Autor Thema: Nur ein Schritt  (Gelesen 904 mal)

AlteLyrikerin

Nur ein Schritt
« am: Januar 16, 2021, 13:16:14 »
An der Bruchstelle
über der saugenden Tiefe
wage ich den Fuß nicht zu lösen
vom sicheren Grund.
Nur kurz wäre
der Moment des Schwebens
über dem Abgründigen,
bis wieder Halt fände
mein Schritt im Jenseitigen.
Unüberwindbar
ist der Abstand
ohne Vertrauen,
wenn der Blick, gefroren
im selbst geschaffenen Grauen,
die helfende Hand übersieht.
« Letzte Änderung: Januar 19, 2021, 14:32:53 von AlteLyrikerin »

Erich Kykal

Re: Nur ein Schritt
« Antwort #1 am: Januar 16, 2021, 19:07:15 »
Hi AL!

Großartige Formulierkunst! Sehr lyrisch gediegene Sprachfindung! (Mit Reimen hätt's mir halt - du kennst meine Vorliebe - noch besser gefallen.  ;))

2 Peanuts:

Komma nach "Abgründigen".

Nach "Vertrauen" würde ich ein Komma setzen und das "wenn" in der Folgezeile den Satz weiterführen lassen.

Gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Nur ein Schritt
« Antwort #2 am: Januar 19, 2021, 14:37:41 »
Hallo Erich,

herzlichen Dank für Deinen freundlichen Kommentar. Über "lyrisch gediegene Sprachfindung" habe ich mich sehr gefreut. Ja, die fehlenden Reime! Sollten mir einmal ein paar mutige Reime von höchster Qualität frech auf das Papier spazieren, dann werde ich sie gewiss nicht wegscheuchen sondern artig in ein Gedicht einbauen.  ;)

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Sufnus

Re: Nur ein Schritt
« Antwort #3 am: Januar 19, 2021, 16:12:05 »
Hi AL!
Auch ich habe Deinen Zeilen sehr genossen - der im weitesten Sinne daktylische Rhythmus und die Inversionen erzeugen Anklänge an Übertragungen antiker Verse.
Geschildert wird, dass das lyrische Ich vor einem nur einen Schritt breiten, aber offenbar sehr weit in die Tiefe reichenden Abgrund steht und sich nicht hinüber traut, obwohl auf die Querung offenbar keine allzu große Herausforderung darstellt und auf der anderen Seite sogar helfende Hände bereit stehen. Natürliche Klüfte und Klamme sind, hinreichende Tiefe unterstellt, meist doch so breit, dass man tüchtig springen muss oder die Breite die Sprungweite doch übersteigt. Ich frage mich, ob Dir hier ein konkretes "Schluchtobjekt" vor Augen stand, AL. :)
Besonders raffiniert finde ich übrigens das Operieren mit dem Begriff des Jenseitigen. Es kann hier - ganz irdisch - für den sicheren Grund auf der anderen Seite des Abgrundes stehen oder für das Jenseits (was dann eher auf einen nicht gelungenen Sprung verweisen würde).
Je nach Angang könnten in den Zeilen auch mögliche suizidale Szenarien anklingen, aber mir scheint, dass dies hier eigentlich nicht die intendiere Verständnis-Achse des Textes ist.
LG!
S.

AlteLyrikerin

Re: Nur ein Schritt
« Antwort #4 am: Januar 21, 2021, 12:46:25 »
Lieber Sufnus,

herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Den Text wollte ich bewusst offen lassen. Für mich lässt er sich auch interpretieren in einer existentialistischen , aber auch spirituellen Art und Weise. Selbst die Lesart mit suizidalen Aspekten würde ich nicht ausschließen wollen.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Agneta

  • Gast
Re: Nur ein Schritt
« Antwort #5 am: Januar 27, 2021, 12:34:02 »
ich  schließe mich an, liebe AL., sehr gut geschrieben, LG von Agneta

AlteLyrikerin

Re: Nur ein Schritt
« Antwort #6 am: Januar 27, 2021, 12:49:32 »
Herzlichen Dank, liebe Agneta, für Dein Lob. Habe mich sehr gefreut,
AlteLyrikerin.