Hi Erich,
aus dem Gedicht lese ich eine gewisse Resignation heraus. Der Suchende hat das, wonach er sich sehnte, nicht gefunden. Gut, dass er sich trotz aller Enttäuschungen den Glauben an sich selbst bewahrt hat und am Ende beschließt, seinen großen Plan zu verwirklichen. Wir armen Kreaturen sind letztlich immer auf uns selbst zurückgeworfen, was uns nicht davon abhalten sollte, nach dem Ganzen zu streben.
Das Reine wird der Suchende nicht finden, indem er eine Hure aufsucht, auch nicht Treue und echte Tiefe, allenfalls Gnade. Prostitution ist ein Geschäft. Auch die kultivierteste Geisha spielt nur ein Spiel.
So gut mir die Idee gefällt, so habe ich doch Einiges an der Umsetzung zu kritisieren.
Wie sehr die liebe Seele manchmal blutet
an dem, was sie sich aufzuladen hatte!
Ein Engel mal, ein Dämon, manchmal Ratte
zu sein hat sie sich mutig zugemutet.
Nicht die „liebe“ Seele. Der Mensch ist sowohl lieb als auch böse. Lieber die „arme“ Seele, die sich so viel aufgeladen hat.
„Mal Engel, mal ein Dämon, manchmal Ratte“ würde ich schöner finden.
Mutet man sich mutig etwas zu? Was man als Zumutung empfindet, erfordert keinen Mut, und man tut es auch nicht gern. Nur was man als Herausforderung empfindet, spornt an.
Ich halte inne schon seit vielen Jahren.
Die knappen Tage, die ich hier noch lebe
berühren weiter nichts, und ich erstrebe
der Menschheit Wahnsinn nicht mehr zu gewahren.
„berühren weiter nicht“ würde ich besser finden.
„den Wahn der Menschheit“ fände ich besser als das verdrehte „der Menschheit Wahnsinn“. „Menschheit“ erscheint mir zu abstrakt und pauschal. Warum nicht einfach „Menschen“?
Gemeinheit, Dummheit und brutale Härte
gewinnen immer wieder Oberhände,
und was sich noch an stiller Demut fände,
ist nur ein traurig schweigender Gefährte.
Die Wortschöpfung „Oberhände“ (die „Oberhand“ gibt es nicht im Plural) gefällt mir gar nicht. „sie binden stets dem Strebenden die Hände“ oder so wäre eine Alternative.
Jedoch ich finde immer auch das Gute,
die Hand, die sich dem Leide willig reichte,
getreue Tiefe unter Hurenseichte,
und Aufbegehren unter harter Rute.
Nach "jedoch" empfiehlt es sich, ein Komma zu setzen.
„die Hand, die sich im Leide willig reichte“ wäre richtig. Die Hand reichte sich nicht dem Leid, sondern dem Leidenden.
Pauschalverdammung wird das Weh nicht lösen,
das schwärend aus enttäuschten Herzen blutet.
Der harte Weg, den man sich zugemutet,
erleichtert nichts und endet meist im Bösen.
Für „Pauschalverdammung“ gäbe es bestimmt etwas Poetischeres.
„erleichtert nicht“ würde ich hier wieder schreiben.
„oft im Bösen“ fände ich besser.
Verliere nicht den Glauben an das Reine,
das leiser zwar, doch ebenso ermächtigt
wie Dunkelheit das Lebenswerk berechtigt,
zu werden, was es will: Allein das deine.
Komma nach „Dunkelheit“, sonst ist es nicht klar.
„zum Lebenswerk berechtigt“
Lieben Gruß
Seeräuber-Jenny