Unverzeihlich

[Erich Kykal]

Sie las ihr Lebensglück in seinen Zügen,
als er sie in die Arme nahm,
und als er ging und nicht mehr wiederkam,
erlernte sie wie er das Lügen.

Sie nahm die Männer, um sie zu betrügen,
und gab sich unbedarft und zahm,
doch waren sie erst einmal lendenlahm,
vermochte keiner zu genügen.

Verloren alle Träume von der Liebe,
vergeben die Gelegenheit,
verblasst ihr Fühlen im Verlauf der Zeit,
und übrig blieben nur die Triebe.

Was sind wir anderes als geile Diebe:
Wir nützen die Gelegenheit
und hoffen, dass der andere verzeiht,
was anders unverzeihlich bliebe.

[Agneta]

oh, sehr schön mit den wechselnden Hebungen, lieber Erich.
Wieder eine Frauenskizze, die symbolhaft für Menschen in ihren Beziehungen steht, was ich ja auch in "Ich sah"beschrieb.
Der erste Vers fließt wie Seide dahin, klasse!
Sie las ihr Lebensglück in seinen Zügen...- wundervoll. Das perfekte Paar. Aber dann kommt es dicke.
Sie imitiert ihn aus Verletzung, Enttäuschung, vielleicht auch Rache an allen Männern und nimmt sich selbst dabei die Chance, eine ernsthafte und gute Beziehung einzugehen , in der sie geliebt wird und lieben darf. Schade, aber vielleicht nicht selten, sowas...
Tragisch.
Sehr gerne gelesen mit lG von Agneta

[Erich Kykal]

Hi Agneta!

Das Gedicht ist im Querreim geschrieben, d.h., dass Hebungsschema und Reimschema einander konterkarieren. Hier zB. Ist das Reimschema ABBA, das Heberschema aber 5454.

Ein anderes Beispiel wäre: Reim ABAB, Heber 3443, oder AABB und 5454, usw ...

So entsteht ein leichtes inneres Ungleichgewicht, das gut zu schwierigen oder sozialkritischen Inhalten passt, weil es die Zerrissenheit solcher Welten spiegelt. Je kürzer die Verse, desto stärker scheint der Effekt zu sein.

Vielen Dank für das positive Echo! 

LG, eKy