Danke für die schöne Antwort!
Ich sehe in seinen Gedichten eine sehr sensible Seite, die dennoch von Rationalität durchdrungen ist.
Mit einem Hang zu Ordnung und Form, wobei, man verzeih mir hier, ich sagen will, dass es ihm nicht immer gelang.
Wie du auch, gibt es eine Vielzahl an Gedichten, die mich nicht zu rühren wissen: Weder Form noch Ausdruck. Andererseits gibt es gleichsam viele Gedichte, die mir nahe gehen.
Willkommen und Abschied beispielsweise, welches ich für unglaublich poetisch halte. Generell, finde ich, war er ein Meister darin scheinbar einfachen Gefühlen durch eine einfache Sprache Komplexität zu verleihen. Vor allem in der Wirkung. Ein Werk, welches meiner Meinung Schwächen besitzt, aber viel gemein mit Shakespear hat (emotionale Tiefe), ist folgendes (wohlwissend, dass wir heute eine andere Sprachkultur pflegen):
AbschiedWar unersättlich nach viel tausend Küssen, (suboptimal für mich)
Und mußt mit einem Kuß am Ende scheiden.
Nach herber Trennung tiefempfundnem Leiden
War mir das Ufer, dem ich mich entrissen,
Mit Wohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flüssen,
Solang ich's deutlich sah, ein Schatz der Freuden;
Zuletzt im Blauen blieb ein Augenweiden (suboptimal für mich, ich schätze Erich würde hier kritisieren
)
An fernentwichnen lichten Finsternissen. (Sehr sehr schön!!! Strophe zwei im Sonett empfinde ich sehr inkonsistent, ja fast launisch)
Und endlich, als das Meer den Blick umgrenzte,
Fiel mir zurück ins Herz mein heiß Verlangen; (suboptimal für mich)
Ich suchte mein Verlornes gar verdrossen.
Da war es gleich, als ob der Himmel glänzte;
Mir schien, als wäre nichts mir, nichts entgangen, (Sehr sehr schön)
Als hätt ich alles, was ich je genossen.
Ich vermute und spekuliere, dass er in seinen Gedichten viel kompensiert hat. Dabei will ich es vermeiden psychologisch zu werden. Ich kann aber nicht leugnen, zu sagen, dass eine gewisse imperfekte Spannung seine Werke durchzieht und ich glaube, dass sich dahinter ein gewisser Leidensdruck befindet, der seine Handschrift prägt.
Natürlich bin ich nur ein Laie und ich habe im Vergleich zu dir, nicht wirklich viel gelesen. Aber zu Lyrik pflege ich schon einen ehrlichen und intimen Zugang, der durchaus mir freies Gedankengut erlaubt.
Ich fand immer Goethe sei überschätzt, aber gerade Werke wie Willkommen und Abschied, zeichnen dann doch ein anderes Bild. Im Anbetracht der Vielzahl seiner Gedichte (3000+?), war er wohl sowieso eher quantitativ veranlagt, nicht so wie Rilke, der Sprache fast als Religion zelebrierte.
In dem Sinne!
vlg
EV