Hi eKy!
Wies der Zufall will: Da hab ich andernorts in meinem Faden zu traditioneller Lyrik das Thema Herbst bemüht und Du lieferst hier ein schönes Stück mit einer Herbstlyrik ab, die erfolgreich die große Klippe der "Deutung" umschifft.
Es ist ein schwer überwindlicher Reflex von uns Dichtern, dass wir der Suggestionskraft von Bildern oft allzusehr misstrauen und nach der Vorstellung des primären Sinneseindrucks auch gleich noch die finale Ausdeutung abliefern. Also ein Gedicht nach dem Muster: Draußen ist es Herbst, der Natur geht es ganz schlecht (primäres Bild) - und genauso schlecht geht es auch mir, weil es unaufhaltsam bergab mit mir geht (Deutung).
Diesen Kardinals"Fehler" hast Du genau nicht gemacht. Du bleibst bei der Natur, die zwar durch ihre Vermenschlichung (Kränklichkeit, Haarausfall) die Übertragung des Geschehens von der natürlichen zur menschlichen Ebene nahe legt, aber das führst Du eben genau nicht aus. Damit belässt Du dem Leser die Autonomie sich aus Deinem Bild das herauszupicken, was bei ihm persönlich haften bleibt (vielleicht ist es ja das tröstliche Bild der kastaniensammelnden Familie).
Also kein großes sufnöses Gemecker - nur zwei Korinthen:
- Wiederholung von "wirken" in S1 und S2. Vorschlag: S2Z1: Das Haupthaar vieler Bäume ist so schütter,
- Metrische Karambolage bei der Kastanie in S2Z3, die sich Kastánié sprechen lassen müsste, um im Jambus zu bleiben. So wie es in der Zeile dasteht, ist es eigentlich ein astreiner Daktylus.
Davon ab gefällt es mir aber sehr - das "riecht bedenklich" trifft sogar in bemerkenswerter Weise mein Humorempfinden... Schadenfreude gar beim Leser (=S.)?! Das arme Laub! Naja... eigentlich mag ich Laub und Laubgeruch.
LG!
S.