalten angemessener wären. Darüber lässt sich doch trefflich nachdenken. Herzlichen Dank für die Anregung!

Hallo Rocco,

auch Dir herzlichen Dank fürs Vorbeischauen und Deine Anmerkungen. Du zählst die Zeilen zur "aphoristischen Form". Mein Anliegen war es, sehr pointiert diese sakrosankten Begriffe der modernen Gesellschaft auf ihre Tragfähigkeit für ein gutes Zusammenleben abzufragen. Wenn diese Begriffe unkritisch eine normative Kraft erhalten, dann fehlt aber doch eine Metaebene, die ihren Geltungsbereich auf das menschlich richtige Maß eingrenzt. Wissenschaft z.B. wird oft als das letzte Wort angesehen, hinter dem nichts mehr zu fragen bleibt. Doch Wissenschaft führt ohne eine ethische Metaebene zur Atombombe. Das gilt für alle anderen im Gedicht genannten Begriffe ebenfalls. Der Zustand unseres Planeten bietet dafür ein sprechendes Bild!
Dagegen anzuschreiben kann durchaus eine Aufgabe von Poesie sein. Aber um die Form ist tatsächlich immer zu ringen.

Herzliche Grüße euch allen, AlteLyrikerin.

Sufnus

Re: Dystopische Utopie
« Antwort #5 am: April 07, 2021, 12:20:23 »
Hi AL! :)
Vielen Dank für das Feedbackfeedback! :) An einem Punkt bin ich nicht ganz sicher, ob Du mich da nicht missverstanden hast: Du schreibst: "Du vermisst offenbar poetische Stilmittel in diesen Texten, die ihren Inhalten angemessener wären." - Unter dem Begriff "Stilmittel" verstehe ich die formale Art und Weise, wie etwas geschrieben wurde. Die Form ist aber für mich nur ein sehr nebensächlicher Aspekt auf dem Weg zu einem poetischen Text. Mit der Form, den Stilmitteln, Deines Textes habe ich also keine Probleme, wenn ich (subjektiv) einen Mangel an Poesie feststelle.
Ich versuche es mit Beispielen etwas besser zu erklären.

Hier mal ein Text, den ich für unpoetisch halte:

Der logische Verstand erfasst nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit, deshalb ist auch die gefühlsmäßige Intuition ein wichtiges Erkenntnisinstrument.

Und jetzt wende ich "Stilmittel" auf diesen Satz an; aber nach meinem Gusto ändert sich dadurch überhaupt nichts am Mangel an Poesie. der Text erhebt zwar durch die Stilmittel einen größeren "artistischen" Anspruch, gewinnt aber keine poetische Ebene, weil diese (für mich) im Inhalt und nicht in der Form begründet ist.

Du nimmst die Wirklichkeit frontal-
hirnmäßig in die kalten Fänge
und Emotion ist Dir egal?
Da liegst Du eine Herzenslänge
daneben und die Welt bleibt schal.


Dieser obige Text hat die äußere Form eines Gedichts, ist aber unpoetisch, weil er inhaltlich (!) zu eng gefasst ist und dem Leser keine Offenheit bietet. Ein poetischer Text lässt den Geist tanzen. Nunja... auch beim Tanzen gibt es Paare, die sich sklavisch an eine festgelegte Schrittfolge halten und keinerlei spontanes Element zulassen, so dass weder die Musik einen Widerhall (von der strengen Befolgung des Rhythmus ggf. abgesehen) in den Tanzschritten findet, noch die geheime Chemie des Tanzpaares sich in improvisierten Variationen äußern kann. Das ist natürlich dann auch ein "unpoetisches" Tanzen und hier nicht gemeint.

Die Lyrik, als die poetische Gattung par excellence, wird ja immer mit der Lyra, also der Musik, in Verbindung gebracht und daraus wird häufig eine Forderung nach "Sanglichkeit" des lyrischen Textes abgeleitet. Ich würde dieses musikalische Erbe der Lyrik vor allem im Bild des Tänzerischen verortet sehen. Und damit meine ich also nicht einen "tänzerischen Rhythmus", sondern, etwas metaphysisch, ein "inhaltliches Tänzeln", ein gedankliches Dahingleiten, offen, leicht, nicht gezwungen.

Hier mal ein Ad-hoc-Versuch (nicht zu streng urteilen! ;) Ich weiß um den metrischen Stolperer ;) ), dem oben angerissene Thema "Sense-and-Sensibility" nun doch etwas "Poetischeres" abzugewinnen:

Die Welt bringt sich ins Denken
mit ihrem Herzblut ein
und will der Seele schenken
denkbar zu sein.


Auch bei diesem Beispiel geht es mir nicht um die (anfechtbare) Form, sondern um den Inhalt. Die Registerhebel des Denkens und Fühlens sind bewusst durcheinander gebracht worden und auch die Opposition von "ich" und "Welt" löst sich teilweise auf. Und dadurch werden eben auch die Deutungsebenen "gelockert" und der Text bemüht sich wenigstens um etwas poetischen Mehrwert. ;) Wie gesagt, nicht zu streng urteilen, das sind spontane, "didaktische" Beispiele zur Erläuterung dessen, was ich meine. :)

LG!

S.
« Letzte Änderung: April 07, 2021, 12:23:39 von Sufnus »

Rocco

Re: Dystopische Utopie
« Antwort #6 am: April 07, 2021, 12:57:39 »
Hallo zusammen!

Ich glaube, ich verstehe, was Sufnus meint.

In der Aphoristik ist es üblich, dass man, in einem Aphorismus, nicht alles sagt, man lässt einen Teil der Aussage; den muss der Leser ergänzen. Auf diese Weise entsteht Kunst, weil der Geist des Lesers, um die Lücke füllen zu können, sich bewegen, also tanzen muss.

Zum Thema Deutungsebenen: die erreicht man durch Mehrdeutigkeit. Ein Wort/ Begriff, kann so oder so verstanden werden.

So hilfreich diese Diskussion hier ist, sollten wir bedenken, dass Lyrikerin eine Aussage treffen wollte.

Es tut mir leid, aber wenn man, zum Beispiel, eine Satire schreibt, muss die Aussage deutlich werden. Würde Lyrikerin, in ihren obigen Beispielen dunkel bleiben, wären die Texte vielleicht poetischer, aber die Aussage wäre dunkel.

Noch einmal:

Ich halte die obigen Texte für Kalenderweisheiten.

Will man Kunst, im Sinne von Sufnus, müsste man, meiner Ansicht nach, die Form ändern. (Was Sufnus in seinem Beispiel gemacht hat.)

Euch einen schönen Tag

Rocco
« Letzte Änderung: April 07, 2021, 12:59:30 von Rocco »
"Erst in Rage werde ich grob -
aber gelte als der Hitzkopf?!"

Yusuf Ben Goldstein, aus Rocco Mondrians Komödie: Yusuf Ben Goldstein, ein aufrechter Deutscher

Sufnus

Re: Dystopische Utopie
« Antwort #7 am: April 07, 2021, 21:36:31 »
Hi Rocco!

Das ist schön, dass Du meine Gedanken aufgreifst und dann für Dich weiter entwickelst. Ich stelle eine ganze Reihe von Übereinstimmungen unserer Poetiken und auch einige Unterschiede fest (Letzteres ist selbstredend ganz prima!) :)
An zwei Punkten möchte ich meine Haltung nochmal verdeutlichen:

1) Du schreibst: "Würde Lyrikerin, in ihren obigen Beispielen dunkel bleiben, wären die Texte vielleicht poetischer, aber die Aussage wäre dunkel."
Hier fühle ich mich noch nicht ganz richtig verstanden: Mit der Offenheit, dem "tänzerischen Element", das für mich Poesie bedingt, meine ich gar nicht unbedingt "Dunkelheit", also die Eigenschaft eines Textes, sich dem Verständnis zu entziehen. Denn nicht jeder Text, der "unverständlich" ist, ist für mich poetisch und nicht jeder poetische Text ist unverständlich. Eine ungeschickt aus dem Chinesischen übersetzte Bedienungsanleitung ist zwar völlig unverständlich (und brüllend komisch), aber doch wohl nicht poetisch. Und ein typisches Kykal-Gedicht ist völlig eindeutig verständlich, aber dennoch in der Regel höchst poetisch. Dieser Punkt ist mir sehr wichtig, weil ich durchaus auch hin und wieder ein Fürsprecher des Unverständlichen bin, aber nicht etwa, weil ich dieses zur Voraussetzung für einen poetischen Text erklären würde. Mitnichten! :)

2) Dann schreibst Du noch: "Will man Kunst, im Sinne von Sufnus, müsste man, meiner Ansicht nach, die Form ändern. (Was Sufnus in seinem Beispiel gemacht hat.) "
Hier deklarierst Du jetzt das genaue Gegenteil von dem, was ich (dachte ich) recht deutlich in meinem vorherigen Text ausgeführt habe: Für mich (jemand anderes - Du - mag das unbedingt für sich ganz anders sehen) ist das poetische Element genau kein primär formales Kriterium. Auch ein Prosa-Text kann höchst poetisch sein. Er ist es häufig nicht, weil die Prosa auch andere Ebenen "bedient" (siehe Aphorismus, Witz, Spannungsliteratur etc.), aber das ist nicht durch die Form vorgegeben. Und umgekehrt ist es für mich (ich hatte gehofft, das wäre klar rübergekommen) nicht ausreichend, eine "lyrische" Form (konventionelles Gedicht) zu wählen, um die Ebene der Poesie zu erreichen.

Das Missverständnis (wenn es denn überhaupt eines ist und eben einfach nicht eine alternative Sichtweise), "Poesie" für etwas Formales zu halten, rührt wohl daher, dass die Lyrik (die nun einmal - im Gegensatz zum Poetischen - auch formal definiert ist) die Literaturgattung ist, die am besten zum Transportieren poetischer Inhalte geeignet ist, weil in der Lyrik mögliche "unpoetische" Ebenen eines Textes (z. B. Wissensvermittlung oder Erzeugung von Spannung) der relativen Kürze und der sprachlichen Verdichtung i. d. R. wenigstens teilweise zum Opfer fallen, so dass das poetische Element reiner zutage tritt. Aber eine lyrische Form ist - ich wiederhole mich - zumindest für mich keine notwendige Voraussetzung für poetischen Gehalt. :)

LG! :)

S.

Erich Kykal

Re: Dystopische Utopie
« Antwort #8 am: April 08, 2021, 09:03:01 »
Hi Suf!

Gut, dass du in Punkt 1 angeführt hast, dass es auch "verständliche Lyrik" geben darf (hierzu meinen Dank für die freundliche Erwähnung als Beispiel!  :)), sonst hätte ich das hier noch gemacht.  ;)

Lyrik ist nämlich AUCH Sprachkunst an sich, nicht nur Offenheit und Mehrdeutigkeit. Als Beispiel möchte ich Rilke's "Römische Fontäne" anführen: Das Gedicht tut eigentlich nichts weiter, als einen antiken Brunnen mit zwei übereinander liegenden Schalen zu beschreiben - aber dies geschieht in derart sublimer Sprache, dass es pure Lyrik ist. Eine andere Art Kopfkino, die definierte Bilder ins Hirn zaubert, aber auf unvergleichlich schöne Weise. In dieser Sparte bin auch ich zu Hause, und fühle mich wohl da.

LG, eKy


Römische Fontäne

Borghese

Zwei Becken, eins das andere übersteigend
aus einem alten runden Marmorrand,
und aus dem oberen Wasser leis sich neigend
zum Wasser, welches unten wartend stand,

dem leise redenden entgegenschweigend
und heimlich, gleichsam in der hohlen Hand,
ihm Himmel hinter Grün und Dunkel zeigend
wie einen unbekannten Gegenstand;

sich selber ruhig in der schönen Schale
verbreitend ohne Heimweh, Kreis aus Kreis,
nur manchmal träumerisch und tropfenweis

sich niederlassend an den Moosbehängen
zum letzten Spiegel, der sein Becken leis
von unten lächeln macht mit Übergängen.


« Letzte Änderung: April 10, 2021, 14:44:54 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Dystopische Utopie
« Antwort #9 am: April 10, 2021, 12:44:21 »
Hallo zusammen,

da ist ja eine sehr interessante Diskussion entstanden mit vielen wertvollen Hinweisen, die ich mit großem Interesse gelesen habe. Was nehme ich mir daraus mit?
Für viele Leser ist die Offenheit, Mehrdeutigkeit eines lyrischen Textes ein entscheidendes Kriterium. Das ist sicherlich ein sehr wichtiger Aspekt. Manchmal denke ich, sehr deutlich ausgesprochene Kritik an bestehenden Verhältnissen, unter Verwendung von provozierenden Metaphern kann auch ein wichtiges Ziel von Lyrik sein.
Mein Text war für mich auch ein Experiment. Experimente können ja auch misslingen. Aber selbst dann bringen sie den Experimentierenden einen Schritt weiter.
Herzlichen Dank Euch allen für die anregende Diskussion, AlteLyrikerin.

wolfmozart

Re: Dystopische Utopie
« Antwort #10 am: April 13, 2021, 16:07:51 »
Hallo AL,

ein aussagekräftiger Text auf geistig hohem Niveau ist dir da gelungen.
Auch der Aufbau gefällt, ich hab auch einmal ein Poem mit ähnlicher Struktur geschaffen.

Liebe Grüße

wolfmozart

AlteLyrikerin

Re: Dystopische Utopie
« Antwort #11 am: April 14, 2021, 11:45:01 »
Hallo wolfmozart,

herzlichen Dank für Dein Vorbeischauen und die positive Rückmeldung. Habe mich darüber gefreut.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.