Autor Thema: Akelei, Du Schöne  (Gelesen 1418 mal)

stephanus mall

Akelei, Du Schöne
« am: Mai 27, 2020, 20:26:55 »
Macht wild und schön den Park und Garten
im frühen Sommer kannst Du auf sie warten
und In 1000 Farben läutete sie herbei
Hummel, Biene und auch Dich …
                                                       … die schöne Akelei. 

Sie wächst so einfach ungeniert,
an allen Ecken, Rändern und auch mitten drin,
fast als hätt sie jemand hindrapiert,
gibt sie selbst dem bravsten Gärtchen …
                                                      … einen höheren Sinn.

Keine ihrer Farben willst Du je vermissen
am langen Stiele stolz, wird sie die Glöckchen hissen
filigran und luftig ist der Blüten Schönheit stets gewoben
die erst dann vergeht, wenn all die hohen Cumuli …
                                                     … vom Himmel fortgezogen.

Sufnus

Re: Akelei, Du Schöne
« Antwort #1 am: Mai 28, 2020, 13:33:00 »
Lieber mall (ist das eine okaye Anrede für Dich? ich kürze ganz gerne ab, weil ich so ein fauler Mensch bin... aber ich bin flexibel :) )! :)

Die Akelei zählt zu meinen Lieblingsblumen, weil sie, finde ich, ein schönes Blattwerk und sehr beeindruckende Blüten hat und dabei (Du hast ins in S2 so schön beschrieben) wegen ihrer Tendenz zur Selbstaussaat oft an ganz überraschenden Ecken eines Gärtleins auftaucht. :)
In Deinem Gedicht mag ich sehr den "Nach-Halbsatz" am Ende jeder Strophe. Er baut eine gewisse Pause in den Text ein, bringt den Leser zum Innehalten und entschleunigt dadurch das Gedicht, was gut zu einer kontemplativen Gartenbetrachtung passt, womöglich von einer halbschattigen Bank aus. Vielleicht hört man ein paar Vögel zwitschern, die Hummeln und Bienen summseln im Park wie auch im Gedicht, man hört und spürt einen ganz linden Windhauch... Frieden...
Interessant ist, dass die Nachsätze in S2 und S3 eine deutliche Aufwärtsbewegung vom "höheren Sinn" bis zum "Himmel" erkennen lassen. War das geplant? Vielleicht könnte man damit sogar noch etwas stärker operieren? Ich hab da allerdings keine zündende Idee dazu... ;)
Weiterhin fällt auf, dass der Inhalt eine naive, kindliche Freude zum Ausdruck bringt. Hier werden keine komplizierten Wahrheiten verkündet sondern die reine Freude an einer schönen Blume. Das gefällt mir sehr an den Zeilen! :)
Formal sind die Zeilen relativ unregelmäßig gestaltet. Das Metrum und die Reimfolge binden sich nicht an ein strenges Schema. Das passt gut zum "ungekünstelten" Ton des Gedichts, hemmt aber natürlich ein kleines bisschen die Musikalität der Zeilen. Ich persönlich würde hier vielleicht, um die "Ungekünsteltheit" mit einer gewissen "Sanglichkeit" zu verbinden, mit einem etwas einheitlicheren Metrum (muss dabei aber m. E. gar nicht total gleichförmig werden) unter Beibehaltung der unregelmäßigen Hebungszahlen experimentieren... ich versuche es gleich mal beispielhaft.
Ein paar Inversionen kommen noch vor - die passen natürlich in gewisser Weise auch zu einem "ungekünstelten" Ton, da sie das lyrische Reden von "Alltagslyrik" imitieren, wie wir sie z. B. in Geburtstagsreimen finden. Andererseits entspricht invertiertes Sprechen natürlich nicht unserem normalen "Umgangston". Ich würde da u. U. ein bisschen "glatter" formulieren.
Etwas aus dem inhaltlichen und schriftbildlichen Rahmen fällt für mich auch die 1000, einmal weil sie als Ziffernfolge geschrieben dasteht und zum anderen, weil mir die Zahl vielleicht ei bisschen hoch vorkommt und damit in einen etwas "exaltierten" Gestus spielt (?)...
Und zuletzt fallen zwei Fremdwörter auf, welche ebenfalls die "naive" Rede ein bisschen durchbrechen, nämlich "drapiert" und "Cumuli". Hier komme ich jetzt in Begründungsschwierigkeiten, aber persönlich störe ich mich nicht am "drapiert", das gefällt mir an der Stelle sogar aus irgendeinem Grund besonders gut, dafür bin ich bei den Cumuli etwas gestolpert. Gibt es einen bestimmten Grund, warum nicht von Wolken die Rede ist?
In jedem Fall hat mich Dein Gedicht berührt und in mir die Lust geweckt, mich inmitten eines sommerlichen Bauerngartens dem Weltlärm zu entziehen und die dortige, halb wilde, halb geordnete, Natur zu genießen. :)
Sehr gerne gelesen!
S.

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Und hier der Versuch, wie sich ein paar Änderungen auswirken würden :) :

Macht wild und schön den Park und Garten,
im frühen Sommer kannst Du auf sie warten
und hundertfarbig läutet sie herbei
die Hummeln, Bienen und auch Dich …
                                                       … die schöne Akelei. 

Sie wächst ganz einfach, ungeniert,
an allen Ecken, Rändern und auch mitten drin,
fast so als hätte sie ein Künstler hindrapiert,
schenkt sie sogar dem bravsten Gärtchen …
                                                      … einen hohen Sinn.

Musst keine ihrer Farben je vermissen,
an langen Stielen stolz soll sie die Glöckchen hissen,
ganz filigran und luftig scheint die Blütenzier gewoben,
die erst vergeht, wenn alle Wolkenschäfchen mit dem Wind
                                                     … vom Himmel fortgezogen.

AlteLyrikerin

Re: Akelei, Du Schöne
« Antwort #2 am: Mai 28, 2020, 18:36:01 »
Mir gefällt es auch, Dein Gedicht von der schönen Akelei. Da ich selbst in meinem Garten solche Schönheiten habe, die sich einfach selbst in meinen Garten gesetzt haben, ohne zu fragen ( doch um so reizvoller die Überraschung), habe ich auch noch das Bild dazu vor meinen Augen.

Sehr gerne gelesen, AlteLyrikerin.

stephanus mall

Re: Akelei, Du Schöne
« Antwort #3 am: Mai 31, 2020, 08:52:34 »
Liebe AL, lieber Sufnus,
ich danke Euch fürs lesen und Euern freundlichen Kommentar.
Ja, liebe AL es ist ein Geschenk diese Blümchen im Garten zu
haben, ungebetene Schönheit ganz nah und ganz ohne Gegen-
leistung, wo gibt es das sonst im Leben :).
Lieber Sufnus, Du hast Dich ja ganz intensiv mit meinen Zeilen
auseinander gesetzt, das musste ich erst mal sacken lassen.
Zunächst erst mal, um Dir nochmehr Arbeit zu ersparen, quasi
noch einen Buchstaben weniger zu schreiben, kann ich Dir stm
anbieten  ;D, aber Du kannst natürlich auch das bekannte mall
verwenden  ;).
Aber zum Gedicht selbst, die Nachsätze haben sich tatsächlich
so ergeben, da hat zunächst keine höhere Idee Pate gestanden.
Aber Du hast recht, es gibt da eine Bewegung die mir bis dato
nicht augefallen ist. Schön, das man so sein eigenes Werk besser
verstehen lernt.
Ja, das Metrum, da halt ich es eher mit dem flüssigen Klang, das
kennst Du ja von mir, das behandle ich meist stiefmütterlich, aber
deshalb verwundert mich, das Du gerade da ein Problem siehst :-\
Wenn ich mir natürlich Deine Korrekturfassung ansehe, da muss
ich Dir wiederum recht geben.
Die 1000 war natürlich bewusst übertrieben und sollte in der Form
ein Slilmittel sein, was aber hier tatsächlich unpassend ist und die
Cumuli wirken natürlich, ob des übrigen Textes etwas abgehoben,
fand ich aber zum Zeitpunkt des Verfassens zumindest ganz passend.
Mit den Wolkenschäfchen kann ich mich nur schwer anfreunden  ::).
Aber ok, vielleicht ist es im Zuge des übrigen Textes garnicht so weit
hergeholt.
Alles in allem wird es durch Deine kleinen Korrekturen noch etwas
runder.
Ich danke Dir nochmals für Deine Mühe und freue mich auf weiteren
Austausch. Was die Blumen angeht werde ich noch eines nachschieben.
LG stm



Agneta

  • Gast
Re: Akelei, Du Schöne
« Antwort #4 am: Mai 31, 2020, 11:27:42 »
Guten Morgen,Mall,
ja, ich finde auch, dein Gedicht hat durchs Sufnus Korrekturen gewonnen. LG von Agneta

Sufnus

Re: Akelei, Du Schöne
« Antwort #5 am: Juni 01, 2020, 15:20:32 »
Hey stm! :)
Hoffentlich klang für Dich in der Ausführlichkeit meines Sermons kein ungewollter Nebenakzent von Besserwisserei durch... :) … meine Ideen zu Deinen schönen Versen würde ich nicht als Korrektur begreifen, eher als ein Spiel mit dem Ausgangsmaterial im Sinne eines sehr ergebnisoffenen Experiments. Ein paar Resultate meiner Beklugfummelung (ein schöner Ausdruck von eKy!) Deiner Zeilen erfreuen ich nach wie vor - die vorsichtige metrische Glättung, der Austausch des "jemands" durch einen Künstler - und eine Variation - nämlich die Wolkenschäfchen - finde ich jetzt beim Wiederlesen völlig daneben... ;D da bin ich also völlig bei Dir... weg mit den Schäfchen! :)
LG!
S.

stephanus mall

Re: Akelei, Du Schöne
« Antwort #6 am: Juni 01, 2020, 18:45:58 »
Hi Sufnus,
überhaupt keine Frage, habe ich keinesfalls als solche aufgefasst,
eher als helfende Hand beim ersten vorsichtigen Spaziergang
über die Wiese  :).
In dem Sinne einen lieben Gruß zum ausklingenen Pfingstfest
stm

Eisenvorhang

  • Gast
Re: Akelei, Du Schöne
« Antwort #7 am: Juni 05, 2020, 16:59:16 »
So, lieber stephanius!

Mit etwas Verzögerung nun ein paar Gedanken, die keineswegs kritisch ausfallen.
Mir munden deine Zeilen, weil sie authentisch wirken und von Leidenschaft durchdrungen sind. Jedenfalls kommt das bei mir so an.
Die Form ist schön strikt aber auch frei und ich finde deine Worteinwürfe (wurde das hier kritisiert?) einfach total charakteristisch.
Sowas verleiht den Werken oft eine eigene Handschrift. Manchmal denke ich für mich, dass gute Lyrik immer irgendwie kindlich wirkt.
Hier möchte ich auf Selme Meerbaum Eisinger verweisen, deren Schrift so einfach war, dass sie tief in die Seele vorgedrungen ist.

Ganz entzückend ist für mich Strophe zwei und das Hindrapiert, gleichwie Strophe drei Zeile zwei.
Es ist vollkommen eigen und soll und muss, wie ich finde, autonom stehen dürfen.
Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende und bleib gesund!

vlg

EV