Autor Thema: Atheistisches Credo  (Gelesen 2525 mal)

AlteLyrikerin

Atheistisches Credo
« am: Dezember 11, 2020, 15:22:33 »
Ich glaube an das Nichts,
aus dem alles geworden ist,
und dass alles, was geworden ist,
zurückkehrt in das Nichts.

Illusionslos lebe ich
zwischen Zufall und Notwendigkeit,
Begierden und Vernunft.

Irritiert bekenne ich, manchmal
in den Erscheinungen des Lebens
mehr zu sehen als die Summe
ihrer notwendigen
und hinreichenden Komponenten.
« Letzte Änderung: Dezember 11, 2020, 15:44:27 von AlteLyrikerin »

Erich Kykal

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #1 am: Dezember 11, 2020, 15:43:13 »
Hi AL!

"Illusionslos" mit Doppel-"l".

Gefällt mir, bin inhaltlich genau auf derselben Linie, auch wenn mir immer und jederzeit klar ist, dass die Metaebenen des menschlichen Geistes, seiner Fantasie und seiner Gefühlswelten jederzeit über die naturwissenschaftliche "Summe der Komponenten" hinausweisen. Allerdings glaube ich nicht an die Existenz dessen, was religiöse Leute als "Seele" deuten. Die meisten von denen könnten nicht mal selbst erklären, was genau damit gemeint ist - letztlich eine wässrige Schutzbehauptung ohne faktischen Tiefgang für jene, die Angst davor haben, nach dem Tod des Körpers nicht mehr da zu sein.

Sehr gern gelesen!  :) (Weil kein Problem mit meiner finalen Auflösung habend)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #2 am: Dezember 11, 2020, 15:47:33 »
Hi Erich,


Danke für Deinen zustimmenden Kommentar. Habe einfach mal versucht, die Glaubenslinien eines Atheisten nachzuzeichnen ohne Häme.


Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Erich Kykal

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #3 am: Dezember 11, 2020, 15:49:06 »
Das ist dir gut gelungen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #4 am: Dezember 14, 2020, 15:01:53 »
Gefällt mir auch sehr gut, liebe AL! :)
Interessant, wie viele Facetten, des Atheismus es doch gibt (eigentlich ja nicht verwunderlich): Ich würde mich, müsste ich mich denn festlegen, als Atheisten bezeichnen, würde mich aber in diesen Zeilen nicht erkennen. :)
LG!
S.

Agneta

  • Gast
Re: Atheistisches Credo
« Antwort #5 am: Dezember 14, 2020, 20:13:41 »
ich weiß nicht, liebe AL,  ob ein richtiger Atheist wirklich "mehr sieht als...".
Auch Gläubige können illusionslos sein, wenn sie nicht richtig tief gläubig sind.
Ich für meinen Teil halte es so: Jeder wie er mag. Ich bewerte weder tiefgläubige Menschen ( nicht Fanatiker) noch Atheisten. Glauben #und Religon sind privat und jeder hat das Recht, so zu leben wie er mag.
LG von Agneta

AlteLyrikerin

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #6 am: Dezember 15, 2020, 12:10:53 »
Lieber Sufnus,


es gibt so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt, sagen die Weisen. Sicherlich gibt es ebenso viele Wege ihn zu leugnen oder nicht kennen zu wollen.
Für mich war es nur ein Versuch mich in die Denkwelt eines Menschen einzufühlen, für den nur die Ergebnisse der Wissenschaften existieren.


Liebe Agneta,


das ist unbestritten, dass die privaten Überzeugungen eines jeden unbewertet bleiben sollen, sofern sie nicht für irgendeine Gruppe schädlich sind.


Euch beiden wünsche ich eine schöne winterliche Zeit, AlteLyrikerin.

Grüngold

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #7 am: Dezember 16, 2020, 08:28:52 »
Ich glaube an das Nichts,
aus dem alles geworden ist,
und dass alles, was geworden ist,
zurückkehrt in das Nichts.


Ich mag die biblischen Anklänge in der Sprache.
Schon möchte ich nach Gregorianischer Weise singen:

"Credo in unum Nirwanunum ....."
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

AlteLyrikerin

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #8 am: Dezember 16, 2020, 12:46:53 »
Hallo Grüngold,


herzlichen dank für Deinen Kommentar. Ja, ich habe beim Schreiben an den Johannesprolog gedacht, dessen philosophische und lyrische Schönheit allerdings kaum zu erreichen ist.
Gregorianische Gesänge mag ich auch sehr. Unter anderem vor allem das "Salve Regina", das bei uns in Bayern noch häufig gesungen wird.


Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Grüngold

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #9 am: Dezember 22, 2020, 00:15:58 »
Hier der Beginn des Credo, so wie wir es kennen.

Zitat
Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt. / Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen.

Nun versuche ich den Text mal etwas umzuschreiben:

Ich glaube an das eine Nichts, den Vater, den Allmächtigen, der  nichts  geschaffen hat,  weder Himmel noch  Erde, das sichtbare und das unsichtbare Nichts. / Und an den einen Herrn Nichts,  des Nichtes eingeborenen Sohn, aus dem Nichts  geboren vor aller Zeit: Nichts  von Nichts, Nicht-Licht von Nicht-Licht, wahres Nichts vom wahren Nichts, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Nichts; durch ihn ist nichts geschaffen .....

----

How about it? :)
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

AlteLyrikerin

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #10 am: Dezember 22, 2020, 14:15:39 »
Hallo Grüngold,


herzlichen Dank für die Auseinandersetzung mit meinem Text. Der Vorschlag, den Du erarbeitet hast, gefällt mir nicht. Du hast lediglich an einigen Stellen, z.B. das Wort "Gott", gegen das Wort "Nichts" ausgetauscht. Für mich wird der Text dadurch nicht zu einem plausiblen atheistischen Credo. Er verliert in meinen Augen eher dadurch und wird zu einem abstrusen Wortspiel. Das ist lediglich meine Meinung, anderen mag es damit anders gehen.


Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Grüngold

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #11 am: Dezember 22, 2020, 21:31:14 »
Der Vorschlag, den Du erarbeitet hast, gefällt mir nicht.

Da kamma halt nix mache,

Zitat
Du hast lediglich an einigen Stellen, z.B. das Wort "Gott", gegen das Wort "Nichts" ausgetauscht.

das ist kein "lediglich".

Ich bin ein Freund der Sprache und des Spiels mit der Sprache.
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

Grüngold

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #12 am: Dezember 22, 2020, 21:40:13 »
Illusionslos lebe ich
zwischen Zufall und Notwendigkeit,
Begierden und Vernunft.

Irritiert bekenne ich, manchmal
in den Erscheinungen des Lebens
mehr zu sehen als die Summe
ihrer notwendigen
und hinreichenden Komponenten.

Wenn ich auch mal Krütük üben darf:

Bei "Credo" erwarte ich eine feierliche Sprache.
Wörter wie  "illusionslos" und "irritiert" haben da nix verloren.
Wie gesagt, ich bin ein Freund der Sprache.

Das heißt, ich bin kein Freund des roboterhaft mechanischen Silbenzählens. Einerseits
Und  andererseits auch kein Freund des falschen Tiefsinns, der falsch-hochtrabend daherkommt.
Nur mal allgemein so angemerkt.
Von beidem scheint es mir hier im Forum zu viel zu geben.
Womit ich nun nicht dein Gedicht meine.
Ceterum censeo linguam Latinam non esse delendam.

AlteLyrikerin

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #13 am: Dezember 23, 2020, 15:34:47 »
Hallo Grüngold,

herzlichen Dank für deinen Kommentar.
Zitat
Zitat von Grüngold: Bei "Credo" erwarte ich eine feierliche Sprache. Wörter wie  "illusionslos" und "irritiert" haben da nix verloren.

Ja, bei einem echten Credo, das ja gebetet wird, hast Du Recht. Da es sich hier um ein atheistisches "Credo" handelt, darf meiner Meinung nach die Sprache durchaus den Duktus der nachdenklichen Selbstreflexion haben.

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Sufnus

Re: Atheistisches Credo
« Antwort #14 am: Dezember 23, 2020, 21:41:55 »
Ein Credo darf feierlich daherkommen, wenn es bereits offen stehende Erwartungshaltungstüren eines konventionellen Lesers einrennen möchte (dagegen ist nichts, garnichts zu sagen) und es darf sich unfeierlich gebärden, wenn es im Oberstübchen des Lesers ein Nachdenke-Lichtchen zu entzünden sucht (das setzt dann aber voraus, dass im besagten Oberstübchen ein hinreichender Vorrat an Leuchtmitteln verfügbar ist).
In diesem Sinne: Es lebe die Freiheit des Wortes! :)
LG!
S.