Liebe Ylva!
Ein Gedicht, das eine Art Zoom-Funktion beinhaltet: In Strophe 1 und 2 wird ein Mosaik beschrieben, in Strophe 3 wird dann ein einzelnes Steinchen herausfotographiert. Und da wird dann auch klar, dass hier das Bild einer Person entworfen ist, die - jetzt in gewisser Weise multiperspektivisch aufzufassen - sowohl ein Mosaik aus vielen schlecht verfugten Einzelentitäten darstellt, als auch ein Mosaiksteinchen in einem größeren (gesellschaftlichen) Ganzen. Unbedeutend genug aus Sicht der anderen Steinchen, aber doch ein Gedicht wert. Und es ist ein sehr schönes Gedicht!
Ob hier eine alte Frau besungen wird, wie Elo
annimmt, weiß ich nicht, möglich wäre es durchaus; AL hat ja schon darauf hingewiesen, dass das Mosaik offensichtlich etwas vom Zahn der Zeit benagt wurde und bei Mosaiken denken wir sowieso in der Regel an römische oder hellenistische Fragmente, die in irgendeiner trockenen Gegend aus dem Staub gebuddelt wurden. Von daher sind wir eher in der Gedankenschublade "alt" unterwegs.
Es könnte aber bei den Zeilen aber auch eine versteckte Ich-Lyrik im Spiel sein, und dann gehe ich mal schwer von einem zumindest jüngeren Menschen aus, der aber zumindest schon lange genug auf der Welt ist, dass das Leben ihm seine Instrumente zeigen konnte. Mancher hat diese Erfahrung leider schon als Kind gesammelt...
Zum Vorschlag von Em: Ich denke, Ylva dachte hier nicht an eine Schießerei, sondern an das Attribut "verschossen" mit der Bedeutung "farblich ausgeblichen". Ich denke mal, der Ausdruck leitet sich vom gefärbten Schussfaden bei einfachen bunten Webteppichen her (?), jedenfalls kenne ich die Bezeichnung "verschossen" auch nur im Zusammenhang mit textilen Gegenständen. Vielleicht wäre "verblichen" günstiger? Das würde natürlich reimtechnische Umbauarbeiten nach sich ziehen.
Und ich persönlich finde "zähen Alltagstrott" noch etwas zu konventionell. Vor allem das Adjektiv "zäh" ist für mich etwas profan, etwas zu nah am eingefahrenen Denken, um dem Hirn etwas mentale Lockerung zu verschaffen.
Und "verloren" (aus metrischen Gründen dann unter Streichung des "und") gefiele mir persönlich in S3Z2 etwas besser als "verlorn".
Sehr gerne gelesen!
S.
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Und hier noch eine Beklugfummelung zu den Minianmerkungen und mit einem kleinen Umstellungs-Experiment, um zu sehen, ob sich dadurch der Schluss evtl. noch etwas aufladen lässt... nur ein Versuch...
Grau in Grau gelegt,
dazwischen etwas Rot.
Und Splitter eingefegt
in viel zu große Fugen.
Ton zu Ton sortiert,
dazwischen etwas Blau.
verblichen, fragmentiert,
ein Alltagsmittelwert.
Die Nuancen unbestimmt,
verloren, ohne Glanz,
vernarbt und ungeschminkt,
nur unter vielen: eine.