Hi eKy!
Freut mich sehr, wenn ich Dich auf etwas Unbekanntes aufmerksam machen konnte. Wie gesagt, ich habe extra versucht, nicht allzu geläufige Werke aufzuführen - aber alle sind mir, so gänzlich verschieden sie sein mögen, gleichermaßen lieb und teuer!
Ich denke, Dir oder z.B. Agneta könnte auch manches Poem von Peter Gan durchaus sehr munden, so wie auch Haushofer bei etlichen unserer Mitstreiter Anklang fände. Auch die Wunderbaren "Kinder"-Verse Paul Maars düften wohl manchem Mitstreiter gute Laune bescheren.
Je stärker die übliche "Schreibe" der jeweiligen Nutzer sich unterscheidet, desto geringer dürften dann die Übereinkünfte sein.
Gerade der Fall Haushofer ist ein besonders tragischer - dieser hochgebildete und überaus weltläufige Mann, schrieb die Sonette in der Todeszelle in Moabit, wo er als Nazigegner auf sein Ende wartete. In den letzten Monaten gab es dabei immer noch einen minimalen Hoffnungsfunken für Haushofer, da Himmler damit liebäugelte, Haushofer, der gute Kontakte nach England hatte, womöglich noch irgendwie benutzen zu können, um in einem Nachkriegsszenario den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Als aber die Befreiung Berlins von den Nazis unmittelbar bevor stand, wurde Haushofer von NS-Schergen bei einer Überführung in ein anderes Gebäude hinterrücks erschossen. Die Blätter mit seinen Gedichten trug er bei sich und sein Bruder soll sie bei der Leiche gefunden haben (wobei vorher schon Fassungen aus dem Gefängnis geschmuggelt worden waren). Die Sonette lassen durchaus die Situation des Gefängnisinsassen anklingen, berühren aber auch allgemein philosophische Themen oder Erfahrungen Haushofers aus seinen vielen Reisen in ferne Weltgegenden.
Insgesamt hat wohl die furchtbare existenzielle Bedrohung Haushofers tiefe poetische Energien freigesetzt so dass in seinen letzten Monaten eine Sammlung von Sonetten entstanden ist, die sich in Sprachschönheit und Gedankentiefe mit den besten Werken anderer Lyriker messen kann. Gleichzeitig ist es eines der letzten Zeugnisse einer (weitgehend) untergegangenen literarischen Epoche.
LG!
S.
Nachtrag: Und auch nochmal zu Kramer - das ist wirklich schön, dass Dich seine Dichtungen zu (kritischem) Interesse begeistern können, eKy! Die Wortwiederholungen fallen mir auch immer wieder auf und auch dass, was Du mit "handfest" und geerdet beschreibst, finde ich so in seinen Versen.
Was ich bei ihm immer bewundere, ist die Sanglichkeit seiner Dichtung. Kramer schreibt ja oft in einem nicht ganz regelmäßigen Metrum, typisch sind von locker eingestreuten daktylischen Elementen durchsetzte Jamben, so dass man beim Lesen manchmal ein zweites Mal ansetzen muss, bis man den Sound raus hat. Aber dann ergibt sich beim nochmaligen Lesen ein wunderbarer liedhafter "Flow".
Das andere hervorzuhebende Element bei Kramer ist sein überaus reichhaltiges Vokabular, das ich total bewundere.
Und der letzte Aspekt, der mir auffällt, ist Kramers Kunst der Inversion. Oft gilt eine Inversion ja als ein ungeschicktes Mittel von minderbemittelten Pseudopoeten, einen Satz so hinzubiegen, dass das Metrum "stimmt", aber so einfach kann man das m. E. nicht abtun. Tatsächlich gibt es Inversionen, die einen Satz zwar etwas ungewöhnlich klingen lassen, die aber zugleich eine sprachlich veredelnde Wirkung besitzen. Fälle der letzteren Art gibt es bei Kramer besonders häufig und sie sind eine ganz eigene Betrachtung wert.