Hi Martin!
Es ist eben nur ein Spruch, eingestellt ins Unterforum mit dem Titel "Sprüche, Gedanken und Gescheites" - von daher bin ich nicht zum Lyrischen verpflichtet.
Ab und an reizt es mich, wie weit man tiefere Weisheiten oder Wahrheiten sprachlich wie sprachinhaltlich herunterbrechen und simplifizieren kann, ohne sich in den Ruch des "Sprücheklopfens" (oder der Floskel, wie du es ausdrückst) zu rücken.
Wenn ein Schuß selbstreflektierenden Augenzwinkerns und Humors dabei ist, schmeckt die Pille der unausweichlichen Entropie auch nicht gar so bitter.
Oder wie Elisabeth Taylor einmal sagte: "Das Alter lehrt uns Geduld. Je weniger Zeit uns verbleibt, desto besser können wir warten."
Die Einsicht, dass Zeit und Lebensziele nicht inflationär vorhanden sind, ereilt den klugen Menschen ja relativ bald in seinem Leben - aber eben nur als intellektuelles, erst mal theoretisches Wissen ohne persönlichen Bezug. Was es aber wirklich bedeutet, sickert erst allmählich ein, wird erst mit ausreichender Lebenserfahrung tatsächlich begreifbar.
Der erste Punkt tieferer Erkenntnis war bei mir die Feststellung, dass die Zeit mit zunehmendem Alter subjektiv immer rascher zu verfliegen scheint, was mich zum darüber Nachdenken anregte. Diesbezüglich mag jeder sein eigenes Erklärungsmodell haben, Fakt bleibt, dass dem so ist.
Sei es eine veränderte Hormonlage, eine allgemeine Verlangsamung der Denkprozesse, eine Art Lebensreifung oder schlicht die Tatsache, dass wir in arriviertem Alter kaum noch Erinnerswertes erleben und also kaum Erinnerungen an die verbrachte Zeit generieren, was diesen Eindruck akzelerierten Zeitverschleißes vermittelt - es erscheint grausam ungerecht.
Diese Verschiebung der Wahrnehmung erstreckt sich auch auf unsere Lebensinhalte. Plötzlich oder schleichend erscheinen uns die früher so wichtigen Ziele inan oder hohl, oberflächlich - eben einem Hirn mit eklatantem Erfahrungsmangel entsprungen.
Man darf sich glücklich preisen, wenn man nicht gröbere Irrungen zu verdauen hat wie zB. ehemalige Sektierer, Islamisten oder Rechtsextreme, die sich Jahre später in Grund und Boden schämen für ihre früheren Überzeugungen und die dadurch motivierten Taten.
Der Hang zum Anthropozentrismus lässt einen gern überlegen, welchen Sinn die Anhäufung von Erfahrung und Einsichten hat, wenn mit dem Tode dann doch alles verlorengeht - so als wäre es die eigentliche Aufgabe des Lebens, zu lernen und sich zu erweitern - zu welchem "höheren Zweck", ohne den wir scheinbar nicht leben wollen, auch immer.
Dabei muss man sich immer vor Augen halten, dass alles Leben ein Zufallsprodukt OHNE tieferen "Sinn" sein kann und sehr wahrscheinlich ist.
Die Metaebene menschlichen Bewusstseins war vielleicht nie "geplant", und viellleicht mag sich der Mensch in ferner Zukunft zu einem Wesen entwickeln, das der Materie eines physischen Leibes zur Seinserhaltung nicht mehr bedarf - das können wir nicht wissen, und es spielt für uns erst "halbwegs" ausgebildete Wesen auch keine Rolle.
Manche sehen uns wie die Bauherren einer Kathedrale: Die Planer, ja selbst jahrhundertelang die wechselnden Erbauer werden das fertige Gebäude niemals wirklich sehen.
Dabei scheinen sie davon auszugehen, dass es immer tatsächlich auch fertig gebaut wird und dann ewig überdauert, weil das alles schon fix so ausgemacht wäre mit der "Schöpfung".
Die vielen nie vollendeten oder zerstörten Kirchenruinen erzählen eine andere Geschichte ...
Nein, der Mensch ist nichts Besonderes, seine Hybris entspringt einem Minderwertigkeitskomplex, und wenn er ausstirbt, hat das Universum nichts falsch gemacht (was eine unzulässige Personifizierung/Vergöttlichung darstellt - es ist wirklich tief in uns verwurzelt, dieses Sinnsuchen nach höheren Mächten und Zielen ...). Es macht nie etwas richtig oder falsch - es steht kein Wille dahinter, nur Physik und Entropie.
Wer sich erst einmal mit diesem Gedanken angefreundet hat, lebt stress- und gottlos. Natürlich enthebt uns das nicht der moralischen Verpflichtung gegenüber anderen fühlenden Wesen - diese Verallgemeinerung dient gern als Ausrede für Gewissenlosigkeit. Menschen, die sich nie selbstverantwortlich betrachtet haben, verfallen gern in dieses Extrem, und Soziopathen passt es bloß gut ins Konzept.
Aber wir reifen eben, erkennen, lernen, wachsen - meistens zumindest. Und irgendwann stellt man sich diesem Wendepunkt, den das Altern mit sich bringt, und rechnet ab mit den früheren Luftschlössern und Idealen, sowie der Art, mit der man sie baute und vertrat.
Manche haben nie die innere Größe dazu, oder ihre Schuld ist zu groß für ein Umschwenken und Bekennen, oder ihr Leben ist so in Oberflächlichkeit und Fremddefinierung verwoben, dass sich ihnen die Frage wirklich niemals stellt.
Wie auch immer - ich wollte all das in einem möglichst klaren, aber möglichst gerafften Satz unterbringen.
Vielen Dank für deine Ausführungen dazu!
LG, eKy
PS:
Danke, dass dir mein "Kampf gegen (Extrem-)Rechts" aufgefallen ist. Danke, dass du zumindest nicht negativ reagiert hast. Bedauerlicherweise kann man derlei heutzutage nicht mehr als selbstverständlich voraussetzen, wie mich die Erfahrungen anderswo lehren mussten.
Entweder erscheint manchen ihre geheiligte "politische Korrektheit" wichtiger als die korrekte Einstellung zu gewissen Unsäglichkeiten - eine Art Sebstzerstörung durch allzu übertrieben inhaliertes Toleranzprinzip -, oder man schweigt schon aus feigem Kalkül oder aus insgeheimer Übereinstimmung mit den Aussagen und Inhalten dieser erznationalistischen Menschenfeinde, weil man sie schon für die Sieger der Zukunft hält.
Dass man sich damit totalitären Kräften ausliefert, die ebenso denken wie islamistische Terroristen, also vehement schwarzweiß, Marke "Unser Weg oder keiner!", und gewaltbereit bis hin zur "Ausrottung missliebiger Elemente", wie der Nazijargon so schön definiert, scheint vielen nicht ausreichend klar zu sein.
Darum kann ich den allgemeinen AfD-Wähler nur verachten, sei es wegen seiner Bildungsferne oder manipulierbarer Dummheit, oder wegen seiner herzkalten, egomanischen Einstellung gegenüber verallgemeinerten Feindbildern.