Liebe Agneta,
für Deine Gedanken, die Du ganz offen geäußert hast, möchte ich mich bedanken und versuchen darauf zu antworten. Es stecken ja viele verschiedene, komplexe Themen in Deinen Argumenten.
Andere Religionen achte ich ebenso. Für mich sind es, um mit einem Gleichnis zu sprechen, unterschiedliche Versuche, auf ganz verschiedenen Wegen auf denselben Berg zu steigen. Jeder Weg hat seine Berechtigung und seine Schönheit, aber auch seine Gefahren.
Was Deine Kirchenkritik angeht, kann ich sie durchaus verstehen. Auch ich bin schockiert und maßlos enttäuscht von den Kirchenführern, die ihre Schuld an Missbrauch und seiner Vertuschung nicht öffentlich eingestehen und die Konsequenzen vermeiden wollen. Meiner Meinung nach müsste Kardinal Woelki zurücktreten oder vom Papst entlassen werden (und wohl nicht nur er).
Auf diese Gedanken möchte ich meine Sicht auf die Kirche aber nicht beschränken. Die Kirche ist mehr als ihre soziale Gestalt, mehr als die Summe ihrer Mitglieder. Sie ist das pilgernde Gottesvolk und ihr Haupt ist Christus. Ich finde in ihr Menschen, die versagen, ja sogar Verbrechen begehen, aber auch Menschen, die authentisch versuchen Christus nachzufolgen. An den Letzteren orientiere ich mich. Verstehen kann ich es, dass viele der Kirche enttäuscht den Rücken kehren. Mein Weg ist das nicht. Ich versuche daran mitzuwirken, dass Kirche sich ändern kann. Vor allem aber brauche ich für meinen Versuch religiös zu leben eine Gemeinschaft, und die wird immer auch scheitern, weil wir Menschen so sind: unvollkommen, verführbar, machtgierig egozentrisch, .....
Ich möchte es mit einem Vergleich erklären, der sicherlich ein wenig hinkt, aber auch etwas Richtiges enthält. Ich gebe die Kirche nicht auf, so wie ich die Demokratie nicht aufgebe, obwohl faschistische und rechtsextremistische Menschen in die Parlamente gewählt worden sind. Die Demokratie muss sich wehren gegen ihren Missbrauch durch extreme, demokratiefeindliche Gruppierungen. Kirche muss sich reinigen und immer wieder umkehren zu einem Gott, der die Menschen liebt und ihnen als das zentrale Gebot hinterlassen hat, den Nächsten zu lieben wie sich selbst. Gottesliebe ist ohne Nächstenliebe nicht glaubhaft. Christus hat durch das Symbol der Fußwaschung deutlich genug gemacht, wie er sich die Gemeinschaft seiner Nachfolger vorstellt. "Der Größte unter Euch soll der Diener aller sein".
Vielleicht muss Kirche wieder ganz klein werden, um einen neuen Anfang zu finden. Manche Kirchenführer tragen ja aktuell sehr effizient dazu bei, dass Kirche schrumpft und sich selbst marginalisiert.
Nun zum Gedicht selbst. Die Überschrift heißt bewusst nicht "Die Heiligen" sondern "Das Heilige". Auf den Heiligenkult der katholischen Kirche will ich hier nicht eingehen, obwohl davon auch vieles falsch verstanden wird. Ich gehe aber vor allem darum nicht auf die Heiligen ein, weil mein Gedicht sie gar nicht meint. Heilig ist allein Gott, und von ihm geht jede Heiligkeit aus. Aber wir können ihn nicht sehen, nicht begreifen; er ist verborgen. Wir "schaffen" uns, weil wir nicht anders können, Zeichen, Symbole, die auf ihn verweisen. Mein Gedicht versucht die Problematik zu beschreiben, dass wir z.B. Dome bauen, die auf Gott verweisen sollen, Plastiken schaffen, die wir auf besondere Podeste stellen, aber in unseren Alltagsvollzügen uns auf ein heiliges Leben so gut wie gar nicht einlassen. Denn das würde verzichten bedeuten und dienen (also die Verringerung des Sicherheitsabstands).
Vielleicht ist es mir nicht gelungen die besten Worte zu finden, um meinen Standpunkt zu erklären, aber auf jeden Fall möchte ich Dir eine ehrliche Antwort zu geben versuchen.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.