Autor Thema: Das Heilige  (Gelesen 2278 mal)

AlteLyrikerin

Das Heilige
« am: Februar 02, 2021, 13:21:38 »
Das Heilige
stelle ich gerne ins Abseits.
Auf ein hohes Podest,
in einen stillen Winkel.

Gelegentlich
staube ich es ab,
oder rede es schwach
von der Seite an:
Warum es sich nie
bemerkbar mache.

 Was könnte geschehen,
 wenn ich mich
 ihm zuwenden würde
 ohne Sicherheitsabstand?
« Letzte Änderung: M?RZ 02, 2021, 12:33:29 von AlteLyrikerin »

Erich Kykal

Re: Das Heilige
« Antwort #1 am: Februar 02, 2021, 13:29:49 »
Hi AL!

Für mich und meinen Standpunkt ist die Antwort auf die in deiner letzten Str. formulierte Frage einfach:

Entweder gesteigerte Realitätsferne, dafür aber der illusionäre Trost eines fiktiven Konstruktes beruhigender Gewissheit, dass alles gut wird irgendwie, irgendwann.

Oder Mut zu klaren Gedanken, dafür aber die Einsicht, dass nichts in diesem Universum je sicher und gewiss sein kann.

Interessiert gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Das Heilige
« Antwort #2 am: Februar 04, 2021, 14:10:20 »
Hallo Erich,

herzlichen Dank für Deine Rückmeldung zum Text, die ich gut nachvollziehen kann. Einzig die Annahme stört mich etwas, religiöse Überzeugungen müssten zwingend mit "gesteigerte[r] Realitätsferne" zu tun haben. Aber darüber brauchen wir keine harte Auseinandersetzung zu führen. Ich kann akzeptieren, dass Du es so siehst, und meinen eigenen Standpunkt dazu haben.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
« Letzte Änderung: Februar 06, 2021, 02:19:00 von AlteLyrikerin »

Copper

Re: Das Heilige
« Antwort #3 am: Februar 04, 2021, 22:05:34 »
Hallo Lyrikerin,

Deine Gedanken, die du sehr berührend in Worte verfasst, gefallen mir sehr.  Das Heilige ist einem  heilig, obwohl es sich uns nicht zuwendet. Warum also diese Ehrfurcht? Solange der Mensch nicht auf alle Fragen eine Antwort weiss, wird auch immer ein Rest vom  Glauben in Ihm sein. Glauben schenkt Hoffnung. Was ist ein Mensch ohne Hoffnung?

Vielen Dank für Deine geschenkten Zeilen.

LG Copper.
« Letzte Änderung: Februar 04, 2021, 22:12:20 von Copper »

Erich Kykal

Re: Das Heilige
« Antwort #4 am: Februar 05, 2021, 09:48:16 »
Hi Copper!

Hoffnung kann man aus vielem ziehen - dazu ist per se kein "Glaube" an Unbeweisbares notwendig, schon gar keine klerikalen Rituale und Dogmen.  ;)

LG, eKy

Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Das Heilige
« Antwort #5 am: Februar 06, 2021, 10:33:58 »
 Ich sehe es nicht religiös. Das Heilige, das kann auch das sein, was einem heilig ist. Rituale zum Beispiel, Orte. Das, was einem heilig ist, will man nicht hinterfragen, denn es gibt Halt und ist ein fester, unantastbares Etwas. Warum soll sich nicht jeder seins erhalten? LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Das Heilige
« Antwort #6 am: Februar 06, 2021, 10:55:32 »
Hi Agneta!

Ich bin gedanklich auf deiner Linie, indes - leider ist der Begriff der "Heiligkeit" immer und jederzeit unverrückbar religiös konnotiert in Sprache und Verständnis aller Kulturen. So gern ich deinen Gedanken der Säkularisierung des Ausdrucks auch begleite, er wird aufgrund seiner Verankerung im bisherigen Bereich immer potentiell missverständlich bleiben.

Und leider gibt es bisher keinen anderen wirklich griffigen Begriff für den Ausdruck unverbrüchlicher ultimativer Wertschätzung.

Idee: Wir könnten ja versuchen, einen Neologismus genau dafür zu schaffen! Vielleicht:

KERNWERTIGKEIT

Nein, das ist zu nüchtern, du verdeutscht ...

INNERGLUT

Besser, aber  potentiell missverständlich ...

LIEBESGUT

WESENSWERTIGES


Hast du einen besseren Einfall? Schwer, das ...

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Das Heilige
« Antwort #7 am: Februar 06, 2021, 13:31:18 »
Hallo Copper,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Ja, "Glauben schenkt Hoffnung", wobei "Glaube" auch gut mit Vertrauen übersetzt werden kann. Ohne Vertrauen, dass die Liebe zu einem Menschen mir nicht schaden wird, kann ich keine Beziehung aufbauen. Ohne Vertrauen, dass mir im Straßenverkehr schon nichts passieren wird, kann ich nicht Auto fahren.
Ich will dem Wort "Glauben" nicht den religiösen Bezug nehmen, denn ich lebe aus meinem Vertrauen zu Gott. Durch die Beispiele, die sich endlos erweitern ließen, möchte ich nur darauf hinweisen, dass jeder Mensch an etwas glaubt, auf etwas vertraut, dass wissenschaftlich nicht belegbar ist.
Selbst die Annahme, dass es Gott nicht gäbe, ist ein Glauben, weil sich das wissenschaftlich ebenso wenig beweisen lässt wie das Gegenteil.

Liebe Agneta,

auch Dir herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Ich stimme mit Dir überein, dass der Begriff "heilig" nicht zwingend religiös gemeint sein muss, obwohl er aus dieser Sphäre stammt. Das hat dieses Wort mit vielen anderen gemeinsam, die sich einer bunt schillernden Semantik erfreuen. Warum einen neuen Begriff erfinden, wenn der vorhandene eine kreative Erweiterung in neuen Kontexten gut verträgt?
Wie alle Worte kann auch das Wort "heilig" missbraucht werden. Würden wir alle missbrauchten Worte aus unserer Sprache verbannen, was bliebe dann noch übrig?

Hallo Erich,

Danke auch für Deinen Kommentar. Zu Deinem Vorschlag einen Neologismus zu erdenken, habe ich schon etwas an Agneta zu antworten versucht.

Euch alle grüßt herzlich, AlteLyrikerin.

Agneta

  • Gast
Re: Das Heilige
« Antwort #8 am: Februar 07, 2021, 00:37:59 »
Liebe AL,

da ich heute den ganzen Tag bei meiner Tochter war, mich deine Gedanken aber nicht loslassen, möchte ich gerne noch antworten.
 Ich sehe also, dass das Heilige religiös gemeint ist. Somit verliert es für mich seine Definition. Ich kann damit nichts anfangen.
Sicherlich würde es mich interessieren, was ein Mensch unter „heilig“ religiös, also katholisch versteht. Vielleicht magst du es mir erklären, da dein Werk darauf hinweist, dass da gewisse Skepsis besteht, sich dem zu nähern, den Abstand dazu aufzugeben
Was also soll heilig sein? Eine Heiligsprechung wird von Kirchenmandanten ausgesprochen, also kann nur jemand heilig sein, der auch zu der katholischen Kirche gehört. Gerade dann, wenn damit eine besondere Ehre für einen Menschen mit besonderen Leistungen erzielt werden soll, kann für mich diese Ehre nicht auf eine spezielle Gruppe beschränkt sein, die sie aussprechen darf. Wenn es so etwas gäbe, dann müsste es für alle Menschen gelten.
Zum anderen werden diese Heiligen wie Nebengötter verehrt, angebetet, man kniet vor ihren Holzfiguren nieder. In der Bibel aber steht: Gitt sprach, du sollst keine anderen Götter habven neben mir. Also reines Kirchenmachwerk?!
Zum anderen wird diese Ehre von einer Organisation ausgesprochen, die sich im Moment höchst unglaubwürdig macht ( ich sage nur Wölki in Köln) bei der Aufarbeitung von Kindesmissbrauch in ihren Reihen. Die „Tempelprostitution“ zuließ zur Erhöhung der Fruchtbarkeit. Was das bedeutet haben könnte, darf sich jeder im Kopfkino anschauen…Eine Organisation, die Frauen als Hexen verbrannte und quälte und tausende von Menschen um ihr hab und Gut betrog durch Enteignung.
Eine Organisation, deren Papst heute noch behauptet, dass homosexuelle Neigungen bei Kindern psychiatrisch und durch Beten geheilt!! werden könnten?????????!!!!! Wer kann denn die noch für voll nehmen?
 Wie kann das also sein, dass eine solche Organisation sich das Recht nimmt, Menschen heilig zu sprechen- vielleicht gar solche, die Straftaten begangen haben?
Ich bin ein gläubiger Mensch, gehöre aber keiner religiösen Vereinigung an. Zu viele Religionen sah ich in meinem Leben und jede sprach von sich als einzig wahrer. Ich respektiere jeden Glauben, den der Naturgötter der Abos ebenso wie den der katholischen Kirche. Aber ihre Würdenträger respektiere ich nicht!
LG von Ageneta


AlteLyrikerin

Re: Das Heilige
« Antwort #9 am: Februar 08, 2021, 13:47:53 »
Liebe Agneta,

für Deine Gedanken, die Du ganz offen geäußert hast, möchte ich mich bedanken und versuchen darauf zu antworten. Es stecken ja viele verschiedene, komplexe Themen in Deinen Argumenten.
Andere Religionen achte ich ebenso. Für mich sind es, um mit einem Gleichnis zu sprechen, unterschiedliche Versuche, auf ganz verschiedenen Wegen auf denselben Berg zu steigen. Jeder Weg hat seine Berechtigung und seine Schönheit, aber auch seine Gefahren.
Was Deine Kirchenkritik angeht, kann ich sie durchaus verstehen. Auch ich bin schockiert und maßlos enttäuscht von den Kirchenführern, die ihre Schuld an Missbrauch und seiner Vertuschung nicht öffentlich eingestehen und die Konsequenzen vermeiden wollen. Meiner Meinung nach müsste Kardinal Woelki zurücktreten oder vom Papst entlassen werden (und wohl nicht nur er).
Auf diese Gedanken möchte ich meine Sicht auf die Kirche aber nicht beschränken. Die Kirche ist mehr als ihre soziale Gestalt, mehr als die Summe ihrer Mitglieder. Sie ist das pilgernde Gottesvolk und ihr Haupt ist Christus. Ich finde in ihr Menschen, die versagen, ja sogar Verbrechen begehen, aber auch Menschen, die authentisch versuchen Christus nachzufolgen. An den Letzteren orientiere ich mich. Verstehen kann ich es, dass viele der Kirche enttäuscht den Rücken kehren. Mein Weg ist das nicht. Ich versuche daran mitzuwirken, dass Kirche sich ändern kann. Vor allem aber brauche ich für meinen Versuch religiös zu leben eine Gemeinschaft, und die wird immer auch scheitern, weil wir Menschen so sind: unvollkommen, verführbar, machtgierig egozentrisch, .....
Ich möchte es mit einem Vergleich erklären, der sicherlich ein wenig hinkt, aber auch etwas Richtiges enthält. Ich gebe die Kirche nicht auf, so wie ich die Demokratie nicht aufgebe, obwohl faschistische und rechtsextremistische Menschen in die Parlamente gewählt worden sind. Die Demokratie muss sich wehren gegen ihren Missbrauch durch extreme, demokratiefeindliche Gruppierungen. Kirche muss sich reinigen und immer wieder umkehren zu einem Gott, der die Menschen liebt und ihnen als das zentrale Gebot hinterlassen hat, den Nächsten zu lieben wie sich selbst. Gottesliebe ist ohne Nächstenliebe nicht glaubhaft. Christus hat durch das Symbol der Fußwaschung deutlich genug gemacht, wie er sich die Gemeinschaft seiner Nachfolger vorstellt. "Der Größte unter Euch soll der Diener aller sein".
Vielleicht muss Kirche wieder ganz klein werden, um einen neuen Anfang zu finden. Manche Kirchenführer tragen ja aktuell sehr effizient dazu bei, dass Kirche schrumpft und sich selbst marginalisiert.

Nun zum Gedicht selbst. Die Überschrift heißt bewusst nicht "Die Heiligen" sondern "Das Heilige". Auf den Heiligenkult der katholischen Kirche will ich hier nicht eingehen, obwohl davon auch vieles falsch verstanden wird. Ich gehe aber vor allem darum nicht auf die Heiligen ein, weil mein Gedicht sie gar nicht meint. Heilig ist allein Gott, und von ihm geht jede Heiligkeit aus. Aber wir können ihn nicht sehen, nicht begreifen; er ist verborgen. Wir "schaffen" uns, weil wir nicht anders können, Zeichen, Symbole, die auf ihn verweisen. Mein Gedicht versucht die Problematik zu beschreiben, dass wir z.B. Dome bauen, die auf Gott verweisen sollen, Plastiken schaffen, die wir auf besondere Podeste stellen, aber in unseren Alltagsvollzügen uns auf ein heiliges Leben so gut wie gar nicht einlassen. Denn das würde verzichten bedeuten und dienen (also die Verringerung des Sicherheitsabstands).
Vielleicht ist es mir nicht gelungen die besten Worte zu finden, um meinen Standpunkt zu erklären, aber auf jeden Fall möchte ich Dir eine ehrliche Antwort zu geben versuchen.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.
« Letzte Änderung: Februar 08, 2021, 13:53:48 von AlteLyrikerin »

Agneta

  • Gast
Re: Das Heilige
« Antwort #10 am: Februar 08, 2021, 21:08:17 »
Liebe AL, mit Interesse habe ich deine Standpunkte gelesen. ich kann sie respektieren für einen Menschen, der dieser Gemeinschaft angehören möchte.
ich denke jedoch nicht, dass die katholische Kirche auch nur einen Millimeter von ihren Statuten abweichen wird. Dafür ist das Konglomerat bleichgesichtiger Männer zu groß. Ich möchte nicht näher darauf eingehen, möchte dich nicht verletzen.
Ich denke, eine Demokratie kann man nicht mit der k. Kirche vergleichen, weil diese eben keine Demokratie ist. In einer Demokratie kann man leben, weil, sie Freiheit lä
sst, Meinungsfreiheit und Freiheit so zu leben wie man möchte, solange es dem Grundgesetz nicht widerspricht. Die Kirche aber greift in das private Leben ein, Wertet, was ihr nicht zusteht. Sie manipuliert bei Kindererziehung, Ehe, Homosexualität, und hält sich dabei  nicht an das Grundgesetz.
Eine liebe Klavierlehrerin, die sehr gläubig war und jeden Sonntag in der Kirche die Orgel spielte, durfte das nach ihrer Scheidung  nicht mehr. Mit welchem Recht? Was bitte möchte denn ein zölibatärer Pfarrer über Ehe wissen?
es steht der Kirche nicht zu, Menschen zu verwerfen ( auch homosexuelle Kinder nicht), sie hat n ichts zu sagen.
Bei uns sind Staat und Kirche im Gegensatz zum Islam getrennt, aber auch hier kommt die Kirche zur Hintertüre herein. das darf nicht sein, denn es ist eine Diskriminierung für Atheisten und Andersgläubige. Eine Partei wie die CDU/CSU sollte sich klar machen, das sie christlich sind, aber nicht politisch katholisch.
Ich könnte das in der Gemeinschaft nicht ausblenden und die Predigt könnte m ir deshalb nichts sagen. das ist schade eigentlich.
Dan ke für deine Offenheit. LG von Agneta

AlteLyrikerin

Re: Das Heilige
« Antwort #11 am: Februar 09, 2021, 17:13:59 »
Liebe Agneta,

das müssen wir wohl so stehen lassen. Es gibt zwar viel mehr in dieser Kirche als die "bleichgesichtigen" alten Männer, aber sie dominieren wohl leider das Erscheinungsbild nach außen. Es gibt unglaublich viele Gruppen, wie z.B. St. Egidio, die u.a. Flüchtlinge über legale Korridore ins Land holen und ihnen ein Zuhause und Betreuung geben. Wahrgenommen werden sie leider nicht.
Damit möchte ich Dich nicht beeinflussen. Jeder wird seinen Weg gehen, und ich respektiere die Gründe dafür. Aber traurig bin ich, und ich hoffe auf eine zukünftige, jesuanische, geschwisterliche Kirche, in der niemand ausgegrenzt oder und als minderwertig betrachtet wird; schon gar nicht wegen seiner sexuellen Orientierung.
Die alten Männer werden sterben, aber der Neuanfang wird lange dauern. Ich werde ihn wohl nicht mehr erleben.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Agneta

  • Gast
Re: Das Heilige
« Antwort #12 am: Februar 10, 2021, 19:38:46 »
da stimme ich dir gerne zu, liebe AL. Wie gesagt, es sind die Menschen, die Kirche machen. LG von Agneta

Sufnus

Re: Das Heilige
« Antwort #13 am: M?RZ 02, 2021, 11:13:52 »
Hi AL!
Dein Gedicht hat viele inspirierende Reflexionen provoziert und ich habe Gedicht und Kommentare sehr angeregt gelesen! :) Jetzt möchte ich gerne noch auf die sprachliche Seite eingehen. Hier fällt mir auf, dass die Zeilen, trotz ihrer Tendenz zu einer verdichteten und verknappten Form am Anfang noch einige, meines Erachtens unnötige, weil redundante Füllwörter aufweisen und in S1 auch etwas auf der Stelle treten: Dass das Heilige ins Abseits und in einen stillen Winkel gestellt wird ist eigentlich ein Doppelgemoppeltismus. Und dass das Podest "schön" ist, ließe sich auch besser unadjektivisch ausdrücken bzw. es wäre zu hinterfragen, ob dieses Information nicht eher überflüssiges Ornament ist. Im Fortgang des Gedichts werden dann die Gedanken, wie ich finde, allerdings prägnanter versprachlicht. Es wirkt für mich ein bisschen so, als müsse das Gedicht erst Anlauf nehmen, um in Fahrt zu kommen.
Was mir dann zum Ende wirklich sehr gut gefällt, ist die offene Frage an den Leser, die glaube ich ein wesentlicher Faktor ist, der die Zeilen nachwirken lässt.
Sehr gerne gelesen! :)
S.

P.S.:
Hier mal zur Verdeutlichung eine Fassung ohne inhaltliche Doppelungen. :)

Das Heilige
hebe ich gerne auf
den Marmorsockel
der Andacht.

Gelegentlich
staube ich es ab,
oder rede es
von der Seite an:
Warum es sich nie
bemerkbar mache.

Was könnte geschehen,
wenn ich mich
ihm zuwenden würde
ohne Sicherheitsabstand?




« Letzte Änderung: M?RZ 02, 2021, 11:22:07 von Sufnus »

AlteLyrikerin

Re: Das Heilige
« Antwort #14 am: M?RZ 02, 2021, 12:41:55 »
Lieber Sufnus,

herzlichen Dank für Deinen Kommentar, vor allem für die Anmerkungen zum Sprachlichen. Für mich ist das keine unnötige Wortfüllerei (das nichtssagende Wort "schön" habe ich aber gerne ersetzt).
Ich weiß nicht, wie es andernorts ist. Aber bei uns in Bayern gibt es immer noch Wohnungen und sogar Gaststätten mit einem sogenannten Hergottswinkel. Da werden Kruzifixe aufgestellt oder andere Statuen, die auf etwas "Heiliges" verweisen sollen. Aber diese Statuen haben keine wirkliche Bedeutung mehr. Es findet keine Andacht, keine Meditation, kein Beten mehr statt. Sie stehen an einem besonderen Ort, aber sind definitiv im Abseits des Vergessenseins. Dafür habe ich sprachliche Bilder gesucht.
Das Podest ist Bild für etwas, das man hochstellt, aber nicht mehr innerlich hoch hält. Der Winkel ist still, weil man nicht einmal mehr hinschaut und schon gar nicht mehr in einen Dialog geht, mit dem, auf das dies Kunstwerk als Zeichen verweisen will. Es ist ein totes Symbol geworden.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.