Hi Martin!
Interessant, dass du Anwürfe dahingehend schreibst, ich hätte dich persönlich mit diesem Beitrag ansprechen wollen, der nicht in einem deiner Fäden steht und in dem du auch noch gar nicht kommentiert hattest ... - ich kann dir versichern, dass ich beim Schreiben obiger Zeilen an niemandem in Speziellen dachte, und schon gar nicht an dich.
Aber was immer du auf dich beziehen willst, ich bleibe dabei: Wenn dein Leben eine Hölle ist, dann jene, die du selbst dir geschaffen hast. Warum glaubst du finden Menschen, denen es noch viel mieser geht als dir, dennoch Freude am Dasein und nicht in jeder Suppe ein Haar? Warum können sie lieben und verzeihen und ein grimmiges Geschick akzeptieren, ohne alles in Flammen aufgehen lassen zu wollen?
Es ist immer unsere eigene Einstellung und innere Begrenzung, unsere eigene Perspektive, welche unser Sein letztlich definieren und entweder zu einem erfüllten Leben machen, und das trotz widerer äußerer Einflüsse, oder uns in Depression und Schuldzuweisungen ersaufen lassen, mit Groll im Herzen auf die ganze Welt.
Ein schönes Beispiel ist der perfekte Sportler, der nach einem Unfall gelähmt ist und sein Leben wegwerfen will, weil er sich einfach nicht vorstellen kann, ohne seine Physis Erfüllung und Glück finden zu können. Manche kommem nie darüber hinaus, hadern ewig mit ihren "grausamen Schicksal", geben äußeren Einflüssen die Schuld am Geschehenen und begehen Selbstmord, weil sie keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen. Aber viele andere treten irgendwann neben sich, wechseln die Perspektive und entdecken, dass Bewegung des Leibes nicht alles ist in diesem Universum, und man sich über vieles mehr als sportliche Erfolge definieren kann. Dass man auch außerhalb dessen, was man als allumfassend glaubte, Wahrheit, Trost und Erfüllung finden kann - einfach nur, weil man sich selbst verlässt und neu findet.
Mir gelang dies: aus dem leidenden - und selbstbemitleidenden - gemobbten sauertöpfischen und suizidalen Jungen, der Angst hatte, auf die Strasse zu gehen, weil er fürchtete, jenen zu begegnen, die ihn verachteten, wurde ein Mensch, der über den Meinungen anderer stehen konnte und sich über das definierte, was er im Spiegel fand, nicht über das, was er in anderer Augen zu sehen fürchtete. Ich machte mich unabhängig von den Gefühlen anderer, bestimmte mich selbst, erforschte mich selbst, auch die Abgründe, und lernte sie zu umarmen. Ich fand ein anderes Leben - und ein besseres.
Hätte ich in meinen jugendlichen Hass- und Rachefantasien verbleiben sollen, mein ganzes Leben vergiften mit negativen Gedanken an all die Ungerechtigkeit, die mir widerfuhr - zumindest aus meiner Sicht? Hätte ich endlose Jahre brüten sollen über die Taten unreifer Teenager, den eigenen und jener, die kaum erkannten, was sie mir antaten?
Nein, ich erkannte, dass es hauptsächlich mein eigener abgehobener Stolz, meine soziale Unfähigkeit waren, die mich überhaupt erst in diese Lage gebracht hatten! Ich begab mich in eine Abwärtsspirale, dabei wäre es - nachträglich betrachtet - so einfach gewesen, sie zu verlassen, aber borniertes Beharren auf anderer Schuld und die damalige Unfähigkeit zu ehrlicher Selbstreflektion und objektiver Betrachtung der eigenen Lage verhinderten das dazu nötige innere Reifen über lange Zeit.
Erst als ich die Schule hinter mir hatte und Distanz fand, fielen die emotionalisierten Barrikaden, und ich erkannte, wie unnötig all das Leiden gewesen war. Ich zog die Lehren daraus und erlaubte mir nie wieder, mich von anderen definieren zu lassen - und auch mich (und das ist das Allerwichtigste) immer wieder selbst zu hinterfragen: Sehe ich noch objektiv oder schon durch eine "Brille", die mir den Blick auf die eigenen inneren Verscherungen verstellt? Wann ist es Zeit, mich wieder zu verlassen und neu aufzustellen?
Wann beginne ich wieder, mich selbst zu wichtig zu nehmen?
Denn nicht die Welt wird sich ändern, sondern ich kann nur Zufriedenheit finden, wenn es mir gelingt, die Welt anders sehen zu lernen. Einfache Wahrheit - schwieriger Weg.
Was immer du daraus machst, was du hier liest, ist mir egal und geht mich auch nichts an. Es ist nicht MEIN Leben. Aber bitte konstruiere keine Anwürfe, man hätte dich persönlich attackieren wollen. Derlei liegt mir fern - ich hab schon mit meinem eigenen Leben genug zu tun!
Hi EV!
Nochmal - für mich ist diese Krise im Grunde der Normalzustand meiner Existenz: Kaum Sozialkontakte, isoliertes Eremitentum - aber ich habe das natürlich freiwillig gewählt und komme damit gut zurecht, ja, ich ertrüge es mittlerweile auch gar nicht mehr anders über längere Zeiträume. Ich war nie gut im Menschenspiel, zu viele unbekannte Parameter, zu viele Unsicherheiten - ich mag mein Leben übersichtlich und sauber aufgeräumt. Nenn es eine Schwäche - und das ist es natürlich auch, aber ich ertrage das zwischenmenschliche Hickhack eben nur in homöopatischen Dosierungen. Was ich beruflich mit Kindern und Kollegen erlebe, reicht mir bis Oberkante Unterlippe, was soziale Interaktion anbelangt.
Für mich ist schwer vorstellbar, wie jemand leiden muss, der bis ins Mark gewohnt ist, ständig von Leibern und Bedürfnissen anderer umgeben zu sein, ja, der sich nachgerade darin suhlt und bettet! Für mich ein schauderhafter Gedanke. Von daher bin ich sicher der Falsche, wenn es um Empathie für jene geht, die nach nur 2 Monaten "social distancing" schon so "leiden", dass sie jammern und stöhnen müssen. Da denke ich mir eher: Was für Weicheier!
Dass diese Weicheier keinen Sinn fürs Alleinesein haben, bzw. dann auch keine Gedanken an jene vergeuden, die immer schon einsam waren, ist klar - die meisten Menschen haben genug mit sich selbst zu tun, und ich bin da keine Ausnahme.
Was mich ein wenig stört ist der lyrische Aufwand, den du für jene "Einsamen" betreibst, die - wie ich in dem Beitrag, der Martin so aufregte, zu erklären versuchte, ihre Isolation meist selbst verschulden, weil sie lieber bleiben, wer sie sind, unfähig, die festgefahrene Perspektive und Lebens- wie Leidenswelt zu verlassen, als die (eigen)Initiative zu ergreifen und sich selbst neu zu erfinden, auf einer Warte, von der aus sich die gleiche Welt wie die eigene Person anders wahrnehmen ließen.
Die meisten wagen nicht mal den Versuch - es scheint einfacher, der Welt die Schuld zu geben für die eigene Lage, als die Lage selbst anders betrachten zu lernen.
Okay, das ist meine eigene Meinung. Natürlich ist mir klar, dass es Menschen gibt, die von derart harten Schlägen getroffen werden, dass sie einfach keine Chance haben, wieder aufzustehen. Jenen gilt mein uneingeschränktes Mitgefühl, so weit ich dazu in der Lage bin. Aber die meisten, die dauernd zetern und jammern über ihr ach so grausames Schicksal, könnten dem leicht abhelfen, wenn sie die Kraft und den Mut fänden, statt der Welt einfach die Perspektive zu wechseln, statt der Welt sich selbst neu zu definieren. Fehlt es an geistiger Durchdringung und Analysefähigkeit, oder an Willen und Fantasie?
LG, eKy