Autor Thema: Der berühmte Baum/Bein  (Gelesen 1079 mal)

hans beislschmidt

Der berühmte Baum/Bein
« am: Juni 26, 2020, 16:50:07 »
(neue Version von Erich)

Das berühmte Bein

Grad dachte ich: Na wunderbar,
jetzt könnte doch mein Tod passieren!
Schon seit dem sechsundsechszger Jahr
hab ich doch nichts mehr zu verlieren!

Ich war mir immer weit voraus,
und pisste stur an jedes Bein!
Doch lernte etwas ich daraus?
Man möchte glauben: eher nein.

War Wildschwein oder Fuchs, wie's passte,
zu laut und zweimal fast verreckt,
Die Welt, in der ich so lang prasste,
will sie mich wieder, leicht verdreckt?

Egal ...

Was war und hätte können sein
in diesem tollen Lotterleben,
kam wie es kam. Ich schenkte ein:
die Trottel mögen mir vergeben.

+++++++

(Alte Version vom Beisl)

Der berühmte Baum

Grad gestern noch dacht ich hie und da,
jetzt könnte doch mein Tod passieren
und nach dem sechsundsechziger Jahr
hab ich doch nichts mehr zu verlieren.

Gezeugt? Dem Leben noch voraus?
An den berühmten Baum gebrunzt?
Vielleicht auch ans berühmte Haus?
Den braven Gang bestimmt verhunzt.

War Wildschwein oder Fuchs, wie's passte,
nie schweigen und zwei mal fast verreckt,
Die Welt, die mich so lang bespasste,
nimmt sie mich zurück - auch leicht verdreckt?

egal ...

Was war und hätte können sein in diesem Lotterleben ...
Wie's auch gekommen ist - die Trottel mögen mir vergeben.
« Letzte Änderung: Juni 27, 2020, 23:28:40 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Der berühmte Baum
« Antwort #1 am: Juni 26, 2020, 20:05:04 »
Hi Hans!

Sorry, aber hier kann ich nichts loben. Abgesehen vom ordinären "brunzen", dessen Verwendung ohnehin für klassische Lyrik indiskutabel ist, machst du hier einige metrische Schnitzer - ja, man muss dieses Elaborat nennen, wie es dem Leser erscheint: Schlampig, es wirkt wie eilig hingeschmiert, ohne jegliches Achten auf Satzmelodie oder lyrischen Takt.

Zudem wird vieles nicht erklärt. Welcher "berühmte Baum", welches "berühmte Haus" sind gemeint, oder wofür stehen sie?

Der Originaltext:

Grad gestern noch dacht ich hie und da,
jetzt könnte doch mein Tod passieren
und nach dem sechsundsechziger Jahr
hab ich doch nichts mehr zu verlieren.

Gezeugt? Dem Leben noch voraus?
An den berühmten Baum gebrunzt?
Vielleicht auch ans berühmte Haus?
Den braven Gang bestimmt verhunzt.

War Wildschwein oder Fuchs, wie's passte,
nie schweigen und zwei mal fast verreckt,
Die Welt, die mich so lang bespasste,
nimmt sie mich zurück - auch leicht verdreckt?

egal ...

Was war und hätte können sein in diesem Lotterleben ...
Wie's auch gekommen ist - die Trottel mögen mir vergeben.


xXxXxXXxX
xXxXxXxXx
xXxXxXxxX
xXxXxXxXx

xXxXxXxX
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xXxXxXxX
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XxXxXxXxX

xX

xXxXxXxXxXxXxXx
xXxXxXxXxXxXxXx


Zu dieser seltsamen Form mit den beiden extrem überlangen letzten Zeilen habe ich mich anderswo ja schon geäußert, und bestimmt nicht sonderlich positiv.

Der Sprachstil ist recht schleißig, fast verworren, ein Lamento oder Wutausbruch? Ein depressiver Ausbruch? Mit der Formulierkunst bezüglich Satzbau und Ausdruck ist es nicht weit her mit diesem LyrIch, hier kann man bestenfalls ein "mangelhaft" vergeben. zB der unvollständige Satz in S2Z4: Den "braven Gang" WOVON hat WER/WAS verhunzt?

Genau genommen wird man aus der gesamten 2.Str. nicht schlau. Fragt sich das LyrIch ernsthaft, ob es gezeugt wurde?? - Na, aus Lego wurde es bestimmt nicht gebaut ...  ::) Oder fragt das LyrIch, ob es selbst schon jemanden gezeugt hat, also Vater geworden ist? Na, auch darüber sollte es Bescheid wissen, oder?!
Völlig unzusammenhängend geht es mit der Frage weiter, ob man dem Leben noch voraus sei (worin und wozu genau bleibt unerklärt) - was hat das mit der Zeugung zu tun? Dann der angepisste Baum, das angepisste Haus - was sollen denn diese Bilder bedeuten!?
Diese ganze Str. könnte man einfach weglassen, dann würde der Rest zumindest marginal Sinn ergeben ...

S3 - Der Reim "passte/bespaßte" ist unrein, da ersteres Wort einen kurzen Vokal "a" hat, letzteres einen langen. Dementsprechend schreibt man das eine dann auch mit "ss" nach kurzem Vokal, bzw. "ß" nach langem Vokal. Haste auch falsch.

Zudem scheint das LyrIch kein sehr netter Kerl zu sein  ;), wenn er zuletzt schreibt, dass ihm die Trottel vergeben mögen, das atmet eine unangenehme Hybris und Herablassung.

Versuch einer metrisch sauberen und sprachlich korrekteren Version zum Vergleich:

Grad dachte ich: Na wunderbar,
jetzt könnte doch mein Tod passieren!
Schon seit dem sechsundsechszger Jahr
hab ich doch nichts mehr zu verlieren!

Ich war mir immer weit voraus,
und pisste stur an jedes Bein!
Doch lernte etwas ich daraus?
Man möchte glauben: eher nein.

War Wildschwein oder Fuchs, wie's passte,
zu laut und zweimal fast verreckt,
Die Welt, in der ich so lang prasste,
will sie mich wieder, leicht verdreckt?

Egal ...

Was war und hätte können sein
in diesem tollen Lotterleben,
kam wie es kam. Ich schenkte ein:
die Trottel mögen mir vergeben.


xXxXxXxX
xXxXxXxXx
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xX

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xXxXxXxX


Weißt du, ein bißchen mehr Mühe geben könntest du dir wirklich, was klaren, sauberen Takt betrifft und klare Aussagen in eindeutig deut- und zuordnungsbaren Bildern.
Sonst könnte man denken: So schlampig, wie der seine Werke "hinschmeißt", nimmt er die Lyrik - oder den Leser - nicht ernst. Oder er kann's nicht besser ...

Aber darüber haben wir ja auch schon gesprochen. Oder nein: ICH habe darüber gesprochen. Du hast es danach nur wie üblich leichthin abgeschmettert mit irgendwelchem diffusen Blabla ...  ;) ::)

LG, eKy
« Letzte Änderung: Juni 26, 2020, 20:12:49 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

hans beislschmidt

Re: Der berühmte Baum
« Antwort #2 am: Juni 27, 2020, 16:59:52 »
Hi Erich,
Welch eine Freude dich zu lesen, wenngleich du (Greetzbacke) mal wieder mit dem falschen Fuß aufgestanden bist. Hach ich kenn das nur zu gut ...

Gestern früh bin ich auf unserer Terasse gestanden, mit einer Tasse Kaffee in der Hand, hab das Grün um unser Haus bewundert und gedacht ... das ist also dein 66ster Geburtstag? So fühlt es sich also an und mein Blick fiel auf die zwei Rotdornbäumchen, die ich letzten Herbst gepflanzt habe, dabei dachte ich an das "berühmte" Zitat ...

Ein Mann sollte ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und einen Sohn zeugen. Einen Sohn? - warum nicht eine Tochter? Ich habe mich gerärgert und gleich danach gegoogelt wo dieses altpatriachalische Zitat herkommt und wie bei den meisten Sprüchen dieser Güteklasse aus der Bibel oder aus dem der Tora. "Diese lehrt eine Lebensregel, dass der Mensch zuerst ein Haus baue, einen Weinberg pflanze und erst dann eine Frau nehme. " Später wurde das Zitat von Montesquieu, David Hume und Luther verwandt. Ich erinnerte mich aber noch dunkel, dass es ein Maturathema in Deutsch war.

Ich beschloss spontan ein Gedicht daraus zu machen mit eben diesem Zitat als Kernstück und wählte dazu als Gefichtform das Shakespeare Sonett, auch weil es für ein Entwicklungsthema so geeignet ist. Die Shakespeares Sonette haben eine bestimmte Struktur; jedes besteht aus 3 ‘quatrains‘ und einem ‘couplet‘, eine Art Schlussfolgerung oder Erkenntnis, die sich aus dem Sonett ergibt. Ich überlegte weiter, es auf der Wiese einzustellen, auch weil ich dachte, oh Menno, das kennt der Erich sicher nicht und schreibt hernach einen schönen Kommentar. Du siehst, Erich, ich lag nicht daneben mit meiner Vermutung, denn Form und Art haben dein Interesse mehr als geweckt. Ich freute mich auch an dem Gedanken, dass dein geliebter Rotstift nervös zwischen Daumen und Zeigefinger pendeln würde, wenn mein Werk auf kykalianischen Prüfstand käme. Das kleine Geburtstagssonettchen war auch Zack Zack hehe nach 20 Minuten fertig und siehe da, ich brauchte gar nicht viel umzustellen, als ich das Ding durch Glorfindels (Admin bei dieLyriker) Metrik App jagte........
.
Zitat
Str.:1, Ver.:1 Grad ge-stern noch dacht ich hie und da,
Str.:1, Ver.:2 jetzt könn-te doch mein Tod pas-sie-ren
Str.:1, Ver.:3 und nach dem se-chund-sech-zi-ger Jahr
Str.:1, Ver.:4 hab ich doch nichts mehr zu ver-lie-ren.

Str.:1, Ver.:1 Silben: 9   Betonung: xXxXxXxxX   Versfuß: Unbestimmt
Str.:1, Ver.:2 Silben: 9   Betonung: xXxXxXxXx   Versfuß: Jambus
Str.:1, Ver.:3 Silben: 9   Betonung: xXxXxxXxXx   Versfuß: Unbestimmt
Str.:1, Ver.:4 Silben: 9   Betonung: XxXxxXxXx   Versfuß: Unbestimmt

Reimschema(Strophe): abcb


Str.:2, Ver.:1 Ge-zeugt? Dem Le-ben noch vo-raus?
Str.:2, Ver.:2 An den be-rühm-ten Baum ge-brunzt?
Str.:2, Ver.:3 Viel-leicht auch ans be-rühm-te Haus?
Str.:2, Ver.:4 Den bra-ven Gang be-stimmt ver-hunzt.

Str.:2, Ver.:1 Silben: 8   Betonung: xXxXxXxXx   Versfuß: Jambus
Str.:2, Ver.:2 Silben: 8   Betonung: xXxXxXxX   Versfuß: Jambus
Str.:2, Ver.:3 Silben: 8   Betonung: xXxXxXxX   Versfuß: Jambus
Str.:2, Ver.:4 Silben: 8   Betonung: xXxXxXxX   Versfuß: Jambus

Reimschema(Strophe): abcb


Str.:3, Ver.:1 War Wild-schwein o-der Fuchs, wie's pass-te,
Str.:3, Ver.:2 nie schwei-gen und zwei mal fast ver-reckt,
Str.:3, Ver.:3 Die Welt, die mich so lang be-spass-te,
Str.:3, Ver.:4 nimmt sie mich zu-rück auch leicht ver-dreckt?

Str.:3, Ver.:1 Silben: 9   Betonung: xXxXxXxXx   Versfuß: Jambus
Str.:3, Ver.:2 Silben: 9   Betonung: xXxXxXxxX   Versfuß: Unbestimmt
Str.:3, Ver.:3 Silben: 9   Betonung: xXxXxXxXxx   Versfuß: Jambus
Str.:3, Ver.:4 Silben: 9   Betonung: XxXxXxXxX   Versfuß: Trochäus

Reimschema(Strophe): abcb


Str.:4, Ver.:1 Was war und hät-te kön-nen sein in die-sem Lot-ter-le-ben ...
Str.:4, Ver.:2 Wie's auch ge-kom-men ist die Trot-tel mö-gen mir ver-ge-ben.

Str.:4, Ver.:1 Silben: 15   Betonung: xXxXxXxXxXxXxXxx   Versfuß: Jambus
Str.:4, Ver.:2 Silben: 15   Betonung: xXxXxXxXxXxXxxXx   Versfuß: Unbestimmt

Reimschema(Strophe): ab

.

Da wäre dann noch die metaphorische Aussage und da ich weiß, wie sehr du von den Römerschen Suchspielchen genervt bist, hatte ich beschlossen auf ganz einfache Art die einzelnen Verse zu interpretieren.....

++++++

V1 die Momentaufnahme beim Rückblick am Geburtstag fällt nüchtern und desillusioniert aus. Es ist eigentlich alles ge(ver)tan im Leben. Das Derivat ist spärlich ausgefallen, der Lustgewinn in Maßen, das Eigenlob gestrichen.

V2 hab ich gezeugt? - nicht das ich wüsste (zwei Söhne adoptiert) aber das Leben ist ja noch nicht zu Ende. Baum gepflanzt und Haus gebaut? Welch eine depperte Klassifizierung, als ob so was von Bedeutung wäre. Die Laudatio über das rechtschaffene, fleißige Dasein, den aufrechten Gang der Prinzipientreue und am Ende vielleicht die rudimentär vorhandene Gottesfürchtigkeit (bescheuertes Wort) .... all das ist nichts wert und nur jämmerliche bürgerliche Tünche. Forget it.

V3 ich mag Fabeln, wie du ja weißt. Als Wildschwein wälzt man sich gern im Dreck oder beißt aggressiv zu. Als Fuchs darf man einem Streit auch aus dem Weg gehen und trotzdem gewinnen. Rückblickend hab ich mich eher schmutzig gemacht aber niemand über den Tisch gezogen. Gibt es nach dem Tod so eine Art Schwacke-Liste wie bei gebrauchten Autos? Was wäre ich dann im Jenseits? Einer mit den üblichen Gebrauchsspuren oder doch eher zum Verschrotten?

V4 das ominöse Couplet und ja, das hat es in sich, denn der Fatalismus eines Lotterlebens beschert zeitgleich mit der Bitte um Vergebung noch einen Tritt für alle Trottel, die es nicht geschnallt haben und ein gedrucktes Leben in Habachtstellung vor ihren Herren erduldet haben.

+++++++++++++!

Jetzt noch zu deiner Kritik am Brunzen...
Warum wähle ich dieses schändliche Wort wohl? Sicher nicht dem Reim "verhunzt" geschuldet, nein, es ist der Peitschenhieb, der schmerzen muss in seiner Vulgarität und Offenheit. Ich schreibe nicht fürs Kämmerlein, eher für lebendige Menschen live und ohne Wasserglas oder romantische Kerze. Jetzt, hier und heute.
Ich erinnere mich an dein Werk der Lebensreflektion, welches auch eine abgeklärte und düstere Position vertrat. Die meinige ist die eines schlampigen Straßenköters, der nach 30 Jahren Kneipe und Theater völlig anders tickt, das heißt... nächtelange Wortgefechte, saufen, auch sich prügeln machen aus einem Menschen keinen androgynen Leisetreter. Nein, entweder du kommst durch oder du hast komplett geloost und bist mit Leberschaden gescheitert.

+++++++

Es gibt hier auf der Wiese so viele kluge, kreative, belesene und emphatische Menschen, dass es kaum zum Aushalten ist. Ja, das ist löblich und ich lese auch gerne deren sensiblen Wortgeschöpfe aber das ist nun mal nicht mein Ding. Was hätten sich Francois Villion und Rilke wohl zu sagen, so sie sich denn getroffen hätten? Wenig, eben.

+++++++!

Lieber Erich, ich hoffe ich konnte Text und Intention in eine verständliche Form gießen. Für deine Textvorschläge danke ich und werde etliches verwenden, mehr davon morgen - doch jetzt muss die Honda raus in die Sonne.
Schönen Sonntag.
Gruss vom Hans

 ;D ;D ;D

https://falschzitate.blogspot.com/2018/04/ein-mann-soll-in-seinem-leben-einen.html

https://freie-referate.de/englisch/how-to-analyze-a-shakespearean-sonnet-sonettanalyse



« Letzte Änderung: Juni 27, 2020, 17:18:46 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)

Erich Kykal

Re: Der berühmte Baum
« Antwort #3 am: Juni 27, 2020, 19:21:36 »
Hi Hans!

Natürlich kommt die Frau zuletzt, erst nach Hausbau und Weinberg: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, nicht wahr? Zudem braucht er ja zuerst das Haus, um bei seiner Blödheit überhaupt ein verzweifeltes Weibchen anzulocken und es dann unterzustellen, und zuerst den Weinberg, um sich die Trulla schönzusaufen!  ;D >:D ;D >:D

Okay - stimmt nicht. Das ist HEUTE so. Damals wurden die gehorsamspflichtigen Mädchen einfach gehandelt wie Vieh ...  ;) ::)


Die Form des Shakespeare-Sonnetts, die ich kenne, hat drei (oder sogar vier) Vierzeiler und einen Zweizeiler von gleicher metrischer Länge. Der Auftakt bleibt gleich und die Kadenzen sind ebenso durchgehend weiblich.
Deine Version mag es wirklich geben oder nicht, aber meines Wissens bist du ohnehin der einzige, der sie verwendet.

Und metrische Fehler wie Hebungs-, Senkungspralle oder falscher Auftakt (deren 4 Stück ich dir aufzeigte) mittendrin bleiben in jedem Falle falsch, selbst wenn es deine "Sonettversion" wirklich so gibt. Davon, dass das Sonett keine Kadenzenwechsel mag, ganz zu schweigen ...


Meine Kritik bleibt aufrecht: Wie soll ein Leser ohne Kenntnis des zugrundeliegenden Zitats, das ja nirgendwo erwähnt wird, oder ohne Kenntnis deiner Bezugnahme darauf wohl verstehen, worauf deine Zeilen anspielen?
Ich kenne das Zitat, aber beim Lesen deiner Verse kam ich nicht auf diesen Bezug (u a. auch dadurch, dass der Weinberg nie Erwähnung fand im Gedicht). Das müsste vorab erläutert werden, oder im Gedicht in einer eigenen Strophe erklärt werden.


LG, eKy
« Letzte Änderung: Juni 27, 2020, 19:23:39 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Der berühmte Baum
« Antwort #4 am: Juni 27, 2020, 19:36:12 »
 Hi Hans,

bei dem berühmten Baum dachte ich, der Baum, an dem ein Schwein sich kratzt, also ist die Rede von einem LI, das die Meinung anderer nicht juckt, der zu sich selbst steht, die Gruppe nicht braucht und eher unkonform ist. Diese Aussahe gefällt mir für ein Sonett gut, kommt sie doch meiner Lebenseinstellung nahe.
Nun ist dein Werk aber in sich etwas verworren, sodass man dem Gedankengang schlecht folgen kann.Also habe ich , entgegen meiner üblichen Art, die Kommentare gelesen. Du hast ausführlich erklärt, meine These bestätigt sich also. Ich denke jedoich, wenn man so viel erklären muss, dann hat das Werk Schwächen, an denen man feilen muss. ich sehe diese hier:

könnte der Tod passieren. Konjunktivisch. Ist also nicht passiert.
Dann frage ich mich, weshalb die Welt ihn zurücknehmen soll? Da ist ein logischer Denkfehler. Ausgehend von einer  Nahtoderfahrung jedoch würde es passen.
Beim Baum, ok, da kennt man das Bild, das ich oben nannte. Beim Haus jedoch kann ich mir nix vorstellen. Das berühmte Haus...?
Gezeugt, dem Leben noch voraus. Steht völlig verbindungslos da und man bezieht es, da es kein Subjekt hat, objektivisch auf das Ich... das ich wurde gezeugt. Ist aber laut Kommi nicht gemeint.
Den braven Gang verhunzen... nee, verpatzt, verloren , irgendsowas.
brunzen musste ich googeln, ist wohl ein österreichisches Wort.
Die Trottel lese ich auch eher überheblich. Auch, wenn ein Einzelgänger aufd ie anderen wenig Wert legt, muss er nicht unbedingt ein Narziss sein.
Trottel ist nicht gut. Wenn schon, dann würde ich es ironisch machen, Ich selber kann mir gut verzeihen... oder so.

Von der Metrik her, hat Erich natürlich recht. Im Gegenteil, es fehlen auch die regelmäßigen Hebungszahlen. 5 sollten es sein. Moderne Sonette verkaufen sich gerne mit 4, aber nicht mal das ist hier gegeben. Die letzten beiden Zeilen haben 7, den Rest bin ich zu faul zu zählen.

Könnte ein starkes, provokantes Sonett sein sein, wenn du es zu einem machen möchtest.

LG von Agneta




Grad gestern noch dacht ich hie und da,
jetzt könnte doch mein Tod passieren
und nach dem sechsundsechziger Jahr
hab ich doch nichts mehr zu verlieren.

Gezeugt? Dem Leben noch voraus?
An den berühmten Baum gebrunzt?
Vielleicht auch ans berühmte Haus?
Den braven Gang bestimmt verhunzt.

War Wildschwein oder Fuchs, wie's passte,
nie schweigen und zwei mal fast verreckt,
Die Welt, die mich so lang bespasste,
nimmt sie mich zurück - auch leicht verdreckt?

egal ...

Was war und hätte können sein in diesem Lotterleben ...
Wie's auch gekommen ist - die Trottel mögen mir vergeben.
[/quote]

hans beislschmidt

Re: Der berühmte Baum
« Antwort #5 am: Juni 27, 2020, 23:15:37 »
Hi Erich,
Die untergehende Sonne war heute ein Traum im schönen Bliesgau und ich habe die neuen Bridgestone Reifen eingefahren. Welch ein Glück hier in dieser Idylle zu leben.

Dein Textvorschlag hab ich mir jetzt noch mal genau durchlesen und er ist wie gewohnt umsichtig geglättet. Vielen Dank. Es ist jetzt zwar kein sperriger Beisl mehr und ich habe dem Baumbrunzen auch Ade gesagt, es sei denn, du kannst das Zitat: Baum, Haus, Sohn - noch anders lösen.

Deutlich besser sind V1 3 4 - auch den Trochäus in V3 hast du gut gewandelt. Selbst das Couplet mit "ich schenkte ein" fügt sich in den Kontext ein. Also nehmen wir die Mühlviertler Variante.

Und ja, ich freue mich auch wieder neue Ekys zu lesen. Deine übrigen Kommentare waren heute übrigens sehr nachsichtig. ::-)
Gruß vom Hans

Hi Agneta,
Heute hab ich Linseneintopf gekocht mit Wiener Würstchen und ich war bei meiner Fahrt froh, dass ich auf dem Bike ab und zu die Beine durchdrücken konnte. Zum Glück hab ich den Flüsterauspuff gegen den GPR Thunderslash getauscht, so hat es gut soundmäßig gut gepasst.

Dein Zitat: - was juckt' s die Eiche, wenn sich die Sau dran kratzt- hätte natürlich bestens zu mir gepasst, das lässt auf ein hohes Einfühlungsvermögen schließen. Ja, als Profilerin wärst du sicher ne ganz heiße Nummer.
Deine Frage, wie kann die Welt eine Person zurücknehmen, die gar nicht tot ist, ist gar nicht so ei fach zu erklären. Gemeint ist, dass die Welt alles ist, ein universelles Sein in allen Zeitebenen, die das Ich in das Leben schickt und nach dem Tod wieder zurück nimmt oder besser zurück fordert. Deshalb ist der konjunktivistische Tod nicht mittelbar erforderlich, denn es geht lediglich um die Option.
Bei den Hebungen hat Shakespeare durchweg mit vier Hebungen gearbeitet. Heute ist das variabel, wobei ich auch bei den Couplets schon 8 Hebungen gesehen habe.
Danke, für Gedanken und Zeit. Was ist eigentlich aus unserem Kaffee geworden?  ::)
Gruss vom Hans
« Letzte Änderung: Juni 27, 2020, 23:20:55 von hans beislschmidt »
"Lyrik braucht Straßendreck unter den Fingernägeln" (Thomas Kling)