Lieber gum!
Ein sehr kurzes, aktuelles Geschehen aufgreifendes Gedicht, das bei genauem Lesen einiges an Raffinesse offenbart! Vordergründig ist es "nur" eine Beschreibung der Merkurmission BepiColombo, die Platzierung unter der Rubrik Liebeslyrik zeigt aber den doppelten Boden an und wenn man sich überlegt, was es für eine Sonde bedeutet, einem Planeten "in die Arme zu fallen" (soweit ich weiß, ist eine Bruchlandung auf Merkur bei der Mission nicht von vorneherein vorgesehen - aber natürlich vorstellbar), gewinnen die vier Zeilen durchaus auch Hinter- bis Abründiges.
Ein weiterer beachtenswerter Aspekt ist das Metrum der vier Zeilen: Man kann, wenn man will, das Gedicht ganz regelmäßig als vierhebigen Jambus mit männlicher Kadenz lesen, aber das sollte man lieber nicht tun finde ich

- es klänge etwas leiernd und täte vor allem der dritten Zeile Gewalt an (um
kreise
Dich dann
mein Mer
kur). Viel schöner ist es, Z1, Z2 und Z4 beinahe ungebunden, in natürlichem Sprachfluss zu lesen, wobei insbesondere bei den ersten beiden Silben die Betonung nahezu schwebend ist - irgendetwas unbestimmbares zwischen Trochäus und Jambus; passt dieses "Schweben" dann nicht wunderbar zur Schwerelosigkeit? Für die Z3 bietet sich hingegen ein Auftaktjambus, gefolgt von einem zweihebigen Anapäst an: um
kreise Dich
dann mein Mer
kur; man sieht die Sonde beinahe im Walzertakt um das Zielobjekt schlenkern.
Sehr gern gelesen!
S.