Autor Thema: Die letzte Butterblume der Wiese  (Gelesen 1543 mal)

Grüngold

Die letzte Butterblume der Wiese
« am: Dezember 16, 2020, 00:59:51 »
Ich sah der Wiese letzte Butterblume stehen


Ich sah der Wiese letzte Butterblume stehen.
Im Dunkel strahlte sie wie reines Gold.
Da sprach ich freudig im Vorübergehen:
Der Geist der Wiese hat es so gewollt.

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Diese Butterblume sah ich am gleichen Tage, als ich der Wiese einz'ge Chrysantheme wiedersah.
Morgen mehr dazu.
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Die letzte Butterblume der Wiese
« Antwort #1 am: Dezember 16, 2020, 08:21:46 »
*Loreley-Modus an*


Ich weiß wohl, was soll es bedeuten,
dass ich so fröhlich bin.
Eine Blume aus neueren Zeiten
die geht mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
im Herbst am Wiesenrain.
Das Goldgelb der Blüte funkelt
im Abendsonnenschein.

Die Butterblume blühet
im Grase wunderbar.
Die goldene Blüte blitzet
auf der Wiese hell und klar.

*Loreley-Modus off*
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Die letzte Butterblume der Wiese
« Antwort #2 am: Dezember 21, 2020, 23:04:17 »
Der Dichter spricht:

Nun sind wir an der Stelle, wo wir einen Schiffer in einem kleinen Kahne brauchen könnten, den es mit wildem Weh ergreift, wenn er das Gold der Butterblume leuchten sieht.
Doch an meiner Wiese segeln  keine Schiffe vorbei.  Wer dort vorbeikommt, das sind nette junge Frauen, die dort ihre Hunde auf einem Grasweg entlang spazieren-führen. Es mögen auch verkleidete Feen und Elfen darunter sein, wer weiß das schon? Und die Hunde sind vielleicht verkleidete Drachen.

Nun könnte ich  ja  erdichten, dass immer wieder nette junge Frauen voller Sehnsucht auf die Butterblume schauen, dabei die Hundeleine übersehen, darüber stolpern, und sich dabei dann den Hals brechen. Und das hätte dann mit ihrem Leuchten die Butterblume getan.

Aber wollen wir das? Wollen wir wirklich, dass nette junge Frauen sich den Hals brechen?
Nein, bei allem Respekt vor Heinrich Heine, das wollen wir nicht!

Der Dichter (also ich, das lyrische Ich) wird eine andere Lösung finden müssen.  Und ich habe auch schon eine Idee.
More later ....
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Die letzte Butterblume der Wiese
« Antwort #3 am: Dezember 21, 2020, 23:05:38 »
Der Dichter spricht weiter:

Was es in der Nähe meiner Wiese  ganz in der Realität gibt, das ist ein Hochsitz für jagende Jäger. Jene Jäger bejagen Wildschweine, die gerne in  die Maisfelder dort eindringen. Oder wohl auch Rehe, die abends vom nahen Wald auf die Wiese kommen. Solch ein Jäger  könnte doch auch mal bei seinem Jagen vom Gold der Butterblume  abgelenkt werden.

Und statt wie jener Schiffer gebannt in die Höhe zu schauen, schaut der Jäger wie gebannt auf die Wiese und die Butterblume hinunter. Jedenfalls: gebannt! Denn  dieses "gebannt" hat ja immer auch etwas Magisches.

Welch eine Wendung! Welch ein Perspektiv-Wechsel! Heinrich Heine wird erfreut sein, zu sehen, wieviele Möglichkeiten  sein romantischer Klassiker bietet.
Ja, so wird's gehen!  Ça ira!

Es gibt viel zu dichten! Packen wir's an!
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Die letzte Butterblume der Wiese
« Antwort #4 am: Dezember 21, 2020, 23:06:59 »
Den Jäger auf seinem Hochsitz
ergreift es mit wildem Weh.
Er schaut nur noch  nach dem Goldblitz,
und sieht nicht das Reh in der Näh.

Ich glaube, am Ende entfleuchet
das Reh in den sicheren Tann.
Und das hat mir ihrem Leuchten
die Blume  der Wiese getan!
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Die letzte Butterblume der Wiese
« Antwort #5 am: Dezember 21, 2020, 23:08:25 »
Der Dichter spricht:

Hier kommt nun also niemand um.
Statt dass ein armer Schiffer  ertrinkt, rettet die Blume der Wiese einem  zarten Reh das Leben.

Heinrich Heine wird's recht sein, oder ich müsst ihn schlecht kennen.
Vielleicht liest er ja gerade mit - wo immer  gerade sein mag.
Denn es steht geschrieben: Old poets never die - they just fade away .....
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Die letzte Butterblume der Wiese
« Antwort #6 am: Dezember 21, 2020, 23:09:57 »
Und der Jäger soll auch nicht leer ausgehen.


Ich glaube, am Ende erleget
der Jäger ein   wildes Schwein.
Und als es sich nicht mehr beweget,
trägt er's in sein trautes Heim.



Und Jäger's Frau und Jäger's Kinder freuen sich über die willkommene Mahlzeit.
Und sie aßen und sie tranken und ließen sich's wohlsein.
Es wurde noch ein richtig gemütlicher Abend.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch.
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Die letzte Butterblume der Wiese
« Antwort #7 am: Dezember 21, 2020, 23:11:53 »
Nun wollt ihr vielleicht auch gerne mal die Blume der Wiese sehen?
Dann müsst ihr allerdings ein Sonntagskind sein.

Am besten geht ihr in der Dämmerung, also so zwischen Tag und Siehst-mich-nicht, auf die Wiese und rufet:

"Goldblume am wilden Wiesenwald!
Bist viele hundert Jahre alt,
Dein ist all Land, wo Blumen stehn.
Lässt dich nur Sonntagskinderrn sehn!"

Und zur Sicherheit könnt ihr auch noch rufen:

„Schatzhauser, im grünen Tannenwald,
bist schon viel hundert Jahre alt;
Dein ist all Land, wo Tannen stehn,
Lässt dich nur Sonntagskindern sehn."

>>> https://www.martinschlu.de/kulturgeschichte/neunzehntes/fruehromantik/hauff/1828kaltesherz1.htm

Und wenn ihr Glück habt, so erscheint der Schatzhauser und zeigt euch jene magische Butterblume.
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Die letzte Butterblume der Wiese
« Antwort #8 am: Dezember 21, 2020, 23:13:20 »

Bisher 7 Antworten und 27 Aufrufe :)
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Die letzte Butterblume der Wiese
« Antwort #9 am: Dezember 22, 2020, 20:41:28 »
Hier spricht der Dichter mit dem Leser und lässt ihn teilhaben an der Entwicklung eines Gedichts. :)
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Die letzte Butterblume der Wiese
« Antwort #10 am: Januar 14, 2021, 15:33:21 »
Gestern war ich wieder auf meiner Wiese.
Nun ohne Butterblume.
Aber sie wird wiederkommen.
Denn bin ich gewiss.

:)
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.