Autor Thema: Lernend leben  (Gelesen 1951 mal)

Erich Kykal

Lernend leben
« am: Juli 12, 2019, 11:36:33 »
Verliere nicht das zärtliche Bedrängen,
das dir die weite Welt verlockend breitet,
die wache Neugier, die die Augen weitet
nach Wundern und erhabenen Gesängen,

die große Bilder in die Seele hängen,
daraus sie ihren Aufenthalt bestreitet.
Der klare Weg, der deine Sinne leitet
zu neuer Abenteuer frohen Klängen.

Erkläre dich dem Seienden verbunden,
der Frage ledig, ob es immer lohne,
und hüte seine aufgetanen Stunden

wie Edelsteine in des Lebens Krone,
und hoffe, dass, was du dabei empfunden,
dein wahres Wesen weiterhin bewohne.
« Letzte Änderung: September 26, 2020, 09:23:05 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Lernend leben
« Antwort #1 am: August 16, 2019, 12:40:46 »
Auch hier ist nochmal eine wahre Perle von Dir, eKy, unbeachtet geblieben. Das muss natürlich unbedingt geändert werden, denn es ist ein sowohl formal als auch inhaltlich-philosophisch, wunderbar komponiertes Werk! Ich ziehe den größten Hut, den ich habe! :)
Warum ist es dann wohl bisher unkommentiert geblieben? Wahrscheinlich ist es grundsätzlich schon so, dass Gedichte, die einen konkreten Gegenstand oder ein konkretes Geschehen besingen, eingängiger sind, als allgemein-philosophische Werke. "Heidenröslein", "Erlkönig" oder "Der Zauberlehrling" sind deshalb wohl populärer als "Urworte. Orphisch", "Vermächtnis" oder die Marienbader Elegie. Aber dieses Popularitätsargument soll und kann und darf natürlich nicht als Begründung dafür herhalten, nur noch Balladen zu schreiben oder Gedichte über konkrete Gegenstände. :)
Sehr sehr gerne gelesen!
S.

Erich Kykal

Re: Lernend leben
« Antwort #2 am: August 16, 2019, 13:21:12 »
Hi Suf!

Vielen Dank für die Perlen deiner kommentatorischen Weisheit, wiewohl ich glaube, dass du allgemein zwar recht hast, hier aber andere Faktoren greifen:

Es sind zur Zeit zu wenige Autoren aktiv, und von denen kommentieren auch nicht alle immer fleißig.

Dazu habe ich oft "Anfälle" von Inspiration, in denen ich dann gleich mehrere Gedichte innerhalb weniger Tage schreibe, und das allgemein schwache Echo in den Foren kommt dann nicht rechtzeitig nach, ehe die "Perlen", wie du sagst, dann in der Versenkung des Archivs verschwinden. So ein Forum ist eben hauptsächlich Oberfläche (Schauseite), und meist begnügen sich die Aktiven, dort zu verweilen. Wenige durchforsten Archive so wie du.

Dazu kommt, dass manche es hier für ein striktes Geben und Nehmen sehen: Sie kommentieren EIN Gedicht, um EINEN Kommentar zu erhalten - eine Hand wäscht die andere sozusagen. Aus reiner Liebe zur Lyrik oder aus purem Interesse am Schaffen anderer kommen diese weniger hierher, da geht es (wie oft bei mir, wie ich leider gestehen muss) um Selbstbestätigung (ich wurde als Kind kaum je gelobt, aber ausgiebig geschimpft, kritisiert und enttäuscht angeschaut - der "perfekte Sohn", oder zumindest der perfekt funktionierende, wurde für nichts weniger als selbstverständlich genommen, darum habe ich diesbezüglich bis heute ein kleines Loch in meinem Selbstwertgefühl, das ich ständig stopfen möchte, es aber nie genug kann).
Wir (zumindest die meisten) sind eben auch immer kleine Egoschweinchen, und daran ist ja auch nichts Verkehrtes - nur eben passiert es dann immer wieder, dass gute Werke ungeschaut und unkommentiert versinken.

Mögest du dich mit der selbstlosen Güte einer Mutter Theresa meiner unkommentierten Werke annehmen - du darfst dir meines tiefen Dankes gewiss sein!  :) ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Lernend leben
« Antwort #3 am: August 16, 2019, 15:42:34 »
Hi eKy!
Ich lese Deine Gedichte (wie die aller anderen hier schreiberisch tätigen Kollegen) wirklich aus Interesse an den vielfältigen Formen der Lyrik und ich finde, wenn man ein Werk kommentiert, zwingt man sich dadurch sich mehr Gedanken über ebendiese Verse zu machen, was den Genuss vertieft und den Horizont erweitert. Der Dank fürs Lesen- und Kommentierendürfen liegt also ganz auf meiner Seite! :)
Heißt natürlich nicht, dass ich so egobefreit bin, dass ich nicht auch gerne dann und wann einen Widerhall auf das vernehme, was ich mir so an lyrischen Versuchen abbreche. Insofern ist es vielleicht bei mir mit der selbstlosen Güte nicht ganz so weit her... :)
Ansonsten sind wir (aktuell aktive Autoren) hier vielleicht nicht grad furchtbar zahlreich versammelt, aber die Bandbreite der lyrischen Hervorbringungen ist doch ganz beachtlich... :)
Lg!
S.

Erich Kykal

Re: Lernend leben
« Antwort #4 am: August 16, 2019, 19:26:21 »
Hi Suf!

Nicht nur beachtlich, sondern auch im Hinblick auf die durchschnittliche lyrische Güte - zumindest aus meiner Sicht und nach meinem Geschmack - höchst annehmbar!  :)

Hier gibt es kaum "moderne" Schreiber oder des gehobenen Sprachstils nur leidlich Kundige, was ich als sehr angenehm empfinde!

LG, eKy
« Letzte Änderung: November 08, 2024, 23:48:36 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Lernend leben
« Antwort #5 am: August 19, 2019, 17:51:23 »
Hier gibt es kaum "moderne" Schreiber oder des gehobenen Sprachstils nur leidlich Kundige, was ich als sehr angenhem empfinde!

Hier will ich doch kurz und bescheiden einhaken und ein kleines Fähnchen für "moderne" Schreiber schwenken... (natürlich ohne an Deine Vorlieben bzw. Abneigen rühren zu wollen). :) Moderne Lyrik ist ja erstmal nicht besonders jung... ich würde den Anfang moderner Lyrik in Deutschland auf die Zeit um 1910 datieren (Heym, Stramm, Lichtenstein, Benn, van Hoddis) und meines Erachtens ist Lyrik in Deutschland seither nicht mehr wesentlich mutiger oder experimenteller geworden. Vielleicht kommt in den nächsten Jahren eine Generation neuer Lyriker, die die Grenzen der Sprache nochmal sinnvoll und schöpferisch erweitert... eine Hoffnung, die so alt ist wie die Lyrik. ;)

Erich Kykal

Re: Lernend leben
« Antwort #6 am: August 19, 2019, 18:32:13 »
Hi Suf!

WOHIN könnte man Sprache denn überhaupt noch erweitern? Besieht man manche experimentale Exzesse zeitnaher "Lyrik", fragt man sich, ob Dekomposition und dadaistischer Beliebigkeitsfaktor wirklich sooo toll sind, dass man da die "große Kunst" hineininterpretieren muss!!

Der nächste logische Schritt wären (ähnlich wie in der Malerei, wo das wengistens noch einigermaßen Sinn macht, oder der modernen klassischen Musik, wo es das nicht tut) dann "abstrakte Gedichte", sprich beliebige Buchstabenfolgen und aussagebefreite Lautmalerei! In etwa so:


Dr Vgl

SRRRmmm
flsch-flsch

bobofrjg
boktnbk

Feflx, Leflx
hägrännm


Na, Prost Mahlzeit zu solcher "Kunst"!! (Würg, Spei, Kotz!) Also, wozu soll sich der motivierte Sprachkünstler für seinen nachweltlichen Ruhm denn NOCH versteigen, was nicht schon in diesem letzten Jahrhundert verzweifelt versucht und letztlich belächelt wurde, zumindest von jenen, die um die Grenzen von Sprache wissen. Auf solche reinen Hirnwixereien kann ich verzichten!

Damit Sprache wirklich wirkt und vermittelt, muss man sich ihrer innerhalb ihrer Grenzen bedienen, sonst ist das Ergebnis nur elitär verbrämte Wichtigtuerei innerhalb abgehobener Literturenklaven, die sich intellektuell schon längst vom allgemein Verständlichen verabschiedet haben, nur um in eingeschworenen Zirkeln weiter ihre eingebildete "Vergeistigung" zu bedienen.

Soweit meine Ansicht.

LG, eKy
« Letzte Änderung: September 26, 2020, 09:26:46 von Erich Kykal »
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

Sufnus

Re: Lernend leben
« Antwort #7 am: August 20, 2019, 17:06:02 »
 ;D ;D ;D Wir sollten eigentlich mal einen Thread für bewusst schlecht gemachte Gedichte eröffnen... das könnte überaus unterhaltsam sein...
Wobei ich mich kaum traue es auszusprechen... sooo schlecht ist Deine Poetopolemik gegen die Auswüchse der Moderne irgendwie gar nicht geraten... liest sich süffig und macht gute Laune... also da hab ich schon schlechtere gereimte Gedichte gelesen (natürlich nicht von Dir!)  >:D
Gutgelaunte Grüße!
S.

Erich Kykal

Re: Lernend leben
« Antwort #8 am: September 26, 2020, 09:50:40 »
Hi Suf!

Da danke ich artig für die Honneurs!  :)

Schlimm genug, dass die Moderne reimlos bleibt, taktlos - oder beides. Aber gewisse Hirnwixereien ziehen mir einfach nur am Hals die Kabel auf:

!) Onomatopoetische Lyrik (siehe ZB Jandl's "Schtzngrm")
2) Dadaistische/surreale Lyrik (sinnfrei Abgetropftes aus dem frei strullenden zerebralen Mittelstrahl)
3) Prosagedichte (die nur noch dank Abteilung, also optischer Struktur so tun, als wären sie Gedichte)

Diese Formen sind in meinen Augen destruktiv, sie zerstören und zerstücken alles, was meinem eigentlichen Gefühl nach Lyrik sein sollte. Intellektueller Schmalspurorgasmus und pseudophilosophische Sterndeuterei, weil den Granden der jeweils aktuellen Szene sonst nichts "Originäres" mehr einfällt, womit sie sich noch um jeden Preis von anderen (und nach ihrem Begehren mindereren) Autoren abheben könnten.  ::)
Die Ergebnisse dieser inanen, selbstdarstellerischen "Kunst" interessieren allerdings außerhalb der elitären Zirkel der literarischen Szene - im Vergleich zur früheren klassischen Lyrik - kaum noch nennenswert jemanden. Der "Normalbürger", der mal Gedichte lesen will, greift vielfach zu den alten bewährten Namen früherer reimender Poeten.
Auch die vor einigen Jahren gehypten "Poetry-Slams" (eigentlich mehrheitlich bloß atemlos heruntergehundelte Raptexte dank Zeitlimit) kommen ganz wie selbstverständlich gereimt daher - warum wohl, wenn diese Form so überkommen und verstaubt ist wie moderne Dichter postulieren?
Ich kann es dir sagen: weil es die dem menschlichen Geist natürlich erscheinende Form schöner, eingängiger, harmomisch fließender gehobener Sprache ist! Und das wird immer so bleiben, egal wie lang sich die modernen Schreiber noch an ihr entwurzeltes intellektuelles Konzept klammern, um einen Ruf zu stützen, den sie in der breiten Leserschaft längst nicht mehr genießen!

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Lernend leben
« Antwort #9 am: September 26, 2020, 10:36:11 »
lernend leben, lebenslanges lernen,


klingt wie ein werbeslogan oder ein wirtschaftstrick, ist aber das elixier für lebensfreude, auch im alter.
in der tat hat ja die wissenschaft festgestellt, dass unser gehirn ein hohes mass an plastizität besitzt, soll heißen: es können immer wieder neue synapsen gebildet werden.
sicher aufgrund der basis , die in kindheit und jugend gelegt wurde, aber dennoch auch späterhin.

das umgekehrte ist auch wahr: was nicht genützt wird, das verkümmert.

also gilt für den kopf und für die seele, die gleiche regel wie für den körper: use ist - odere lose it!

eine offene , unvoreingenommene haltuing  wird aber mit den jahren immer schwieriger, weil wir zunehmend mehr in gewohnheiten verfallen  ( sie machen uns weniger mühe).

nicht für alles offen zu sein ist also ein energiesparkonzept. abgesehen davon: wer für alles offen ist, kann doch nicht ganz dicht sein!

und dennoch: ohne das berührt-werden, ohne das das sich-berühren -lassen von etwas neuem versteinern wir und werden zu mumien, noch zu lebzeiten!

deshalb, trotz aller dementi:

auf in das risiko des neuen gedankens, des neuen tages und der neuen zeit!

lg, larin

Erich Kykal

Re: Lernend leben
« Antwort #10 am: September 26, 2020, 12:21:11 »
Hi, larin!

Vielen Dank für die vertiefenden Gedanken!  :)

Und auch für diesen höchst zitablen Satz: "Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein.;D Welch tiefschürfende Wahrheit!  >:D

Aber ich weiß: Ganz dicht war ich noch nie, aber dennoch nie für wirklich alles offen. Wie passt das dazu?  ;)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

a.c.larin

Re: Lernend leben
« Antwort #11 am: September 26, 2020, 13:07:04 »
Wie das dazu passt?

So, würd ich sagen:
Sowohl Individuen als auch Gemeinschaften(Paare,Familien, Gruppen, Körperschaften,Staaten) sind  immer dem spannungsgeladenen Feld zwischen Offenheit und Grenzziehung ausgeliefert.:
Jede Offenheit ist Risiko und Bereicherung zugleich, jede Geschlossenheit ist Schutz und auch Gefahr von Einseitigkeit und gedanklicher Inzucht.

Daher ist alles immer in der Schwebe und den "ewigen Fragen" unterworfen: Wieviel Offenheit nützt, wieviel Geschlossenheit schützt?
Und darauf gibt es keine "ewigen", allgemein gültigen Anworten, denn:
- die Individuen sind verschieden
- die Gruppierungen sind verschieden
-  UND VOR ALLEM: Die Zeiten ändern sich!

Kompromisse, Balancen müssen immer wieder neu ausverhandelt werden!

Das mag verunsichern, lässt sich aber nicht anders bewerkstelligen. Selbst der einfache Vorgang des Gehens beruht auf der Tatsache eines fortwährenden Balancierens über dem Ungleichgewicht !

Die Lösung von heute ist das Problem von morgen! (nicht von mir, hab ich mal wo gehört)

Auch das ist hübsch:
Wer nicht mit der ZEIT geht,
muss mit det Zeit GEHEN.(Karl Farkas)

Na dann......
Lg, larin

AlteLyrikerin

Re: Lernend leben
« Antwort #12 am: September 26, 2020, 13:47:02 »
Hallo Erich,

der Titel klingt in der Tat wie ein Slogan aus bekannten Coaching-Seminaren zur Selbstoptimierung. Der Inhalt jedoch ist bildkräftig schön und beschreibt, was in der Tat ein Leben ausmachen sollte. Besonders gut gefiel mir:
Zitat
und hoffe, dass, was du dabei empfunden,dein wahres Wesen weiterhin bewohne.
Mit Genuss gelesen, AlteLyrikerin.

Erich Kykal

Re: Lernend leben
« Antwort #13 am: September 26, 2020, 15:06:48 »
Hi larin!

Danke für die genauen Ausführungen - das habe ich davon, dass ich ironisch sein wollte ...  ;) ;D

Hi AL!

Nein, den platten, sprücheklopfenden Motivationstrainer wollte ich nicht geben, bloß ein Stück selbst empfundener Wahrheit verdichten.


LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.