Ui! Das gefällt mir gut!!!
(und nein: keine Belobigungsretourkutsche
).
Deine Zeilen sind sparsam gereimt, lesen sich fast ungereimt, sind aber - ganz banal gesagt - relativ lang und das verleiht den Versen Atem.
Ich glaube, viele ungereimte Gedichte (auch von mir) haben, so doof das klingt, einfach zu kurze Zeilen. Mit dieser Zeilenknappheit soll letzten Ende eine Abgrenzung von einem "richtigen" Prosatext erzeugt werden, der textliche Erguss also quasi auf Gedicht getrimmt werden.
Die Versuchung dazu ist groß, weil man ja dem Leser so zurufen will: Achtung, moderne Lyrik! Bitte nicht als Prosa missverstehen!
Ich finde es prima, dass Du dieser Versuchung hier widerstehst und so, ganz passend zum Thema, einen ruhigen Lesefluss ermöglichst. Der Sprachrhythmus ist dabei zunächst völlig frei, was den Text noch näher an das prosaische Reden rückt. Der "lyrische" Aspekt wird aber auch in den ersten Zeilen für mich aber durch die gehobene, bildreiche Sprache und den irgendwie "hymnischen" Gestus immer noch realisiert.
In den Zeilen 5 und 6 (bis zum Semikolon) wechselst Du dann etwas unvermittelt in ein gebundenes, durchrhythmisiertes Sprechen, das um der Metrik willen ein altertümliches Dativ-e (Aste) und die Inversion in Zeile 6 erzwingt. Das rückt den Text in dieser Passage etwas in die Nähe einer etwas unmodernen Übersetzung aus dem Lateinischen. In Zeile 7 und teilweise auch in Zeile 8 blitzt dann hingegen ein Reden wie zu Zeiten der Stürmer-und-Dränger auf.
Wenn ich überhaupt etwas Verbesserwisserisches zum Besten geben will, dann vielleicht die Frage, ob nicht ein noch etwas freierer Sprachrhythmus dem Text noch mehr Kraft schenken würde.
Und dann lasse ich noch eine Autorität vergangener Tage zum Thema Lyrik zu Wort kommen, weil in Deinen Zeilen ja braun, rot und Gräulichkeit eine wichtige Rolle spielen.
Ich betone aber, dass ich mir die folgende Meinung nicht zu eigen mache!!! Dennoch hier mal (einfach als harmloses Hintergrundsgegrummel) ein (von ihm damals sicher bewusst provokant formuliertes) Statement von Gottfried Benn:
"Beachten Sie, wie oft in den Versen Farben vorkommen. Rot, purpurn, opalen, silbern mit der Abwandlung silberlich, braun, grün, orangefarben, grau, golden — hiermit glaubt der Autor vermutlich besonders üppig und phantasievoll zu wirken, übersieht aber, daß diese Farben ja reine Wortklischees sind, die besser beim Optiker und Augenarzt ihr Unterkommen finden."
Wie gesagt... ich gehe da keineswegs mit, aber seit Big Benn das in seiner berühmten Rede zu "Problemen moderner Lyrik" vom Stapel gelassen hat, sollte man es als Dichter im Sinne einer Metaebene "mitwissen" (und dann gerne fröhlich ignorieren), wenn man Farben in Gedichten auffährt.
LG!
S.