Autor Thema: Klammer(ung)  (Gelesen 6253 mal)

Agneta

  • Gast
Klammer(ung)
« am: Juni 01, 2020, 11:58:37 »
Klammer(ung)

Und wäre sie in seinem Kreis gefangen,
ach, ließe er sie sein, sie einfach sein?
Wenn seine Hände sinnlich nach ihr langen,
dann ist es doch nicht mehr als schöner Schein.
 
So wäre es, als schwängen sie wie Lieder,
die sich umarmen in den Melodien.
Und hörten sie das eine, käm es wieder,
das zweite, andre, das die Raben schrien.
 
Die seidig glänzen, satt, in tiefer Schwere,
die nur die Nacht wohl auferlegen kann.
Gebettet in ein Tuch aus sanfter Leere,
die weiß um alle Trauer dann und wann.
 
So wären ineinander sie gefangen
und mundeten sich doch wie alter Wein.

Erich Kykal

Re: Klammer(ung)
« Antwort #1 am: Juni 01, 2020, 14:56:01 »
Hi Agneta!

Wunderschönes Shakespeare-Sonett! Und welch wunderbar wuchernde Verwendung des Konjunktivs - nur wenige sind dessen heutzutage noch mächtig! Melodische Harmonien und Rabengekrächz - schöne Bilder als Gegensatz.

Sollten hier in S1 die zeilen 3 und 4 nicht auch im Konjunktiv stehen? zB so:

"Und sollten seine Hände nach ihr langen,
wär doch es mehr nicht als ein schöner Schein?"

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy


Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Klammer(ung)
« Antwort #2 am: Juni 01, 2020, 22:51:40 »
Ich bedanke mich, lieber Erich, für dein Lob. Du hast alles erkannt, was ich reinbringen wollte.
 Ein Stilmittel ist dir nicht aufgefallen, was eigentlich das Sonett bricht und es auch brechen sollte. Passend zum Titel, den man darum auch doppelsinnig lesen kann, sind die letzten beiden Zeilen nicht so gereimt, wie es üblich ist, sondern orientieren sich an den beiden Anfangszeilen.(Wie eine Klammer eben soll dies den Inhalt stützen) Dies sollte so sein.
SP-Sonette sind mir mittlerweile zu langweilig und ich möchte versuchen, sie etwas abzuändern und ihre Form individuell zu variieren.

Man hätte den Konjunktiv setzen können, aber mir war das sinnlich eben wichtig, damit der Inhalt Sinn macht. Die Beziehung ist eher eine ungesunde, was den beiden aber nicht auffällt.
Das Gedicht ist nicht autobiografisch.
LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Klammer(ung)
« Antwort #3 am: Juni 02, 2020, 10:40:33 »
Hi Agneta!

Oh weh - ich beginne Dinge zu übersehen! Jetzt schlägt wohl endgültig das Alter zu !!!  ;D ::)

Ein gut gessetztes Stilmittel zur Unterstreichung des - damit doppelsinnigen - Titelanspruchs. Sehr schön!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Klammer(ung)
« Antwort #4 am: Juni 02, 2020, 10:49:17 »
ich hatte mich schon auf deinen "Protest" gefreut, zwinkern. Um so mehr freue ich mich über die Akzeptanz. LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Klammer(ung)
« Antwort #5 am: Juni 02, 2020, 10:58:35 »
Hi Agneta!

Protest? Hältst du mich für so einen Formalisten, einen Regelpharisäer?  ;) ;D

Ich beachte zwar meist die Vorgaben des Sonettrahmens, aber auch ich klebe nicht engstirnig an der Form, sondern weiß zuweilen damit zu experimentieren, gar zu spielen! Da finden sich bei mir vierhebige oder sechshebige Sonette, Doppelsonette, welche mit betontem Auftakt, männlichen Kadenzen oder gar beidem, welche mit gereimten Endzeilen, und auf die starre Einteilung von These-Antithese-Synthese habe ich nie Wert gelegt, deren Einhaltung war bei mir immer ein Zufallsprodukt!

Ich weiß gute Brüche also durchaus zu schätzen!  :)

LG, eKy


PS: Du hast noch gar nix zu meinen Klapphörnern geschrieben (Erich's Klappgehörn). Noch nicht aufgefallen, oder einfach nicht deins?
« Letzte Änderung: Juni 02, 2020, 11:01:53 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

AlteLyrikerin

Re: Klammer(ung)
« Antwort #6 am: Juni 02, 2020, 16:06:37 »
Liebe Agneta,

auch mir gefallen die Bilder Deiner Verse und ihr Klang. Eine sehr ambivalente Beziehung lese ich aus den Bildern, aber doch keine verzweifelt schlechte, denn dann würden die Protagonisten sich nicht "munden wie alter Wein".

Herzliche Grüße, AlteLyrikerin.

Agneta

  • Gast
Re: Klammer(ung)
« Antwort #7 am: Juni 02, 2020, 19:07:05 »
genau, liebe AL. Danke für deine Gedanken und deinen Kommi. LG von Agneta
Spaß, Erich, nur Spaß... GGG von Agneta

Emilie

Re: Klammer(ung)
« Antwort #8 am: Juni 04, 2020, 12:27:45 »
Hi Agneta,

das Sonnet gefällt mir gut, weil es viel Potenzial böte. Der Klang breitet sich sehr sanft zwischen den Zeilen aus.
Allerdings besitzt das Gedicht Schwachstellen.

Das beginnt bei der ersten Strophe mit "Und". Ich bin mir nicht sicher, ob man grammatikalisch eine Strophe mit "Und" beginnen kann,
da "und" eine verbindende Konjunktion ist und einen Satz voraussetzt, um ihn erweiternd, aufzählend und verbindend schreiben zu können. 

Ach, wäre sie in seinem Kreis gefangen,

Der zweite Kritikpunkt ist "langen", welches eher weniger hochsprachlich aber mehr umgangssprachlich ist.
Die zweite Strophe wirkt affektiert und metaphorisch erzwungen.
Beide schwingen wie Lieder, die sich in den Melodien umarmen (Welche?).
Schängen sie nicht viel lieber in Melodien, die Lieder umarmen?

Auch fehlt mir hier eine tiefere Verbindung zu den Raben, das Übergehen in das neue Bild wirkt ungelenk.
Man könnte unnötige Redundanz wie folgt vermeiden:

Und hörten sie das eine schöne, wieder,
ein zweites dunkles, das die Raben schrien.

(Raben schreien nicht!)

Dann glänzen seidig-satt die Raben in tiefer Schwere. Besitzt Schwere eine Tiefe? ;)
Kann Leere sanft sein oder ist Leere minimalst oder maximalst leer? Nämlich einfach leer? :)
Das "dann und wann" ist reimgeschuldet.

So wären ineinander sie gefangen
sie reiften lang wie jahre alter Wein.


Emilie
« Letzte Änderung: Juni 04, 2020, 12:29:25 von Emilie »

Agneta

  • Gast
Re: Klammer(ung)
« Antwort #9 am: Juni 04, 2020, 20:07:11 »
hi Emilie,

danke für deine Gedanken zu meinem Sonett, das genau genommen keines ist.
Ich gehe im Folgenden gerne auf deine Punkte ein:
Warum sollte man eine Zeile nicht mit "Und" beginnen können. Es ist für mich ein Stilmittel, den Leser quasi direkt in das Gedicht zu befördern. Da es keine Konjunktion ist, die Nebensätze einleitet, sondern eine, die Wortgruppen bindet, ist es so, als habe man vorher schon über etwas nachgedacht und springt direkt ins Gedicht.
Nach etwas langen ist nicht hochsprachlich? Nicht hochsprachlich wäre packen, grabschen, … Sehe ich also nicht so.
m Gegenteil, langen ist eher ein seltenes, altmodisches Verb.

Die Melodie schwingt im Lied, sie umarmt ein Lied nicht. Also können auch Lieder keine Melodien umarmen. Dieses Schwingen ist positiv und stellt den Gegensatz, die Ambivalenz, wie AL es schreibt zu den schreienden Raben her. Schreiendenaben, die nicht krächzen, sondern wütend schreien, hatten wir genügend auf dem Feld. Hier haben wir die Verbindung. das Geräusch. Dieses unangenehme Geräusch steht in Ambivalenz zu den Melodien, die schwingen. Ein bisschen mitdenken sollte man also schön, wenn man ein gutes Sonett liest.
Dein Vorschlag; das eine, Schöne- wäre das nicht ein bisschen simpel, schön?

Die sanfte Leere und die schwere Tiefe, sowas nennt man Oxymoron als Stilmittel

Das dann und wann ist nicht reimgeschuldet. Es sagt genau das, was es sagen soll.

Jahre alter Wein muss nicht mehr reifen, er ist bereits gereift. Dein Vorschlag ist banal und würde den kompletten Kontext verändern. Da dir dies nicht bewusst ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass du die Tiefe des Werkes verstanden hast.
Dies korrespondiert nicht mit deiner Bemerkung, dass du das Sonett gut fändest. Du verreißt es.
Affektiert und metaphorisch erzwungen- passt da schon eher.
Honni soit qui mal y pense. Auch eine von drüben und eine gute Freundin von EV...

Nun gut. Du hast gesagt, was du meintest sagen zu müssen.

Agneta



Deine Vorschläge wären keine Verbesserungen




Emilie

Re: Klammer(ung)
« Antwort #10 am: Juni 04, 2020, 23:21:58 »
Hi Agneta,

ich bin keine gute Freundin von EV. Ich war in Poetry vielleicht fünf mal eingeloggt. Das Niveau war mir in diesen Gefilden allerdings etwas zu niedrig und der Austausch zu flach. Ich stamme aus einem Heidelberger Dichterkreis und treibe mich für gewöhnlich nicht im Internet umher. EV schrieb mir eine Mail, dass er und Sufnus gerne ein paar ausgewählte User auf der Wiese hätten. Und ich versuche mich hier bereits seit drei Wochen zu registrieren. (Kein Vorwurf liebe Petra). Was du mir damit sagen willst? Weiß ich nicht. Aber sehr freundlich ist es nicht! 

Ob das Werk Tiefe hat, beurteilt der geneigte oder professionelle Leser und die Geschmäcker sind verschieden.
Und es ist und bleibt was es ist: Die Bilder sind nicht stimmig. 
In dem Fall lese ich keine Tiefe, sondern ein eventuell gutes Material, was noch geschliffen werden muss, um gut zu werden. :) Diese langweiligen Sonnete benötigen dann eben doch etwas mehr Wohlwollen und Fertigkeit.  ;)

Was du mit diesen Anmerkungen machst, ist deine Sache. Ich könnte ein Gedicht dieser Entwicklungsstufe nicht veröffentlichen.
Menschen sind verschieden und das finde ich hervorragend.

Ich wünsche ein schönes Wochenende!

Emilie



Eisenvorhang

  • Gast
Re: Klammer(ung)
« Antwort #11 am: Juni 04, 2020, 23:30:22 »
Hi Agneta,

ich bin keine gute Freundin von EV. Ich war in Poetry vielleicht fünf mal eingeloggt. Das Niveau war mir in diesen Gefilden allerdings etwas zu niedrig und der Austausch zu flach. Ich stamme aus einem Heidelberger Dichterkreis und treibe mich für gewöhnlich nicht im Internet umher. EV schrieb mir eine Mail, dass er und Sufnus gerne ein paar ausgewählte User auf der Wiese hätten. Und ich versuche mich hier bereits seit drei Wochen zu registrieren. (Kein Vorwurf liebe Petra). Was du mir damit sagen willst? Weiß ich nicht. Aber sehr freundlich ist es nicht! 

Ob das Werk Tiefe hat, beurteilt der geneigte oder professionelle Leser und die Geschmäcker sind verschieden.
Und es ist und bleibt was es ist: Die Bilder sind nicht stimmig. 
In dem Fall lese ich keine Tiefe, sondern ein eventuell gutes Material, was noch geschliffen werden muss, um gut zu werden. :) Diese langweiligen Sonnete benötigen dann eben doch etwas mehr Wohlwollen und Fertigkeit.  ;)

Was du mit diesen Anmerkungen machst, ist deine Sache. Ich könnte ein Gedicht dieser Entwicklungsstufe nicht veröffentlichen.
Menschen sind verschieden und das finde ich hervorragend.

Ich wünsche ein schönes Wochenende!

Emilie

Lass sie, sie hegt seit einiger Zeit (und aus mir unbekannten Gründen) einen tiefen Groll gegen mich, wo sie mich aus dem Nichts einfach angegriffen hat. Kannst du in einem anderen Thread nachlesen, die Attacke ist mehr als deutlich.   
Siehst du ja bereits an ihrem Post, dass sie sichtbar gereizt ist. Hab mehrfach versucht zu schlichten ... Es ist einfach sinnfrei, juckt sie nicht.
In meinen Augen verschwendest du hier (leider) Energie und ich mit den wenigen Zeilen erst recht. 


Emilie

Re: Klammer(ung)
« Antwort #12 am: Juni 04, 2020, 23:34:49 »
Hi EV!

Ich habe die leidige Diskussion als Gast mitverfolgt. Nimm es dir nicht zu herzen, es ist nicht deine Schuld. Meine Meinung habe ich mir gebildet, ich möchte mich allerdings dazu nicht äußern. 
Danke für die Information, aus ihren obigen Beitrag werde ich lernen ...  ;)

Einen schönen Abend noch.

Emilie

Agneta

  • Gast
Re: Klammer(ung)
« Antwort #13 am: Juni 05, 2020, 08:59:03 »
Lernen ist immer gut, Emilie.

Agneta

Ylva

Re: Klammer(ung)
« Antwort #14 am: Juni 05, 2020, 15:27:40 »
Hallo Agneta,
ich habe mir deine Zeilen (Sonett?) ein weiteres Mal durchgelesen und teile, was einige Stellen betrifft, Emilie´s Meinung.
Zu dem Wort "langen"....ich finde nicht, dass es so altmodisch ist, wie du sagst. Ich höre und lese es immer wieder und gebrauche es selbst ab und an. Ich finde aber, es gibt schönere Worte, die das, was du beschreiben möchtest, zum Ausdruck bringen. Auch wenn es vielleicht selten ist, heißt es lange noch nicht, dass es in so einen Text auch sprachlich gut hineinpasst.
Außerdem hört es sich, für mich, zu "hart" an..."sinnlich" und "langen" in einem Satz...hört sich für mich nicht so stimmig an.
Und ich finde auch, dass Raben nicht schreien. Sie gehören der Unterordnung der Singvögel an und geben schnarrende, krächzende Geräusche von sich.
Selbst Poe hat in seinem Werk "Der Rabe" nicht einmal "schreien" geschrieben...er krächzte und sprach.
Über die "sanfte Leere" und "tiefe Schwere" kann man diskutieren. Das ist aber reine Geschmackssache.
"Sanft und leer" und "tief und schwer" hätte den gleichen Zeck erfüllt und dazu besser geklungen.
Aber das ist nur meine Meinung.

LG
Ylva