Autor Thema: Fast ein Weihnachtswunder  (Gelesen 872 mal)

Sufnus

Fast ein Weihnachtswunder
« am: Dezember 13, 2020, 18:29:17 »
Fast ein Weihnachtswunder

Das Kandelabern der Kerzen
vom ewigen, ewigen Schein,
das ging, ach so sehre zu Herzen
dem Mottenkind zierlich und fein.

Das machte sich auf die Reise,
der Weg in das Licht war so lang,
es zog immer engere Kreise,
halb freudig und halb herzensbang.

Doch half kein Kreisen und Drehen:
Das Schicksal erwürgte das Glück.
Den Schein sah die Motte verwehen,

flog traurig ins Dunkel zurück.




« Letzte Änderung: Dezember 13, 2020, 18:39:08 von Sufnus »

Erich Kykal

Re: Fast ein Weihnachtswunder
« Antwort #1 am: Dezember 13, 2020, 21:26:18 »
Hi Suf!

Ist mit der "Motte" in S3 die Mutter des Mottenkindes aus den beiden Str. davor gemeint? Wie anders sollte das Gedicht Sinn machen? Vielleicht, dass die Kerze erloschen ist, aber weshalb? Sollte das, was so die Motte überleben ließ, das "Beinahe-Weihnachtswunder" sein, das im Titel zitiert wurde?
Im Falle der ersteren Annahme - für mich auch die lyrisch wie philosophisch interessantere:
Die ins Licht fliegende Motte ist ja ein vielzitiertes Gleichnis für die schicksalhafte Ausweglosigkeit menschlicher Triebhaftigkeit. Durch Beifügung des Kindlichen wird hier allerdings Unschuld zum unkundigen Opfer der heißen Flamme, was die Gleichgültigkeit des Universums gegenüber dem unterstreicht, was der Mensch als Unglück oder Unrecht empfindet.

Es ist auch als Bild für die Naivität der gläubigen Menschen geeignet, die ans Gute und Reine ihrer Götter glauben - bis deren Macht sie wahrnehmungsblind, gleichgültig oder gar genüsslich versengt ...

Gern gelesen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Fast ein Weihnachtswunder
« Antwort #2 am: Dezember 14, 2020, 16:22:25 »
Hi eKy!
Dankeschön für den Kommentar und die interessante Deutungsebene... ich muss gestehen, dass ich mit einer einzelnen Motte genug zu tun hatte und keine Frau Mama im Spiel vorgesehen hatte... aber das wäre ja vielleicht eine Idee für ein Gegengedicht von Dir? :)
Wobei... grad kommt mir auch eine halbe Idee...

Die mottenmatte Muttermotte
schlotterte im Mottentrotte,
doch ihr Kind, die hotte Lotte,
lebte stets das Mottenmotto:
Schwarzgebrannt wie ein Risotto
Nero (sono poliglotto),
mach ich ohne viel Gequietsche
gleich mal einen auf Fenice.

LG! :)

S.




gummibaum

Re: Fast ein Weihnachtswunder
« Antwort #3 am: Dezember 16, 2020, 02:30:00 »
Lieber Sufnus,

Kerzen hinter Glas sind unerreichbar. Aber besser heimfliegen als verbrennen, denke ich.

Sehr gern gelesen.

Grüße von gummibaum

Sufnus

Re: Fast ein Weihnachtswunder
« Antwort #4 am: Dezember 16, 2020, 10:03:17 »
Das denke ich auch, lieber gum! Von dem alten Club-27-Grundsatz, it's better to burn out than to fade away, halte ich gar nichts... :) Aber vielleicht sieht das die Motte noch anders, sie ist wohl noch sehr jung (macht dieser Umstand wohl leichtfertiger - vielleicht weil man weniger zu verlieren hat?)...
LG!
S.