Autor Thema: Wenn es dunkelt  (Gelesen 2203 mal)

Erich Kykal

Wenn es dunkelt
« am: August 10, 2020, 12:55:07 »
Mir dunkelt die Welt. Selbst in Sommers Girlanden
aus Licht scheint dem Zweifler kein Mut mehr vorhanden.
Mir dunkelt die Welt. Aus geronnenen Klagen
vermag mir kein Tag noch ein Neues zu wagen.

Mir dunkelt die Welt zu verschatteten Stunden.
Kein Glück mehr gesucht und auch keines gefunden.
Mir dunkelt die Welt in verschwimmenden Wellen
aus Gram, der mir blutet aus offenen Stellen.

Mir dunkelt die Welt. Ach wie ungezählt zog ich
erneut mich empor und manch Ungeschick bog ich
mir zu, dass es fröhlicher um mich gerinne -
ich kann es nicht mehr, und mir dunkeln die Sinne.

Doch nein, alter Knabe, so willst du nicht enden!
Ein weiteres Mal soll dein Atem sich wenden!
Ein weiteres Mal sei dir Unbill und Pein
getilgt mit den Worten: „Du bist nicht allein!“

Ich flute mein Leben mit Lichtes Versprechen
und fühle die Dämme der Dunkelheit brechen.
Es leuchte mir weiter auf schattigen Wegen
dem Ende der inneren Nächte entgegen.

Es dunkelt die Welt immer wieder im Leben -
die Rettung ist nicht, sich dem Schmerz zu ergeben.
Es dunkelt die Welt über Kummer und Sorgen,
doch endet die Nacht, folgt ein weiterer Morgen.
« Letzte Änderung: September 09, 2020, 17:26:11 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #1 am: August 10, 2020, 21:18:51 »
ein schmerzliches und doch wundervoll hoffnungsgebendes Werk, lieber Erich. Balladig im Daktylus, eigentlich Amphibrachis geschrieben fließt es wie ein Bach dahin.
In deiner Lebenssituation so etwas zu schreiben, fordert mir großen Respekt ab.
Lichtes Versprechen ist etwas unklar, hier käme ein Artikel besser oder vielleicht das Adjektiv licht? Klasse, Erich!
LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #2 am: August 11, 2020, 01:37:36 »
Hi Agneta!

Vielen Dank für die Blumen. "Lichtes Versprechen" ist eine Genitivkonstruktion: "Versprechen des Lichtes".

An "meine Situation" habe ich beim Schreiben gar nicht gedacht, aber ja, könnte auch da passen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Eleonore

  • Gast
Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #3 am: August 11, 2020, 18:46:54 »
Das ist eines Deiner Hoffnung gebärenden Gedichte, Erich.

Sich nicht dem Schmerz anheim geben,
obwohl doch alles in einem danach schreit,
sondern dem Lichten, dem Schönen und der Hoffnung seinen ihm zustehenden Platz einräumen.

Zufällig las ich vorhin über Frauen, die den Gulag in der Sowjetunion überlebt haben:
 Bücher, Poesie und "das Schöne" haben sie aufrecht gehalten.

Manche Deiner Gedichte kommen mir vor,
als wären sie aus dem Stein heraus gemeißelt worden.
Stein, die dichteste Materie , die Du befreist und das Lichteste schaffst,
nämlich das Hoffnung gebende Wort.

Machst Du eigentlich Lesungen?

Sehr gerne gelesen und mitgeschwungen.

Eleonore
« Letzte Änderung: August 11, 2020, 19:02:22 von Eleonore »

Erich Kykal

Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #4 am: August 11, 2020, 22:28:25 »
Hi Eleonore!

Vielen Dank für die freundlichen und lobenden Worte!  :)

An sich würde ich schon Lesungen machen, indes, in meiner Gegend interessiert sich kaum einer für Lyrik, und da ich keinen Kontakt zur literarischen Welt Österreichs habe, werde ich mangels Bekanntheit natürlich auch nie irgendwohin eingeladen. Weiter als 50 km würde ich für sowas allerdings auch nicht fahren wollen.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Eleonore

  • Gast
Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #5 am: August 12, 2020, 08:52:49 »
Hallo Erich,

Lyrik wird ja nirgends wirklich gepflegt.
In meiner Stadt - ca. 140 000 Einwohner - gibt es auch so gut wie keine Lyrikveranstaltungen.

Ab und an gibt es diese Lyrikwettbewerbe - Poetryslams.
Ich kenne sie nicht wirklich,
habe aber den Eindruck, es geht halt um "höher-schneller-weiter",
also eines der Grundprinzipien der aktuellen Gesellschaft.
Daher glaube ich, dass es gut ankommt.
Vllt. täusche ich mich auch.

Man kann sich ja auch selber ins Gespräch bringen....
oder das Lesen anbieten.

Ich habe deswegen nachgefragt,
weil ich glaube,
dass genau Deine Gedichte, die so hoffnungsvoll stimmen,
für Menschen in schweren Lebenslagen Balsam wären.


lg Eleonore
« Letzte Änderung: August 12, 2020, 08:54:36 von Eleonore »

Erich Kykal

Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #6 am: August 12, 2020, 11:47:45 »
Hi Eleonore!

Wem meine Werke wohltun (obwohl ich oft den Vorwurf höre, insgesamt zu negativ, zu traurig zu schreiben), der kann sie ja hier lesen. Fünf Bücher gibt es auch, die kann man bei mir bestellen.

Diese "Poetry-Slams" haben für mich eher wenig mit dem zu tun, was ich unter "Poetry" verstehe. Es ist im Grunde ein Wettrappen ohne Musik, atemlos, gehetzt - eigentlich Schnellsprechwettbewerbe: wieviel kriegt man unter in den paar fixierten Minuten Redezeit?
Meine Poesie will getragen, kontemplativ und leise vorgetragen sein, soll nachdenklich stimmen, nicht aufpeitschen. Das würde sich mit dieser Konkurrenzsituation dort so gar nicht vertragen. Außerdem habe ich nicht das Bedürfnis, mich poetisch mit anderen zu "messen", ich finde den Gedanken lächerlich. Ich habe es nicht nötig, mir durch subjektive Siege ein positiveres Selbstwertgefühl zu vermitteln.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Eleonore

  • Gast
Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #7 am: August 12, 2020, 17:19:19 »
Hi Erich,

hattest Du meinen Beitrag so verstanden,
dass ich mir Dich auf einem poetry-slam vorstellen könne??

Ganz sicher nicht!

Ich könnte mich dort auch nicht umtun,
da für mich Druck ein Kreativitätskiller der ersten Sorte ist.

Ich finde nicht, dass Du zu depressiv schreibst -
das ist aber vllt. Mentalitätssache.

lG Eleonore

Erich Kykal

Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #8 am: August 12, 2020, 20:50:06 »
Hi Eleonore!

Nein, ich habe dich schon richtig verstanden, ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich derselben Ansicht bin, was diese Slams (Schon der Name: Das englische Wort für "Hieb oder Schlag" ...  ::)) angeht.

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #9 am: August 13, 2020, 12:57:12 »
Lieber Erich,

Dunkelheit und Licht, die beiden Seiten im Leben, stellst du in ihrem Streit um die Seele sehr plastisch dar und lässt das Licht -wie schön- die Oberhand gewinnen.

Chapeau von gummibaum 

Erich Kykal

Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #10 am: August 16, 2020, 18:52:35 »
Hi Gum!

Oft wird mir vorgeworfen, alles allzu traurig, hoffnungslos und negativ darzustellen. Da muss man ab und zu gegenhalten ...  ;)

LG, eKy
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Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #11 am: August 22, 2020, 16:38:40 »
Hallo Erich,

die ersten drei Strophen Deines Gedichtes gefallen mir sehr gut. Das Leiden des lyrischen Ich, seine abgrundtiefe Verzweiflung werden in stimmigen Bildern beschrieben. In der vierten Strophe kommt plötzlich der Umbruch; völlig unverständlich und unmotiviert. Fast wie bei einem manisch depressiven, der von todessehnsüchtig plötzlich umschlägt in hyperaktiv.
Woher soll denn so plötzlich der Hoffnungshorizont kommen für einen, der eben noch aus seinen Wunden blutend, von sich verdunkelnden Sinnen sprach? Das ist mir persönlich zu unvermittelt, und kommt mit dem "nein, alter Knabe" auch reichlich burschikos daher, dem Sprachduktus der vorausgegangenen Strophen nicht entsprechend.
Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Erich Kykal

Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #12 am: August 22, 2020, 21:33:55 »
Hi AL!

Deine Ansicht unbenommen, aber ich erlebte es selbst so: Dieses ruckartige Sichaufraffen, wenn Selbstmitleid und Depression über einem endgültig zusammenzuschagen drohen - einfach weil es nur so geht: Augen zu und durch! Würde man lange überlegen, bedenken und vorausplanen, es gäbe immer genug, was dann wieder genug Zeit hätte, einen runterzuziehen und zu entmutigen, was einen dann weiter im Tran hält.

Manchmal funktioniert es mit so einem lauten, selbsthypnotisch polternden, bekräftigenden "Hauruck" eben am allerbesten ...

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
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a.c.larin

Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #13 am: September 09, 2020, 16:04:03 »
hallo erich,


im dunkeln ist gut munkeln, sagt das sprchwort   - trifft auf dieses gedicht voll zu : gut gemunkelt, würde ich sagen.

bin auch (angenehm) überrascht von der inhaltlichen wendung zum lichte. wird unser eky altersmilde?    ;D

allerdings bin ich über (des) Lichtes Versprechen  beim Lesen auch dreimal gestolpert, ( weil der Artikel fehlt) - und habs dann nur verstanden, weil ich weiß, wie du beim schreiben hintenherum tickst. ach ja, der genitiv.....

wo's mich aber wirklich rausgeworfen hat, war die letzte zeile :


doch auf jede Nacht folgt ein weiterer Morgen.


echt jetzt? so , wie das ganze gedicht gebaut ist, ist jede zweite silbe in jeder zeile betont   - das "auf " betont zu lesen, klingt aber nicht so toll.


wie wärs z. b. mit : doch endet die nacht, folgt ein weiterer morgen.


habs gerne im dunkeln gelesen! hält aber auch dem tageslicht stand.  ;)

lg, larin

Erich Kykal

Re: Wenn es dunkelt
« Antwort #14 am: September 09, 2020, 17:12:20 »
Hi larin!

Ich habe zwar keine so großen Probleme mit dem betonten "auf", aber ich gebe gern zu (auch wenn meine Version die Aussage etwas griffiger verdeutlicht), dass deine Lösung sprachlich gediegener ist. Wird daher gern aquiriert - und vielen Dank dafür!  :)

Aber jetzt mal Tacheles: Seit wann ist der schöne (und korrekte!) Genitiv "beim Schreiben hintenherum"!? Und was genau soll das eigentlich bedeuten? Ja, geht's noch ...  :o ::)

Abgesehen davon: Vielen Dank für die Belobigung meines Werkes!  :)

Altersmilde bin ich übrigens schon seit gut 20 Jahren! Davor war ich jugendmilde ...  ;) ;D


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
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