Autor Thema: Principiis obsta  (Gelesen 601 mal)

AlteLyrikerin

Principiis obsta
« am: Mai 25, 2020, 15:04:19 »
 Jeder Handgriff ist bemessen.
 Kämmen, zwei Minuten.
 Ganzkörperpflege,
 nicht mehr als zwanzig.

 Zuhören
 gehört nicht zum Standard.
 Tränen trocknen
 kommt in der Liste nicht vor.
 Berührende Nähe
 gegen die Ohnmacht des Verlorenseins
 lässt sich nicht abrechnen.

 Doch mit Zahlen
 und Computern
 lässt sich exakt berechnen
 wann das Abschalten der Geräte
 optimal ist
 für die Gemeinschaft
 der Versicherten.
 
 Es fehlt nur ein Schritt noch,
 ein Gedanke zunächst,
 der nicht ausgesprochen wird.

 Doch er wächst
 auf den Brachfeldern des Geistigen,
 genährt von Sonntagsreden
 und Euphemismen,
 bis er beizeiten geerntet wird
 und von den Armutspflegern des Faktischen
 zu Paragraphen gegossen,
 vor denen die müden Gewissen
 stramm stehen können.

 Habt ihr denn schon vergessen
 die willfährigen Hände,
 die abstrakte Theorien
 über „unwertes Leben“
 anwendbar machten?


P.S: Boris Palmer: "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“