Hi Jana!
Extrem langzeilig, könnte man sagen. Leider verliert sich der Reim nach Z2, das Ganze könnte also auch als simpler Prosatext ein eigenwilliger Staffelung durchgehen. Einzig die gehobene, fließende Sprache und die Inversion in Z4 verweisen auf eine lyrische Anmutung.
Die Frage die der Text aufwirft: Wie sehr können wir uns einander mitteilen? Bis wohin können wir einander ins Innerste folgen und noch verstehen, was wir dort sehen und noch erklärt bekommen? Wo versagt die Kommunikation mittels Sprache von Geist und Körper? Ab wann und wo sind wir "unteilbar"? Legt man die Bedeutung des Begriffs "Individuum" so aus, nämlich als "unteilbar" ebenso wie "unmitteilbar", dann bleibt uns nur, einander so hinzunehmen, wie wir eben sind, ohne allzu tief erforschen zu wollen, was den anderen an- und umtreibt.
Man könnte sagen: Wir sind Abgründe, die im Verlauf eines Lebens nicht mal sich selbst ganz auszuloten vermögen - wie können wir erwarten, dass uns das bei anderen gelingt? Oder dass wir den anderen so tief in uns selbst mitnehmen könnten, dass er uns ganz und gar begreift?
Wir sind eben sehr unterscheidlich von Art und Wesen, sehr unterschiedlich geprägt von Erlebnissen, gut wie schlecht, und unsere Umfelder und Kulturen statten uns mit zuweilen sehr unterschiedlichen Wahrnehmungsfiltern aus, oder indoktrinieren uns unbemerkt mit bestimmten Tabus, Blindheiten und Dogmen.
Wir decken die gesamte Bandbreite von möglichen Charakteren und Intellekten in beliebiger Kombination ab, quer dazu die ganze Skala vom total rationalen Kopfmenschen bis hin zum total Gefühlsausgelieferten, und jede Ausformung ist einzigartig und nur bedingt selbstanalytisch. wie fern muss uns da erst der andere bleiben!?
Dennoch macht die Liebe, diese Hormonterrorist, der nicht nach Logik oder Gründen fragt, es möglich, dass wir einander vertrauen, wie wir uns selbst nie vertrauen würden! Das macht möglich, dass wir uns trotz aller Unterschiede mögen und vertragen, zuweilen sogar ganz ausliefern und hingeben - auf gut Glück sozusagen. Denn was wir lieben, wenn wir lieben, ist niemals ganz der wahre andere Mensch - sondern immer nur ein (Ideal-)Bild, das wir uns von ihm machen, damit er uns umso liebenswerter erscheint.
LG, eKy