Autor Thema: Waldrand im Februar  (Gelesen 827 mal)

Erich Kykal

Waldrand im Februar
« am: Februar 02, 2021, 11:02:35 »
So geisterhaft hüllt Nebel blass die Rippen
der Bäume: Unbewegter Zweig und Ast
an meines dunklen Waldrands kahlen Klippen,
und ich steh regungslos und halte Rast.

Die Moose tragen schneegeweißte Hauben
wie eine Tracht, der man sich würdig zeigt
und buckeln, wenn die Blicke es erlauben,
bis an den Felsen, der ins Grau sich neigt,

als knieten sie im Kühlen der Kapelle
vor dem Altar aus flechtenkrausem Stein,
und wichen darum nicht von ihrer Stelle,
um ganz bei sich und ganz Natur zu sein.

Ergraute Borke rundet alle Stämme
auf ihrer Steigung in das Nebelnichts,
und brechen irgendwo die feuchten Dämme,
erglühen sie im Bogengang des Lichts

für den Moment, eh sich der Vorhang wieder
verhüllend über ihre Landschaft legt,
und eingedenk noch ferner Sommerlieder
bewege ich, was mich nach Hause trägt.
« Letzte Änderung: Februar 02, 2021, 13:03:11 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Waldrand im Februar
« Antwort #1 am: Februar 02, 2021, 11:28:10 »
Wahrlich hochveredelte Zeilen, lieber eKy, die den Leser von einem schönen Sprachfund zum nächsten geleiten! So die schöne Erweiterung des Wörtchens "buckeln" mit einem Präpositionalobjekt, was den Spielraum, dieses sonst so engefassten Verbs wunderbar vergrößert oder der kühne Neologismus "flechtenkraus" - zumindest innerhalb des Google-Horizontes scheint es sich um eine Premiere zu handeln - sodann das "Nebelnichts", keine Weltpremiere, aber doch ein Wort von berührender Schönheit - Paul Zech (also kein Schlechter! :) ) hat es einmal in einem Gedicht gebraucht und ich denke mal, dass Du ganz unabhängig von ihm oder anderen auf diesen Einfall gekommen bist. :)

Was mir zur Abrundung allenfalls fehlte, wäre eine Angleichung der ersten Strophe an das Kadenzenschema der übrigen Verse (oder eine Wiederholung einer Strophe mit vier weiblichen Kadenzen zum Schluss). Und ein kleiner Typo: S2Z2 = "der man sich würdig zeigt" anstelle von "die man sich würdig zeigt". :)

Ganz wunderbare Verse, lieber eKy!

S.

Erich Kykal

Re: Waldrand im Februar
« Antwort #2 am: Februar 02, 2021, 12:57:21 »
Hi Suf!

Danke für das pralle Lob sowie für den Hinweis - der Wechsel des Kadenzenschemas ist beim Schreiben komplett an mir vorbeigegangen! Wurde angeglichen!

S2Z2 ist kein Vertipperle: Man trägt am Lande gern die Tracht, bloß um sie einander zu zeigen (um sich der Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft zu versichern und damit anzugeben, dass man sich was leisten kann ...  ;))!
Nachträglich erkenne ich natürlich, dass deine Lesart in dieser Formulierung näher liegt. Ich denke darüber nach ... - okay, deine Version wird übernommen!

LG, eKy
« Letzte Änderung: Februar 02, 2021, 13:01:46 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Waldrand im Februar
« Antwort #3 am: Februar 02, 2021, 13:06:27 »
Hallo Erich,

auch mir gefällt das lyrische Gemälde sehr gut, das den Waldrand im Februar beschreibt. Starke Bilder, kreative Sprachgestaltung! Einzig die Wendung "um ganz bei sich und der Natur zu sein" stört mich etwas. Bezogen ist sie ja auf das Moos. Es ist Natur und in der Natur; ganz bei sich, finde ich sehr schön, aber den Rest irgendwie "unlogisch". Aber vielleicht ist nur meine Lesart etwas schief.  ;D
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Sufnus

Re: Waldrand im Februar
« Antwort #4 am: Februar 02, 2021, 13:07:35 »
Ah... jetzt blick ich die Stelle mit dem "würdig zeigen" in der Ursprungsfassung - da war ich so in meiner Lesart gefangen, dass ich den anderen Sinn gar nicht herauslesen konnte. Aber es war natürlich in der Tat kein Typo, wie ich fälschlicherweise dachte... nun... so ist die Stelle jetzt wahrscheinlich unmissverständlicher zu lesen. :)
Und jetzt:

Kein Gemecker mehr im Haus!
Nur Applaus! :)

LG!

S.

Erich Kykal

Re: Waldrand im Februar
« Antwort #5 am: Februar 02, 2021, 13:10:49 »
Hi AL!

Danke für Lob und Einlassungen!  :)

Ich habe diese Zeile schon vor deinem Beitrag etwas anders gestaltet. So möchte sagen, dass die - zuvor als betende Kirchgänger personifizierten - Mossbüschel sich nicht rühren, um ganz im Moment aufzugehen, und ihrer Rolle als Teil der Natur in diesem Bilde. Ein Versuch, den Kreis der Deutung zu schließen.

In der neuen Version nehme ich die Wortwiederholung von "ganz" bewusst in Kauf, um dem verbalen Bild mehr Intensität zu verleihen.


Hi nochmal, Suf!

Freut mich, dass jetzt alles passt.  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.