Autor Thema: Novemberlied  (Gelesen 1192 mal)

AlteLyrikerin

Novemberlied
« am: Oktober 12, 2020, 15:46:38 »
Wenn du bereit bist, dann ist alles dir beseelt.
Keinem Wort, keinem Gefühl, keinem Gedanken fehlt
die Lust sich jener blauen Sehnsucht zu ergeben,
die hinter grauen Nebeln noch verborgen ist,
und eines abgestorb'nen Blattes sanftes Schweben
rührt dich an wie ein Gebet, wenn du ganz offen bist.

So kannst du aller Wünsche Zwang entgehen,
und selbst die Ängste, die dich oft begleiten,
sind dann stumm. Weil dich die dichten Nebel leiten
in ihr Geheimnis, kannst du widerstehen
dem Wunsch zu sehen, wo nur Ahnen möglich ist.
Novemberkargheit lehrt dich, wenn du bereit bist.

Jana

Re: Novemberlied
« Antwort #1 am: Oktober 12, 2020, 16:46:45 »
Hallo AlteLyrikerin,

ich habe deine Verse zunächst einmal sehr gerne gelesen. Die Wortwahl gefällt mir insgesamt ausgesprochen gut und auch die Bilder, die ich mit deinen Versen assoziiere, sind wunderschön.
Ich stolpere allerdings etwas über den Titel mit der Einordnung deiner Verse als Lied. Für mich ist ein Lied immer rhythmisch und hat zumindest in Grundzügen ein geordnetes Metrum, welches ich in deinen Versen nicht erkennen kann. Daher habe ich nur mit der ersten Strophe mal ein bisschen rumgebastelt, um dem Liedcharakter Rechnung zu tragen und damit man sieht, was ich meine:

Bist du bereit, ist alles dir beseelt
und weder Worten noch Gedanken fehlt
die Lust, sich blauer Sehnsucht hinzugeben,
die hinter tristen Nebelschwaden späht,
und eines abgestorbnen Blattes Schweben,
berührt fortan dein Ich wie ein Gebet.


Ist natürlich alles höchst subjektiv und ich bedanke mich für die Inspiration, die ich aus deinen Versen schöpfen konnte.

Ich schicke dir liebe Grüße in den Oktober hinein!
Jana

Erich Kykal

Re: Novemberlied
« Antwort #2 am: Oktober 12, 2020, 18:26:37 »
Wenn du bereit bist, dann ist alles dir beseelt.
Keinem Wort, keinem Gefühl, keinem Gedanken fehlt
die Lust sich jener blauen Sehnsucht zu ergeben,
die hinter grauen Nebeln noch verborgen ist,
und eines abgestorb'nen Blattes sanftes Schweben
rührt dich an wie ein Gebet, wenn du ganz offen bist.

So kannst du aller Wünsche Zwang entgehen,
und selbst die Ängste, die dich oft begleiten,
sind dann stumm. Weil dich die dichten Nebel leiten
in ihr Geheimnis, kannst du widerstehen
dem Wunsch zu sehen, wo nur Ahnen möglich ist.
Novemberkargheit lehrt dich, wenn du bereit bist.

Hi AL!

Schönes Stück. Die Auftakte sind allerdings wechselnd: (b=betonter Auftakt, u= unbetonter)

S1 - ubuuub (Z1 lässt sich auch betont anlesen - gerade in ersten Zeilen, wenn der Takt noch nicht etabliert ist für den Leser, kann so ein "auslegbarer" Auftakt problematisch werden.)
S2 - uubuuu

Heberschema ist auch nicht regelmäßig:

S1 - 666666
S2 - 556566

Zudem gibt es einen klaren Senkungsprall in der letzten Zeile auf "du be-".

"Reparartur"-Vorschläge:

Sobald bereit du bist, ist alles dir beseelt,
und keinem großen Wort, Gefühl, Gedanken fehlt
die Lust, sich jener blauen Sehnsucht zu ergeben,
die hinter grauen Nebeln noch verborgen ist,
und eines abgestorbnen Blattes sanftes Schweben
berührt wie ein Gebet dich, wenn du offen bist.

So kannst du aller Wünsche Zwangsnatur entgehen,
und selbst die Ängste, die dich allzu oft begleiten,
sind stumm dann. Weil dich seelendichte Nebel leiten
in ihr Geheimnis, kannst du selig widerstehen
dem Wunsch zu sehen, wo nur Ahnen möglich ist.
Novemberkargheit lehrt dich, wenn bereit du bist.


Es gibt zwar so einige Inversionen mehr, aber der Takt bleibt ungebrochen und die Heberzahl ist durchgehend 6. Du musst dich natürlich nicht an meinen (eiligen) Vorschlägen orientieren, aber die aufgezeigten Schwächen (so du sie auch als solche betrachten willst) solltest du beheben.

Gern gelesen und beklugfummelt!  ;) :)

LG, eKy
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Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Novemberlied
« Antwort #3 am: Oktober 27, 2020, 14:47:37 »
Hallo Jana,


herzlichen Dank für Deine Gedanken zu meinem Text. Ja, ein klassisches regelmäßiges Metrum habe ich gar nicht versucht zu schreiben. Nur flüssig und gut sprechbar sollte der Rhythmus sein. Vielleicht darf es, dem elegischen Inhalt gemäß, doch ein Lied genannt werden?


Hi Erich,


auch Dir ein Dankeschön, vor allem auch für die "Beklugfummelung". Die nun entstandenen Inversionen und die Füllwörter, die so gar nicht meiner Intention entsprechen, erscheinen mir nun doch eher als eine Verschlechterung. Die Verse habe ich noch einmal laut gelesen, und ich finde nichts Störendes darin. Einem bestimmten Versmaß wollte ich gar nicht entsprechen.
Aber ich werde versuchen einmal ein regelmäßiges Metrum über die Zeilen zu legen ohne Inversionen und gezwungen wirkende Füllwörter. Sollte mir das gelingen, stelle ich die zweite Version auch hier ein.


Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.


P.S. Normalerweise antworte ich schneller. Aber aktuell geht es nicht.

Sufnus

Re: Novemberlied
« Antwort #4 am: Oktober 27, 2020, 16:44:55 »
Hi AL!
Ich hoffe es geht Dir und Deinen Lieben aber einigermaßen ok und es ist also nichts Gravierendes, was Dich von der Wiesentummelei abhält? Ich freue mich immer, wenn ich hier von Dir lese! :)
Beim Novemberlied bin ich zwar auch nicht so ganz mit dem für mich etwas unsanglichen Rhythmus einverstanden und schaue sehr irritiert gegen den "Reim" der beiden letzten Zeilen von Strophe 2 an... aber die Irritation ist eine von der guten Sorte, regt das Hirn an, das faule Luder, ohne den Blutdruck zu belasten. :)
Also trotzdem gerne gelesen! :)
Viele liebe Grüße!
S.

Agneta

  • Gast
Re: Novemberlied
« Antwort #5 am: Oktober 27, 2020, 19:10:16 »
ich denke, liebe AL, Kargheit geht immer Hand in Hand mit Bescheidenheit. Die Reduktion auf das Minimale zeigt uns, was für uns das Wesentliche ist. LG von Agneta

AlteLyrikerin

Re: Novemberlied
« Antwort #6 am: November 03, 2020, 14:55:51 »
Lieber Sufnus,


herzlichen Dank für Deine freundliche Nachfrage. Nein, ein ernsthaftes Problem habe ich, gottlob, nicht. Bin nur in meinen uralten Fehler zurück gefallen und habe nicht oft genug nein gesagt. (Von wegen, Alter macht weise.) Nun muss ich die lange Liste der Verpflichtungen erst einmal abarbeiten.


Liebe Agneta,


herzlichen Dank für Deinen treffenden Kommentar, der mir aus der Seele spricht.


Herzliche Grüße und gute Ideen gegen den Novemberblues wünscht Euch, Alte Lyrikerin.