Autor Thema: Was mich seit Monaten ärgert ....  (Gelesen 1021 mal)

hans beislschmidt

Was mich seit Monaten ärgert ....
« am: November 15, 2020, 11:32:25 »
Was mich seit Monaten ärgert ....

Im Wettlauf um den Coronaklassenprimus liefern sich augenblicklich Söder und Kurz ein Kopf an Kopf Rennen. Keine Rede davon, dass die Sommerzeit komplett verpennt wurde und nun in einem fragwürdigen Aktionismus die Lage nur verschlimmert wird. Wir stellen fest, dass die Aufhebung der Mobilitätseinschränkung und das Urlaubsgereise den Eindruck erweckt hat, alles wäre so wie früher, aber in Wahrheit würde wichtige Zeit verplempert.
Die systemrelevanten Berufe müssen nach wie vor den Kopf hinhalten, während sich Ämter und Versicherungen im Home Office verkriechen. Am deutlichsten zeigt sich das Fehlverhalten in Schulen und dem Transport der Schüler in Bus und Bahn.

* Es wäre mit geringen Mitteln ein Leichtes gewesen, beim Schülertransport die ganzen Busse der Touristikbranche einzusetzen, dort die entsprechenden Hygienekonzepte umzusetzen und mehr Fahrten mit kleineren Gruppen anzubieten.
* in den Schulen selbst tragfähige Lösunge  zu erarbeiten bei Belüftungen, Trennwände und Korridore zu erstellen. Passiert ist .... nichts.
* Antragsbarbeitung ...... beim Arbeitsamt, Ministerien und Versicherungen könnte man über Besucherräume mit Trennwänden und Durchreichen lösen. Stattdessen endlose Warteschleifen, ignorante Ansprechpartner und Achselzucken. Das ist das Schlimmste von allen und zeigt, dass diese neue Handhabung (Wegducken, Verleugnen und Zeit schinden) Teil einer kommenden Gesellschaftsordnung ist. Wenn es Altenheime hinkriegen, warum nicht die Ämter? So jedenfalls kann es nicht weitergehen.
* ich habe kein Problem damit die AHA Regeln zu befolgen und einen Mundschutz zu tragen aber dann ... Gleiches Recht für alle.
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Was mich seit Monaten ärgert ....
« Antwort #1 am: November 15, 2020, 12:10:11 »
Hi Hans!

Ja, es wurden und werden Fehler gemacht. Ja, die Politik schwemmt selten die wirklich Fachkompetenten nach oben an die Schalthebel der Macht. Ja, der Staat ist geizig und wartet lieber erst mal ab - jeder Staat. Denn ALLE Lösungen kommen teuer! Und ja, nicht alle Maßnahmen sind die jeweils besten, oder fair, oder überhaupt die richtigen.
Ja, viele hinterher logisch erscheinende Fakten und Schritte wurden vorher übersehen, und in den Ämtern sitzen nun mal nie die Nobelpreislaureaten und fühlen sich für Bürgerprobleme zuständig.

Alles wahr - aber mal ehrlich: Ist das Genörgel im Moment hilfreich oder nicht?

Das ist, was mich auch so an diesen Querdenkern nervt: Im Augenblick der Krise, wenn es ums Zusammenhalten und an einem Strick Ziehen geht - egal, wie man nun selbst dazu stehen mag - untergraben diese Nörgelchaoten den so nötigen Zusammenhalt und verhindern ein konsequentes Durchziehen der Entseuchung, in rücksichtsloser "Überzeugung" davon, es gäbe sie gar nicht! (Wie schon erwähnt unterstelle ich dir diese Haltung nicht!)

Ein guter Arzt hat gesagt: Wenn es ganz Europa je geschafft hätte, wirklich zugleich nur gerade mal 2 Wochen tatsächlich daheim zubleiben und wirklich niemanden zu treffen, wäre das Virus ausgerottet gewesen. Punkt.
Wenn die Soloselbstständigen, Kulturbetriebe und Gastrononie also nun leiden müssen, dann liegt das in meinen Augen nicht ursächlich primär an der behaupteten Inkompetenz der Regierungen, sondern am Mangel an Kooperationsbereitschaft der unbelehrbaren chronischen Leugner und Abstreiter, der wirren Verschwörungstheoretiker und der willensschwachen bis sorglosen Spaßgesellschaft, die nicht mal fähig zu sein scheint, auch nur ein paar Tage im Interesse aller ohne Wirtshausbesuch oder Partyhappening auszukommen!

Als ich diesen jungen, leicht verwahrlost wirkenden, krankgeschriebenen "Lehrer" im Fernsehen sah, wie er mit leicht irrem Blick und wahnhaftem Lächeln die Leute zum Mitsingen seiner "Wir-leugnen-fröhlich-mal-alles-Lieder" aufforderte, wollte ich ihm impulsmäßig sofort so richtig in die Fresse steigen! Zum Glück sah man ihm sofort an, dass er nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen ist ...
Oder die Quer-ulanten, die vor die Schulen zogen und heimgehende minderjährige Schüler aufhielten, aggressiv bedrängten und aufforderten, die Masken abzulegen und sich ihnen anzuschließen ...

Aber genau solche Idioten, möglicherweise (bewusst oder unbewusst) im Dienste eines politischen Kalküls undemokratischer Minderheiten sind es, die wirklich mit verhindern, dass wir den Erreger endlich erfolgreich aushungern! Oder zumindest so weit unter Kontrolle kriegen, damit wenigstens jeder Intensivpatient ein Bett erhält, um überleben zu können, wenn er es braucht! Arschlöcher!!!

LG, eKy
« Letzte Änderung: November 15, 2020, 12:22:52 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Was mich seit Monaten ärgert ....
« Antwort #2 am: November 15, 2020, 15:00:29 »
Hi Erich, klar, dass eine so große Bewegung wie Querdenker jede Menge Platz bietet für gesellschaftliche Spielchen und Wirrköpfe. Da ist von/bis ... alles vertreten und nicht alles dient der Sache.
Ich spreche aber jetzt von mir selbst und meinem Bekanntennkreis. Ich bin nach Gastro Theater Seniorenbegleitung Rentenbeginn jetzt als Kurierfahrer für unsere Apotheke tätig und komme zu unterschiedlichen Leuten. Altenheime, soziale Einrichtungen und Private. Da ist die AHA Regel einfach Standard. Die Leute klagen mir aber auch ihr Leid oder schimpfen über gewisse Umstände, meist über solche die den Alltag erschweren. Was ich meine, ist, dass ich sehr viel berechtigte Kritik höre und versuche die Leute zu positiv einzustellen. Den Alten sage ich manchmal .... " Alles noch besser als Krieg" oder den Jungen .... "Nächstes Jahr wird es vorbei sein" ...... obwohl ich glaube, dass es NICHT vorbei sein wird und die Politik anfängt an dieser Situation Gefallen zu finden. Das ist das eigentlich Besorgniserregende. Ich habe langsam Angst vor diesem Staat.
Schönen Sonntag.... ich warte noch auf den Saunaofen, alles andere ist schon fertig. Gruß vom Hans
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Sufnus

Re: Was mich seit Monaten ärgert ....
« Antwort #3 am: November 17, 2020, 09:59:55 »
Alles wahr - aber mal ehrlich: Ist das Genörgel im Moment hilfreich oder nicht?

Ja! Das "Genörgel" von Hans über die Existenzbedrohung von vielen Künstlern, Gastronomen und Kleinunternehmern ist in der Sache richtig und wichtig und sollte nicht damit abgetan werden, dass die Kritik "zeitlich grad a bissen ungünstig kommt" und jetzt allgemeiner Herdenauftrieb gefragt ist.

Wenn Hans so abgespeist wird, treibt man ihn ja geradezu in die Arme von dubiosen bis antisozialen Bauernfängern am extremistischen (derzeit vornehmlich rechten) Rand.

Der Aufstieg von Gestalten wie Trump, Bolsonaro und Orban, die eine echte Popularität in ihren Ländern gewonnen haben, hängt auch mit der Arroganz des linksliberalen gehobenen Bürgertums zusammen (der alte, zugegeben leicht angestaubte Begriff Bourgeoisie passt hier gar nicht so schlecht). Diese "bürgerliche Mitte" hat es sich letztlich ganz gemütlich in einer von Plutokraten (dem aktuellen Pendant zum seinerzeitigen 1. Stand) zunehmend dominierten Gesellschaft eingerichtet und scheißt auf die als "bildungsfern" und "doof" abqualifizierte untere Hälfte der Gesellschaft.

Das dies ein Nährboden für ein (letztlich natürlich autodestruktives) Wahlverhalten vieler Abgehängter ist, wird in seiner Tragweite einfach nicht kapiert. Nutznießer sind am Ende ironischerweise wieder Teile der obersten Eliten, die sich auch mit einem Autokraten ganz gut arrangieren können. Eigentlich ist das sogar viel bequemer als die blöde Demokratie, wo jeder ungefragt seine Bedenken äußern kann. Das "Bürgertum" aber wird genauso zu den Verlierern zählen wie die unteren Schichten.

Ich Teile die Sorge von Hans vor einem zunehmendem Autoritarismus und dieser unseligen Alternativlosigkeitsrhetorik (das sage ich als ein prinzipieller, aber eben auch kritischer Merkelfan!).
Ich teile nicht seine Hoffnung, im großen Fußballstadion des Widerspruchs gegen technokratische Willkür eine Ecke abseits der Hooligans finden und dabei der guten Sache dienen zu können.

LG!

S.

P.S.:
Das mit einem zweiwöchigen Radikal-Lockdown das Virus "ausgerottet" werden kann, ist sachlich unrichtig. Aufgrund tierischer Nischen für SARS-CoV2 ist eine Ausrottung weder mit Lockdown noch mit einmaliger Durchimpfung möglich. Zudem spricht viel dafür, dass viele Virusträger länger als die aus dem heiteren Himmel des Wunschdenkens gekommenen zwei Wochen infektiöse Partikel ausscheiden können. Es ist nicht einmal ganz auszuschließen, dass es symptomfreie Dauerausscheider geben könnte. Also: Ausrotten ist nicht.
Ein harter Lockdown ist m. E. trotzdem richtig, um die Intensivstationen noch einmal etwas zu entlasten. Aber man muss kreative Lösungen für diejenigen finden, die dabei existentiell bedroht werden. Und man muss aufhören, hinter Entwicklungen herzulaufen und in den Ruhephasen zwischen zwei Covid-Wellen einfach mal die notwendigen Pläne zu verschlafen.
Und im RKI (ich kann jetzt nur für Deutschland sprechen) müssen Köpfe rollen. Ehrlich gesagt, muss m. E. sogar der ganze Verein in Frage gestellt werden. Das RKI hat auf breiter Linie versagt, vermutlich durch die Kombination von fachlicher Inkompetenz in der Leitungsebene und einem falschverstandenen Selbstbild als einer "politisch" denkenden Institution, bei der Maßnahmen durch die Brille der Opportunität betrachtet wurden. Faktisch unsauber unterlegte Mantras wie "Schüler sind nicht ansteckend" oder "Ansteckungen finden im privaten Rahmen statt" sind klar politisch motiviert und haben nichts mit wissenschaftlicher Fundierung zu tun. In solchen Fragen keine laut vernehmliche wissenschaftliche Stimme erhoben zu haben, ist eine der fundamentalen Unterlassungssünden des RKI.
« Letzte Änderung: November 17, 2020, 10:05:31 von Sufnus »

hans beislschmidt

Re: Was mich seit Monaten ärgert ....
« Antwort #4 am: November 21, 2020, 19:32:19 »
Zitat
"Ausrotten ist nicht"
Sehr richtig, lieber Sufnus.
Wir werden noch Jahre daran zu knabbern haben und die Frage ...Wer hat Schuld?" ... wird sich nie klären, ebenso wie die Versäumnisse die zu Lasten des Staates gehen.
Das neue IfSG gibt dem Staat weiter Möglichkeiten in die Hand, die Unzufriedenheit und Denunziantentum weiter zu forcieren, bis hinein in die Unversehrtheit der eigenen Wohnung. Der Staat, der die Ausübung des Gewaltmonopols inne hat, wird durch das neue Gesetz uneingeschränkt gestärkt und hat jetzt das Recht bei Denunziationen mit dem Argument "Gefahr in Verzug" jede  Behausung zu stürmen.

Es ist erschreckend, wie kaltblütig und gezielt die Öffentlich Rechtlichen diese fast schon autokratischen Maßnahmen bejubeln und Kritiker und Demonstranten niederschreiben.
Hier geht es nicht um eine Leugnung der Pandemie, sondern um das schludrige Verhalten der letzten Monate, wo vernünftige Lösungsmöglichkeiten regelrecht verpennt wurden. Und jetzt sollen es Polizisten und Wasserwerfer Knall auf Fall richten?

Das Gesamtmaß der Ungleichbehandlung lässt eine derzeitige Schadensbegrenzung gar nicht nicht mehr zu und wird auch die nächsten Jahre präsent bleiben, weil knapp zwei Millionen Menschen ohne Hilfe im Ruin fest stecken. Die gesamte staatliche Fehlleistung und die daraus resultierenden Verwerfungen sind zu umfangreich, als dass man sie hier alle  auflisten könnte.
Das ist eine gesellschaftliche, wie auch eine finanzielle Katastrophe
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* die Nebenerscheinungen des neuen IfSG bringen auch die Sicherung der Grenzen auf den neuesten Stand, wo klammheimlich die illegale Migration heruntergefahren wird. Jetzt, auf einmal ist es doch möglich die Grenzen zu sichern, was vor drei Jahren noch als unmöglich galt. Man gewinnt hier den Eindruck, als ließe sich alles und jedes Problem mit der Formel des Infektionsschutzes lösen. Quasi im Schnelldurchgang wird im Bundestag und ein Tag später im Bundesrat ein Gesetz durchgepeitscht, ohne Ausschüsse, Ethikrat und Opposition, wofür man sonst Jahre gebraucht hätte.
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* gibt es überhaupt etwas Gutes an dem neuen Gesetz? Jeder hat seine persönliche Messlatte im Kopf und ich ertappe mich selbst eine gewisse Genugtuung dabei zu empfinden, dass dieses (für mich sinnentleerte) Lufthansarumgefliege und Kreuzfahrtgetümmel dieses Jahr eine Auszeit genommen hat. (Neid? Nee) ..Anderen geht es vielleicht beim Fußball oder Karneval so. Es ist einfach "too much of the same" und die Menschen verlieren das Gefühl von Vertretbarkeit und Zumutbarkeit. Ich fühl mich trotzdem schlecht dabei.
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* es enttäuscht mich auch das Opportunistische meiner Künstlerkollegen, die mit Demutshaltung wie Ertrinkende rumeiern.
Künstler glauben vielfach,  dass es genügt, wenn man sich den Spruch "ohne Kunst und Kultur wird's still" aufs Profil pinnt und damit wäre es getan.
Die Affinität zur Obrikeit, die bei vielen Künstlern vorherrscht, hat mit dem typisch deutschen administrativen System von Kunst und Kultur und dem hierarchischen Vergabesystem zu tun. Das züchtet den Gefälligkeitskünstler heran, der in der Nähe der Kulturämter und Senderprogrammchefs herum lungert und auf die Fütterungszeiten wartet. Das sind keine richtigen Künstler. Kunst muss frei sein, sonst ist sie nur Bittsteller.
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Und wie sieht unsere Zukunft aus?
Es wird die Werbetrommel gerührt für das Leben nach Corona. Der Zukunftsforscher Matthias Horx verteilt in Interviews gerne seine Placebos für eine bessere Welt aber es braucht weder mathematische noch volkswirtschaftliche Kenntnisse, um vorauszusagen .... " wir sind ganz schön am A****" und eine dekadente, gierige, machtgeile Gruppe von Politikern, Lobbyisten und Kapitalfuzzis stopft sich auf Kosten der kleinen Leute die Taschen voll.
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*bei alledem ärgert mich am meisten, dass ich es mir gefallen lasse sämtliche Kreativität zum Stillstand zu bringen. Noch nicht mal ein Schmähgedicht will mir von der Hand gehen.
Danke für deine Ausführungen. Bleibt alle gesund. Schönes Wochenende. Gruß vom Hans
« Letzte Änderung: November 21, 2020, 19:41:18 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)