Autor Thema: Ein Weihnachtswölkchen  (Gelesen 659 mal)

Sufnus

Ein Weihnachtswölkchen
« am: Dezember 08, 2020, 16:53:48 »
Ein Weihnachtswölkchen

Am Himmel weht zur Weihnachtszeit
das weltwinzigste Wölkchen (voll schön!)
und wie jede irdische Kostbarkeit
von den bodenbewohnenden Maulwürfen
glatt übersehn.

Das Wetterobjekt gleicht einem Palast
en miniature mit nur einem Raum
bewohnt von Schneeröckchen-Wintergast
samt flöckchenleisem weißen
Weihnachtstraum.

Ein Flöckchen plus ein Wölkchen macht
noch keine wirklich allgemeine
Winterwonderworldpracht,
aber an Weihnachten zählt auch das Kleine
(so war es zumindest gedacht).


Erich Kykal

Re: Ein Weihnachtswölkchen
« Antwort #1 am: Dezember 08, 2020, 19:48:55 »
Hi Suf!

Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht recht, was ich davon halten soll. Es erscheint mir irgendwo zwischen klassischem, gereimtem Werk und modernem Sprachexperiment angesiedelt, und ich weiß nicht recht zu sagen, ob der Boden dort fruchtbar genug ist, um es zu erhalten ...

xXxXxXxX
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xxXxxXxxXxx
XxxX

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XxX

xXxXxXxx
xXxXxXxXx
XxXxXx
XxxXxxXxxXx
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Metrisch nach klassischem Muster hoffnungslos, aber das war dir schon beim Schreiben klar. Hier führt uns vielmehr eine Sprachmelodie, kein musikalisches Schema. An und für sich okay, aber auch da komme ich man manchen Stellen ins Stocken, zB gleich mal vom Übergang von S1Z1 zu Z2, denn Z1 folgt einem klassischen Schema, und Z2 wirft einen gleich mal ruppig aus dem Sattel des brav trabenden Pegasus, lässt ihn bocken und steigen!

Ab da fügt man sich in den losen Takt der Satzmelodie, welche allerdings in S2 und 3 nicht durchgehalten wird - jede Str. etwas anders in Zeilenlängen, vor allem S3Z3 mit dem Anglizismushybriden, einem Homunkulus nicht nach jedermanns Geschmack, aber auch eindeutig zu kurz, um die Verszeile so zu füllen, wie es nötig gewesen wäre, um von harmonischem Sprachfluss sprechen zu können, und nicht nur wegen seiner besonders hart wirkenden männlichen Kadenz.

Auch das Reimschema ist schwankend: ABACB - DEDFE - GHGHG
Während S1 und 2 je die vierte Zeile reimlos lassen, sind in S3 alle Zeilen gereimt.

Ein nettes Gedicht, das ein wenig den weihnachtlichen Klischeeterror auf die Schippe nimmt, aber mit mindestens einem Herzkammerl, in dem ein zärtlichen Feuerchen dafür brennt!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Ein Weihnachtswölkchen
« Antwort #2 am: Dezember 09, 2020, 00:27:38 »
Es hakt absichtlich.

Sehr schöne Verballhornung von Weihnachts- und Wintergedicht. Nach dem Motto: Das Atom ist noch kein Stoff, aber der gute Wille dazu.

Lachend gelesen.

Grüße von gummibaum


Ein Weihnachtsflöckchen

Ein Flöckchen Schnee war darin eigen,
die weiße Weihnacht zu bescheren,
und ließ es sich drum nicht verwehren,
ein Wolkenschiffchen zu besteigen.

Es sah im Flug aus der Kabine       
den Maulwurf, der im Boden wühlte
und über sich kein Weißes fühlte.
Er schien nicht auf der Weihnachtsschiene.

Da sprang das Flöckchen, sank hernieder
und kühlte weiß den heißen Rücken,
und „Oh, du fröhliches Entzücken!“,
hieß es und „Alle Jahre wieder!"


« Letzte Änderung: Dezember 09, 2020, 02:03:06 von gummibaum »

Sufnus

Re: Ein Weihnachtswölkchen
« Antwort #3 am: Dezember 09, 2020, 12:00:14 »
Hi, Ihr Lieben!
Ja, dieses Flockengedicht ist - genau wie eKy konstatiert - metrisch ein hoffnungsloser Fall. Und Gum triffts sehr genau, wenn er hier eine gewisse Antithese zu Weihnachtslyrik sieht, die allzu stramm im Heile-Welt-Modus heruntergespult wird.
Bei meiner Sonettvariante "Versuch über das Schmelzen" war die Form nur leicht lädiert, aber inhaltlich ging es splattermäßig hoch her: Eine Schneeflocke mit abgerissenem Arm... Beim "Weihnachtswölkchen" ist hingegen der Inhalt beinahe idyllisch (nur von blinden Maulwürfen etwas gestört) und dafür geriet die Form total unter die Räder.
Am Ende hat aber eKy völlig Recht, und ich war sehr gerührt das zu lesen, in einem stillen Herzkämmerlein des Autors steht doch ein hübscher Weihnachtsbaum in Flammen... äh ich meine natürlich: erstrahlt im Lichterglanz von kindersicheren LED-Kerzen. Bei aller Verquertheit der heutigen Zeiten (die früheren waren jedoch mitnichten besser) bleib ich ein erschütterlicher Weihnachtsromantiker! :)
LG!
S.
P.S.;:
Und Dein Weihnachtsflöckchen, lieber gum, ist einfach grandios - was für ein süßer Maulwurf, der offenkundig im Jardin du Luxembourg zuhause ist!
Gerne würd ich über den wunderbaren Zeilen noch mehr schmuseflockenzartes Lob ausschütteln, aber zu diesem Behufe könnte doch ein Klon dieser Verse noch einen eigenen Thread aufmachen, oder? :) Es wäre mehr als verdient und äußerst Schade, wenn Dein schönes eigenständiges Gedicht hier ein bisschen verschütt ginge...

gummibaum

Re: Ein Weihnachtswölkchen
« Antwort #4 am: Dezember 10, 2020, 12:30:44 »
Danke, lieber sufnus.

Ich werde das Antwortgedicht einstellen.

Dir einen schönen Tag,

Liebe Grüße von gummibaum

Sufnus

Re: Ein Weihnachtswölkchen
« Antwort #5 am: Dezember 11, 2020, 11:45:27 »
Das freut mich!!! :)
Dir auch einen schönen Tag! :)
S.