Autor Thema: Versuch über die Dauer  (Gelesen 1419 mal)

Sufnus

Versuch über die Dauer
« am: Oktober 20, 2018, 15:34:23 »
Versuch über die Dauer

In welcher Mitte ruhen schwer wie Stein
Erinnerungen frohverbrachter Tage,
ein helles Erz, umgeben von der Klage
aus Nichtigkeiten und dem Alltagsklein?

Und was bleibt in der Erosion der Zeit
als innerliches Fundament bestehen,
nicht schutzlos preisgegeben dem Verwehen,
als kleinster Teiler der Vergänglichkeit?

Vielleicht sind ja die Fragen falsch gestellt.
Nur der Moment leiht eine Art von Dauer
dem Glück, gehn auch die Winde immer rauher,
und die Fassade bröckelt und zerfällt.

gummibaum

Re: Versuch über die Dauer
« Antwort #1 am: Oktober 20, 2018, 17:17:45 »
Lieber Sufnus,


Dauer ist ein interessantes Phänomen für einen Denker wie dich.
 
In deinem Gedicht irritieren mich ein paar Ausdrücke: "schwer" passt nicht zu "froh".  Erz hat nicht den hellen Glanz von Metall. Das Fundament liegt unter dem Gebäude. Der kleinste Teiler ist (bei natürlichen Zahlen) die Eins. Das "auch" (=selbst wenn) im vorletzten Vers führt etwas von der geraden Gedankenspur ab. Ich versuche mich mal, aber vielleicht etwas unberufen und zu Ungunsten des von dir Gemeinten.

LG g


In welcher Mitte ruhen hart wie Stein
Erinnerungen frohverbrachter Tage
als glänzendes Metall, umsäumt von Plage
und Nichtigkeit aus blindem Alltagsklein?

Und was bleibt in der Erosion der Zeit
als inneres Geflecht im Bau bestehen,
nicht schutzlos preisgegeben dem Verwehen
und überwältigt von Vergänglichkeit?

Vielleicht sind ja die Fragen falsch gestellt.
Nur im Moment erwächst dem Glück noch Dauer,
derweil sich die Fassade schon in rauer
Bestürmung bröckelnd aufgibt und zerfällt...

Sufnus

Re: Versuch über die Dauer
« Antwort #2 am: Oktober 21, 2018, 12:57:48 »
Hey!
Du klingst ein wenig grumpy, old gum!  O0
Erze sind keinesfalls immer dunkel und ohne metallischen Glanz, mit dem innerlichen Fundament ist kein Fundament im Inneren gemeint (was ja erkennbar unsinnig ist), sondern ein Fundament für das Innere: ein Gebrauch des Adjektivs, der nicht dem normalen Sprachduktus entspricht, ist halt etwas fürs Gedicht. Den kleinsten Teiler = 1 fand ich eigentlich ganz ulkig (Nerd-Humor?) und Deinen Einwand gegen das unschuldige "auch" verstehe ich nicht.
Nichtsdestotrotz nehm ich Dein Missbehagen gerne als Ansporn für eine Nachbesserung... :)
Lieben Gruß
vom Sufnus! :)

Erich Kykal

Re: Versuch über die Dauer
« Antwort #3 am: Oktober 21, 2018, 15:20:12 »
Hi Suf!

Dieses Gedicht gefällt mir sehr, ich finde es in Sprachgang und Inhalt besonders gelungen. Gums Version ist sprachlich noch ein wenig ausgefeilter, vor allem in S3. Dennoch sehe ich beide Versionen als gleichwertig nebeneinander. Ist Gums Version sprachlich gefälliger, so kitzeln deine Bilder, Suf, ein wenig mehr meine Vorstellungskraft und mein Denken, wie zB. die Idee vom "kleinsten Teiler der Vergänglichkeit" (In der Zeile davor übrigens kein Komma ans Zeilenende).

In deiner Version würde ich einzig in S3Z4 statt des "und" die Zeile mit "bis" beginnen, auch wenn man den unbetonten Auftakt dann nur recht bemüht hinbekommt.

Sehr gern gelesen!  :)

LG, eKy
Ironie: Ich halte euch einen Spiegel vor, damit wir herzlich lachen können.
Sarkasmus: Ich halte euch einen Spiegel vor, weil ich von euch enttäuscht bin.
Zynismus: Ich halte euch einen Spiegel vor, aber ich glaube nicht mehr an euch.

gummibaum

Re: Versuch über die Dauer
« Antwort #4 am: Oktober 21, 2018, 22:20:48 »
Lieber Sufnus,

für "grumpy" muss ich mich wohl entschuldigen. Es ist gewiss die Altersdepression, die mich so starrsinnig, ungnädig und ungerecht macht. Beim Wiederlesen gefällt mir das Gedicht nun. So ist das mit dem Moment und der Dauer eben manchmal.   

Alles Liebe
old gum

Sufnus

Re: Versuch über die Dauer
« Antwort #5 am: Oktober 22, 2018, 16:06:38 »
Ihr Lieben!
Vielen Dank nochmal für Eure Anregungen und Verbesserungsideen... ein nochmaliges Handanlegen an meine Zeilen ist sicher berechtigt! Irgendwie bin ich gerade nicht geduldig genug fürs Nachfeilen, aber in den nächsten Tagen geh ich es mit Euren Anmerkungen im Hinterkopf nochmal an! :)
... und mein "grumpy" kam hoffentlich nicht zu miesepetrig rüber!!! Grundsätzlich (siehe oben) ist ein bisschen Ausbesserungsarbeit auf alle Fälle sinnig und durch Eure Hinweise helft Ihr mir sehr dabei!
Lg!
S.