Lieber mall (ist das eine okaye Anrede für Dich? ich kürze ganz gerne ab, weil ich so ein fauler Mensch bin... aber ich bin flexibel
)!
Die Akelei zählt zu meinen Lieblingsblumen, weil sie, finde ich, ein schönes Blattwerk und sehr beeindruckende Blüten hat und dabei (Du hast ins in S2 so schön beschrieben) wegen ihrer Tendenz zur Selbstaussaat oft an ganz überraschenden Ecken eines Gärtleins auftaucht.
In Deinem Gedicht mag ich sehr den "Nach-Halbsatz" am Ende jeder Strophe. Er baut eine gewisse Pause in den Text ein, bringt den Leser zum Innehalten und entschleunigt dadurch das Gedicht, was gut zu einer kontemplativen Gartenbetrachtung passt, womöglich von einer halbschattigen Bank aus. Vielleicht hört man ein paar Vögel zwitschern, die Hummeln und Bienen summseln im Park wie auch im Gedicht, man hört und spürt einen ganz linden Windhauch... Frieden...
Interessant ist, dass die Nachsätze in S2 und S3 eine deutliche Aufwärtsbewegung vom "höheren Sinn" bis zum "Himmel" erkennen lassen. War das geplant? Vielleicht könnte man damit sogar noch etwas stärker operieren? Ich hab da allerdings keine zündende Idee dazu...
Weiterhin fällt auf, dass der Inhalt eine naive, kindliche Freude zum Ausdruck bringt. Hier werden keine komplizierten Wahrheiten verkündet sondern die reine Freude an einer schönen Blume. Das gefällt mir sehr an den Zeilen!
Formal sind die Zeilen relativ unregelmäßig gestaltet. Das Metrum und die Reimfolge binden sich nicht an ein strenges Schema. Das passt gut zum "ungekünstelten" Ton des Gedichts, hemmt aber natürlich ein kleines bisschen die Musikalität der Zeilen. Ich persönlich würde hier vielleicht, um die "Ungekünsteltheit" mit einer gewissen "Sanglichkeit" zu verbinden, mit einem etwas einheitlicheren Metrum (muss dabei aber m. E. gar nicht total gleichförmig werden) unter Beibehaltung der unregelmäßigen Hebungszahlen experimentieren... ich versuche es gleich mal beispielhaft.
Ein paar Inversionen kommen noch vor - die passen natürlich in gewisser Weise auch zu einem "ungekünstelten" Ton, da sie das lyrische Reden von "Alltagslyrik" imitieren, wie wir sie z. B. in Geburtstagsreimen finden. Andererseits entspricht invertiertes Sprechen natürlich nicht unserem normalen "Umgangston". Ich würde da u. U. ein bisschen "glatter" formulieren.
Etwas aus dem inhaltlichen und schriftbildlichen Rahmen fällt für mich auch die 1000, einmal weil sie als Ziffernfolge geschrieben dasteht und zum anderen, weil mir die Zahl vielleicht ei bisschen hoch vorkommt und damit in einen etwas "exaltierten" Gestus spielt (?)...
Und zuletzt fallen zwei Fremdwörter auf, welche ebenfalls die "naive" Rede ein bisschen durchbrechen, nämlich "drapiert" und "Cumuli". Hier komme ich jetzt in Begründungsschwierigkeiten, aber persönlich störe ich mich nicht am "drapiert", das gefällt mir an der Stelle sogar aus irgendeinem Grund besonders gut, dafür bin ich bei den Cumuli etwas gestolpert. Gibt es einen bestimmten Grund, warum nicht von Wolken die Rede ist?
In jedem Fall hat mich Dein Gedicht berührt und in mir die Lust geweckt, mich inmitten eines sommerlichen Bauerngartens dem Weltlärm zu entziehen und die dortige, halb wilde, halb geordnete, Natur zu genießen.
Sehr gerne gelesen!
S.
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Und hier der Versuch, wie sich ein paar Änderungen auswirken würden
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Macht wild und schön den Park und Garten,
im frühen Sommer kannst Du auf sie warten
und hundertfarbig läutet sie herbei
die Hummeln, Bienen und auch Dich …
… die schöne Akelei.
Sie wächst ganz einfach, ungeniert,
an allen Ecken, Rändern und auch mitten drin,
fast so als hätte sie ein Künstler hindrapiert,
schenkt sie sogar dem bravsten Gärtchen …
… einen hohen Sinn.
Musst keine ihrer Farben je vermissen,
an langen Stielen stolz soll sie die Glöckchen hissen,
ganz filigran und luftig scheint die Blütenzier gewoben,
die erst vergeht, wenn alle Wolkenschäfchen mit dem Wind
… vom Himmel fortgezogen.