Autor Thema: Aufgescheucht (Vierhebiges Doppelsonett)  (Gelesen 1112 mal)

Erich Kykal

Aufgescheucht (Vierhebiges Doppelsonett)
« am: Juli 30, 2019, 10:16:55 »
Ich bin ein traulich Ungelebter,
der nie ins große Wagnis fand.
Die Straße, die sich dahin wand,
ließ mich zurück, ein Eingewebter

in seines Tages stille Stunden,
dem nie der Sinn nach Teilen stand,
und dem ein Fühlen, das ihn band,
verdächtig blieb und ungefunden.

Ein Ausgestoßener am Ende
der Abenteuer, der sich schlicht
ergeben hatte, nur zu dauern
in seinen hingestellten Mauern,
um fühllos jedes scheue Licht
zu tilgen, das ihn dauern fände.

Da scheuchtest du wie eine Weihe,
die sich dem Zweifelnden erklärt,
mit Güte, die sein Hoffen nährt,
mich auf in meinem Herz aus Kleie,

versprachst mir alle deine Fernen
wie eine Gottheit, die vergibt
und jedem, der ihr Bildnis liebt,
den Willen schenkt, die Welt zu lernen.

Sei meine Boje auf Gewässern,
die dunkel sind und ungemach,
der Schlüsselmeister meines Turmes,
der mich im Auge jedes Sturmes
beschützte, bis das Heulen brach -
für dich will sich mein Leben bessern.
 
« Letzte Änderung: Februar 15, 2020, 13:31:28 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Aufgescheucht (Vierhebiges Doppelsonett)
« Antwort #1 am: August 03, 2019, 11:11:46 »
Oh, das ist gut!
Aussage, Bilder ("Herz aus Kleie" usw.) und raffinierte Form, alles gefällt mir. Ja, wenn so ein dunkles Gemäuer plötzlich von einem lichten Geschöpf geweckt wird, sind Wunder möglich. Zwei Stellen wirken auf mich etwas gewöhnungsbedürftig: "ihn dauern fände" (S3, V6) und die Vergangenheit "brach" (S6, V5) innerhalb der auf die Zukunft gerichteten Aufforderung "Sei meine Boje".

Mit Freude genossen, lieber Erich.
Grüße von gummibaum
« Letzte Änderung: August 03, 2019, 11:30:28 von gummibaum »

Erich Kykal

Re: Aufgescheucht (Vierhebiges Doppelsonett)
« Antwort #2 am: August 03, 2019, 11:56:46 »
Hi Gum!

Gewöhnungbedürftig vielleicht, aber formal korrekt in beiden Fällen: "dauern" ist eine Kurzform von "überdauern", sprich existieren, und das Präteritum in der dritt- und zweitletzten Zeile ("beschützte", "brach") beschreibt den Nutzen des "Turms" (der Isolation) in der Vergangenheit.

Vielen Dank für das schöne Lob!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Agneta

  • Gast
Re: Aufgescheucht (Vierhebiges Doppelsonett)
« Antwort #3 am: August 06, 2019, 11:46:37 »
dieses schöne und elegante Werk, lieber Erich, sagt uns, dass es für jeden Menschen ein Gegenstück gibt. Und das ist hoffnungsvoll.
LG von Agneta

Erich Kykal

Re: Aufgescheucht (Vierhebiges Doppelsonett)
« Antwort #4 am: August 06, 2019, 13:09:56 »
Hi Agneta!

So sehe ich das auch. Danke für's Vorbeischauen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.